Die Air-Berlin-Tragödie Wer beim Drama um die Krisenlinie welche Rolle spielt

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Wer rettet Air Berlin?

Das Gegenmittel zur Krise entwarf im vergangenen Herbst ein Herrenklub. Die wichtigsten Mitglieder: der neue Konzernchef (und frühere Leiter der Lufthansa-Billigtochter Eurowings) Thomas Winkelmann, der scheidende Air-Berlin-Vorstandsvorsitzende Stefan Pichler sowie die Bosse von Lufthansa, Etihad und Tui. Sie wollten Air Berlin auf eine wahrscheinlich profitable Hälfte rund um die Langstreckenflüge ab Düsseldorf und Berlin schrumpfen. Den Test sollten sich Lufthansa und Tui teilen. Das eine Viertel der Flotte inklusive Besatzung mietete die Lufthansa-Billigtochter Eurowings. Aus dem Rest – inklusive einiger zu besonders schlechten Konditionen von der Tui gemieteten Jets – sollte der Ferienflieger Niki werden, was Air Berlin nochmal 300 Millionen Euro bringen sollte.

So gut das Lufthansa-Leasing läuft, der Tui-Deal platzte am vergangenen Donnerstag und Air Berlin steht vor einem Scherbenhaufen. Nicht nur dass sie eigentlich die erhaltenen 300 Millionen zurückzahlen sollte. Sie muss auch die besonders von der Tui gemieteten Jets weiter beschäftigen, was sie pro Jahr etwa 50 Millionen Euro extra kostet. 

Damit steht Air Berlin unter gewaltigem Druck. Denn nun ist es fast unmöglich, dass die Linie bessere Zahlen schreibt. Damit rückt auch der Abbau des gigantischen Schuldenberges in weite Ferne. Zur Erinnerung: Allein 2016 machte die Linie 781,9 Millionen Euro Verlust. Im ersten Quartal flog die Linie drei Millionen Euro Miese ein – pro Tag. 

Das größte Problem: Nach Jahren verliert sie ihre wichtigste Stütze: Hauptaktionär Etihad, der die Linie seit Jahren mit Finanzspritzen in der Luft hält, wendet sich ab. 

Etihad

Aufrechter Retter, der eine verlorene Schlacht allein nicht drehen konnte, oder ein Spieler, der sich verzockt hat? Welche Rolle Etihad in der Geschichte einnimmt, hängt vom Betrachtungswinkel ab. Fest steht: Die Airline mit Sitz in Abu Dhabi konnte den Sinkflug von Air Berlin nie umkehren – und wird es wohl auch nicht mehr ernsthaft versuchen. 

Immer und immer wieder hat die Linie seit ihrem Großeinstieg 2012 Geld nachgeschoben. Laut Schätzungen sind es inzwischen fast 1,5 Milliarden Euro – und das letzte Geld kam pünktlich vor der Bilanzvorlage. Im April hatte Etihad zudem in einem "Letter of Support" versichert, in den kommenden 18 Monate auszuhelfen, wenn die Mittel knapp werden. Ohne diese Erklärung hätte die hoch verschuldete Air Berlin möglicherweise bereits Insolvenz anmelden müssen. 



Vielleicht bleibt der "Support" bloß ein Lippenbekenntnis. Zwar gaben die Wirtschaftsprüfer der Linie ein Testat, schränkten jedoch ein, dass die Grundlage eine Art Garantieerklärung des Hauptaktionärs Etihad war, der "von der Gesellschaft möglicherweise nicht durchgesetzt werden kann". Ein Insider kommentiert das so: "Die einzige Garantie ist das gute Wort." 

Dass die Araber auf lange Sicht weiter Mittel in die Linie pumpen, gilt in der Branche als ausgeschlossen. Etihad muss eigene Probleme in den Griff kriegen. Zu Jahresbeginn hatte die Fluggesellschaft bereits erklärt, sämtliche Europa-Beteiligungen auf den Prüfstand zu stellen. Airline-Chef James Hogan – hauptverantwortlich für die Air-Berlin-Treue – hat das Unternehmen mittlerweile verlassen.  Der frühere Finanzvorstand ebenso. Längst kursieren in der Branche Gerüchte, dass die Araber einen Käufer für die Aktien suchen. 

Lufthansa

Auftritt Lufthansa. Aus der einstigen Erzfeindin könnte die Retterin werden, wenn auch keine strahlende. Die Deutsche Nummer 1 hat Air Berlin bereits 38 Jets samt Crews abgenommen. Dafür bekommt Air Berlin pro Monat nun mehr als 11 Millionen Euro. . Mehr "Zusammenarbeit" scheint nicht ausgeschlossen. Selbst die vollständige Übernahme ist denkbar. 

Der frühere Germanwings-Manager und heutiger Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann hat wiederholt klar gemacht, dass seine Linie starke Partner an ihrer Seite braucht. Zwar spricht der Airline-Manager auch von und mit anderen Interessenten. Das hält so mancher Branchenkenner allerdings für Blendwerk. Nicht nur die Verbundenheit Winkelmanns zu seinem früheren Arbeitgeber spricht für den Übergang zur Lufthansa. Die Kranichlinie hat ein Interesse, auf ihrem Heimatmarkt keine neue Konkurrenz entstehen zu lassen.

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