Deutschlands bester Sommelier Die ganze Weinwelt im Kopf

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Ruhe bewahren!

Neben Üben braucht es bisweilen auch Fortune, er schafft es nicht in die Runde der letzten drei, seine Enttäuschung ist ihm anzusehen, wie auch den beiden Teilnehmerinnen Stefanie Hehn und Helga Schröder, die zuschauen, wie Junker und die beiden weiteren Finalisten Marc Almert aus Hamburg und Tommy Hergenhahn aus Münster im wahrsten Sinne des Wortes auf der Bühne vorgeführt werden.

Almert, 23 Jahre jung und im Hotel Vier Jahreszeiten am Hamburger Jungfernstieg tätig, zeigt sich im Gegensatz zu seinen Mitbewerbern ungerührt von Prüfungssituation, Lampenfieber und Nervosität. In aller Seelenruhe seziert er nicht allein die Aromen des Australiers, den er für einen Chilenen hält, sondern gibt in zweiten Teil der Blindverkostung auch nach jeweils wenigen Sekunden mit der Nase im Glas, eine Antwort, was für eine Spirituose er in den jeweils drei Gläsern vermutet. Den Safran-Gin wird am Ende keiner der Kandidaten erkannt haben, zu sehr haben die Jurymitglieder die Kandidaten damit aufs Glatteis geführt.

Wo die Deutschen ihren Wein kaufen

Zwei Teile umfasst der Wettbewerb, nach der Blindprobe muss Tommy Hergenhahn die 14 Fehler finden, die Juryvorsitzender Frank Kämmer in eine Weinkarte hineingeschrieben hat. Dass der Ort "Graach" mit zwei A geschrieben wird, erkennt er ebenso wie seine Mitbewerber. Dass der Oeil de Perdrix als Rosé nicht in die Abteilung Weißwein gehört, entdeckt hingegen keiner. Auch die falsche Schreibweise von Alvarinho entgeht den Prüflingen. Zu finden sind die weiteren Stolpersteine wie Château Montrose, das zum Anbaugebiet Saint-Estéphe und nicht Saint-Julien gehört. Kenntnisse des Weinrechts in Deutschland sind gefordert, um zu sehen, dass ein sogenanntes 'Großes Gewächs' aus Rheinhessen nicht aus Weißburgunder gemacht sein darf, sondern ausschließlich aus Riesling und Spätburgunder.

Zurück in den Betrieb

Der Sieger, Torsten Junker, arbeitet sichtlich nervös doch dafür umso konzentrierter die Liste ab, alle Fehler entdeckt auch er nicht. Es ist ihm und den zwei anderen Teilnehmern anzusehen, wie sie aufatmen, als sie zurück sind in ihrem Element: Das Servieren eines Rotweins. Drei Juroren simulieren die Gäste. Christine Balais lenkt sie mit einer Frage ab, während es gilt, den Rotwein über eine Kerze so zu dekantieren, dass kein Sediment in die Karaffe kommt. Den Lippenstift am Glas gilt es zu finden und festzustellen, dass die von den Gästen bestellte Flasche 1999 gar nicht da ist, sondern nur der von 1998. Eine kurze Rücksprache mit seinem Gast - und Torsten Junker öffnet routiniert die Flasche. Die Spindel des Korkenziehers dreht er nur soweit rein, dass sie nicht den Korken auf der Unterseite zerstört - so können keine Brösel in die Flasche fallen.

Für Junker, der im Rollenspiel das professionelle Lächeln abrufen kann, löst sich die Spannung nicht mal, als er schon als gekürter Sieger im Konfettiregen steht. Die Anstrengung steht ihm ins Gesicht geschrieben, die Freude muss sich noch die Bahn brechen: Wein ist auch Entspannung, nicht jedoch, wenn man viel drüber wissen muss. "Ich muss das erst sacken lassen", sagt Junker, der als frisch gekürter Sieger schon diese Woche wieder seinen Gästen im Hotel Louis C. Jacob Wein einschenken wird. Nur wenige werden ahnen, wie anstrengend diese Arbeit wirklich sein kann.

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