Als Ryanair-Chef Michael O’Leary Europas größtem Billigflieger im Herbst eine Service-Initiative verordnete, hielt das selbst seine ärgste Konkurrentin für eine Zeitenwende: „Ohne guten Kundendienst hat in unserer Branche keiner Erfolg“, lobte Easyjet-Chefin Carolyn McCall die Entscheidung, nicht mehr für jede Kleinigkeit die Hand aufzuhalten.
Das sieht József Váradi anders. Der Chef und Gründer des ungarischen Billigfliegers Wizz Air kassiert seit gut einem Jahr nicht mehr nur für Getränke oder Sitzreservierungen. Bei Wizz zahlen Kunden bis zu 40 Euro, wenn sie statt einer kleinen Tasche den üblichen Kabinentrolley mit an Bord nehmen wollen.
Die Strenge hat dem Erfolg nicht geschadet. Geizmeister Wizz, der an deutschen Flughäfen wie Köln, Dortmund, Hahn, Weeze oder Memmingen pro Jahr fast eine Million Kunden hat, verzeichnet das größte Wachstum unter Europas fünf größten Billigfliegern. Dabei war Wizz Air dank des dichten Streckennetzes bis nach Dubai und des Wirtschaftswachstums in Osteuropa 2013 operativ sogar profitabler als die Wettbewerber.
Die ungewöhnlichen Nebeneinkünfte der Airlines
Aeroflot aus Russland verkaufte in 2012 an Bord Duty-Free- Waren im Wert von 171,3 Millionen Dollar und verdiente daran knapp 80 Millionen Euro.
KLM auf den Niederlanden verdient pro Jahr 65 Millionen Euro an den Komfort-Sitzen in der Economy Class auf der Langstrecke.
Der spanische Billigflieger Vueling bekommt vom im März eröffneten Hotel Vueling in Barcelona mehrere Tausend Euro Lizenzgebühr von der Betreibergesellschaft Hoteles Catalonia.
Der Billigflieger Norwegian aus Oslo hat eine eigene Bank und kassiert im vergangenen Jahr 6,9 Millionen Dollar aus Kommissionen für deren Kreditkarte.
Ryanair erlöst auf jedem seiner knapp 500.000 Flüge im Schnitt 180 Euro aus der Reservierung besonders begehrter Sitze in den ersten und letzten beiden Reihen sowie an den Notausgängen mit höherer Beinfreiheit.
Dem US-Billigflug-Erfinder Southwest zahlten die Kunden 161 Millionen Dollar an Early- Bird-Gebühren für das Recht als erste einzuchecken und an Bord zu gehen.
Der Ultra-Billigflieger Frontier aus den USA kassiert als bislang einzige Linie seit dem 1. Mai auch für Handgepäck. Wer einen Billigtarif hat und kein Vielflieger ist zahlt bis zu 100 Dollar pro Flug.
Wizzair aus Ungarn bietet Mitgliedern ihres Discount Clubs gegen knapp 30 Euro Jahresgebühr zehn Euro Rabatt pro Flug auf teurere Tickets.
American Airlines bringt aufgegebenes Gepäck für eine Gebühr von 30 Dollar pro Koffer im Umkreis von 100 Kilometern um ihre 200 wichtigsten Zielflughafen ins Hotel oder nach Hause.
Passagiere von Virgin America können über das Bordunterhaltungssystem neben Essen, Getränken und einem Schlafset mit Kissen und Decke für neun Dollar auch für vier Dollar Schmerz- und Schlaftabletten kaufen – und alles am Ende des Flugs auf einmal per Kreditkarte bezahlen.
Nun wagt Váradi den nächsten Schritt. Er will das 2003 gegründete Unternehmen in London an die Börse bringen - ursprünglich sogar schon bis Juni 2014. Dieses Vorhaben hat Váradi jedoch am Montag plötzlich verschoben. „Die Reaktion der Investoren war zwar gut“, hieß es im Unternehmen. Grund seien die Kurseinbrüche bei den bisherigen Fluglinien nach der Gewinnwarnung der Lufthansa. „Für Fluglinien ist der Markt im Moment einfach zu wackelig“, so die offizielle Begründung nach den Kurseinbrüchen.
Grundsätzlich bleibt der Plan. Bei einem geschätzten Börsenwert von gut einer Milliarde Euro erhoffen sich Váradi und seine Miteigner wie der US-Fonds Indigo Partners sowie eine Tochter der genossenschaftlichen DZ Bank aus Deutschland Einnahmen von 200 Millionen Euro.
Das Geld kann Wizz gut brauchen. Denn das bisherige Wachstum hat die Linie finanziell ausgelaugt. Um weiter zuzulegen, hat sie 67 weitere Flugzeuge fest bestellt. „Wizz hat klar zu wenig Kapital, um den bisherigen Kurs fortzusetzen“, heißt es in einer Studie der auf die Flugbranche spezialisierten Beratung Capa aus Sydney.
Mit dem Börsengeld jedoch stünden die Chancen gut, sagt Analyst Peter Morris vom renommierten Londoner Marktforschungsunternehmen Ascend Aviation. Er gründet den Optimismus auf die ungewöhnlichen Ideen des Managements um Váradi und seinen Verwaltungsratschef William Franke.
Franke steuerte sein Wissen als Ex-Chef von Billigfliegern wie Frontier aus den USA oder Tiger Airways aus Singapur bei, Váradi brachte seine Erfahrung vom amerikanischen Konsumgüter-Riesen Procter & Gamble ein – und beide ergänzten das mit ein paar Extras zum Modell Wizz. „Wizz hat das Regelbuch für Low Cost um ein paar originelle Ideen erweitert“, urteilt etwa der britische Branchendienst Anna.aero.