Mit einem Wagniskapitalfonds will die Bahn künftig verstärkt in Mobilitäts-Start-ups investieren. Dafür hat die Bahn ein Tochterunternehmen gegründet, das am Dienstag im Handelsregister eingetragen wurde. Ziel sei es, Gründer außerhalb der starren Konzernstrukturen zu fördern, sagte ein Bahnsprecher. Gefördert werden sollen nicht nur externe Gründer. Auch unternehmerisch engagierte Konzernmitarbeiter sollen an eigenen Ideen arbeiten können. Dafür wurde der Fonds mit 50 Millionen Euro Wagniskapital für die ersten zwei Jahre ausgestattet. Doch was genau plant die Bahn? Und was haben die Kunden davon? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Warum gründet die Bahn eine Digital-Tochter?
Ziel von Bahn-Chef Rüdiger Grube ist es, den Staatskonzern für die Digitalisierung fit zu machen. Dafür will er in den kommenden zwei Jahren eine Milliarde Euro in den Konzernumbau investieren. Geld fließt beispielsweise in die IT-Infrastruktur, in Sensoren, die Weichen und Schienen miteinander vernetzten und so die Verspätungen reduzieren oder in ein Streaming-Portal für den ICE. Doch die Bahn will auch neue Geschäftsfelder erschließen. Dafür hat das Management das Tochterunternehmen Digital Ventures gegründet. Dort sollen Start-ups schnell entwickelt und unbürokratische gefördert werden.
Welche Geschäftsmodelle will die Bahn fördern?
Da hat sich die Bahn nicht festgelegt. Start-ups, die ein Investment wollen, müssen nicht unbedingt etwas mit Zügen zu tun haben. Sie können sich auch im weiteren Sinn mit den Themen Mobilität und Reisen beschäftigen. Mit Qixxit investiert die Bahn beispielsweise in einen Online-Reisplaner, der die schnellste Route von A nach B ermittelt und dabei Flugzeug, Bahn, Fernbus, Car-Sharing oder das eigene Fahrrad berücksichtigt.
Wie viel Geld kann die neue Digital-Tochter ausgeben?
Der neue Risikokapitalfonds wird für die kommenden zwei Jahre mit einem Budget von 50 Millionen Euro ausgestattet. Das bedeutet jedoch nicht, dass davon jeder Cent investiert werden muss. Der Fokus liegt dabei auf Starthilfe für Gründer. Doch das Budget erlaubt den Risikokapitalgebern auch bei reiferen Start-ups einzusteigen, die beispielsweise schon eine Millionen-Bewertung erzielt haben.
Wirken sich die Investments auf die Ticket-Preise aus?
Hat die Bahn bislang keine Start-ups gefördert?
Doch. Heute unterstützt die Bahn Start-ups in ihrem Gründerzentrum am S-Bahnhof Jannowitzbrücke in Berlin. Entrepreneure können 25 000 Euro Startkapital, Arbeitsräume, Workshops oder Mentoring erhalten. Das Angebot soll auch weiter ausgebaut werden. Bislang hat die Bahn nach eigenen Angaben Kontakt zu 400 Start-ups. Mit 20 Firmen führt die Bahn Produkte ein oder entwickelt sie zur Marktreife. Sie sollen künftig in der neuen Digital-Tochter gebündelt werden.
Hochgeschwindigkeitszüge in anderen Ländern
In Italien konkurrieren zwei Anbieter von Schnellzügen um die Kunden. Neben der Staatsbahn Trenitalia gibt es seit 2012 auch die privaten Italo-Züge. Italo bedient mit seinen schnellen und modernen Zügen des französischen Konzerns Alstom weniger Strecken als Trenitalia, setzt aber vor allem auf Komfort und Service. So gibt es in der ersten Klasse Essen am Platz, dazu kommen Wlan und die Möglichkeit eines eigenen Unterhaltungsprogramms. Trenitalia hat vor kurzem seinen neuen Frecciarossa 1000 präsentiert, der bis zu 400 Stundenkilometer schnell fährt. Die Freccia-Züge setzen eher auf gute Verbindungen, hohe Geschwindigkeit und wenige Haltepunkte. In den Schnellzügen beider Anbieter gilt generell eine Reservierungspflicht.
In Spanien hebt das staatliche Eisenbahnunternehmen Renfe vor allem die Pünktlichkeit der mit Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 310 Stundenkilometern fahrenden Schnellzüge hervor. Ab Herbst sollen die Waggons zunächst auf der Strecke zwischen Madrid und Barcelona mit Wlan ausgestattet werden. Der Hochgeschwindigkeitszug AVE hat im Juli 1,84 Millionen Reisende transportiert und damit einen neuen Rekord aufgestellt. Mit einem Streckennetz von knapp 3150 Kilometern ist das AVE-System im europäischen Highspeed-Sektor führend. In den kommenden Jahren soll das Netz für rund zwölf Milliarden um weitere 1850 Kilometer erweitert werden. Geplant sind außerdem 30 neue Züge im Wert von 2,65 Milliarden Euro.
In Frankreich soll 2022 eine neue Generation des Hochgeschwindigkeitszugs TGV in Betrieb gehen. Das Modell wird vom Bahnkonzern SNCF und dem Siemens-Rivalen Alstom gemeinsam entwickelt. Der neue TGV soll billiger und sauberer werden und in der Anschaffung sowie im Betrieb mindestens 20 Prozent günstiger sein. Geplant ist außerdem, den Energieverbrauch um mindestens ein Viertel zu senken. Der erste TGV ging 1981 an den Start und war der Vorreiter der Hochgeschwindigkeitszüge in Europa. Er verbindet die wichtigsten Städte des Landes. Die mehr als 400 Kilometer von Paris bis Lyon schafft er mit teilweise über 300 Stundenkilometern in rund zwei Stunden.
Der wohl bekannteste Schnellzug in Großbritannien ist der Eurostar, der Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 320 Kilometern pro Stunde erreichen kann. Seit Ende 2015 ist das Modell e320 von Siemens im Einsatz und verbindet London, Paris und Brüssel. Auf der Hochgeschwindigkeitstrasse High Speed 1 (HS 1) zwischen London und dem Eurotunnel fährt aber auch der sogenannte Class 395 „Javelin“ der britischen Eisenbahngesellschaft Southeastern Railway, der 225 Stundenkilometer erreicht. Gestritten wird wegen hoher Kosten über eine Nord-Süd-Trasse (HS 2) zwischen London, Birmingham, Sheffield, Manchester und Leeds. Der Bau der Strecke soll 2017 beginnen - das Parlament hat aber bisher nur für einen Teil grünes Licht gegeben.
In Polen setzt die Staatsbahn PKP auf Schnelligkeit und Komfort. Für umgerechnet etwa sieben Milliarden Euro ließ das Unternehmen seit 2012 Schienennetz, Bahnhöfe und Züge erneuern. Zum Modernisierungsprogramm gehört etwa der Kauf der elektrischen Triebzüge ED250 Pendolino des Herstellers Alstom. Sie erreichen eine Höchstgeschwindigkeit von 250 Stundenkilometern. Für eine bequeme Reise sorgen ausziehbaren Sitze, individuelle Beleuchtung und Steckdosen an jedem Platz. Diesen Komfort in der Kategorie Express InterCity Premium (EIP) soll sich mittels Frühbucherrabatten jeder leisten können. Tickets gibt es ab umgerechnet 11 Euro. Ein Imbiss und sowie ein Getränk an Bord sind im Preis inbegriffen.
Japans derzeit schnellster Zug ist der Shinkansen. Da der Eisenbahnbetrieb auf nationaler Ebene seit den 1980er Jahren privatisiert ist, gibt es mehrere Betreiber für die Hochgeschwindigkeitszüge. Die meist befahrene Strecke zwischen Tokio und Osaka fällt unter die Zuständigkeit des Bahnunternehmens JR Tokai. Dieses verfolgt angesichts des immer heftigeren Konkurrenzkampfes mit Billigfliegern die Ziele, schneller, komfortabler und sicherer zu werden, ohne dabei die Preise zu senken. Mit einem neuen Bremssystem sollen die rund 130 Züge zudem mit einer Höchstgeschwindigkeit von 285 km pro Stunde fahren können.
Welches Ziel verfolgt die Bahn mit ihren Beteiligungen?
Grundsätzlich will die Bahn in Unternehmen investieren, die „neben einem starken Gründerteam auch signifikantes Wachstums- und Innovationspotential vorweisen“, sagt Boris Kühn, Co-Geschäftsführer der neuen Wagniskapital-Tochter. Ist ein Start-up erfolgreich, kann die Bahn ihre Beteiligung gewinnbringend verkaufen. Eine andere Möglichkeit ist, die Beteiligung aufzustocken oder das Start-up vollständig zu übernehmen.
Was haben Bahnkunden von den strategischen Beteiligungen?
Die Start-ups sollen Grubes geplanten Umbau der Bahn zu einem „Mobilitätsmanager“ vorantreiben. So ist die Bahn an dem Mitfahrdienst Clever Shuttle beteiligt. Dabei können Fahrgäste in ein Elektro-Taxi zusteigen, das bereits mit einem anderen Kunden unterwegs ist. Kosten für eine Taxifahrt sollen so um bis zu 30 Prozent sinken. Wenn die Start-ups die Erwartungen des Bahnmanagements erfüllen, könnte beispielsweise die Reiseplanung einfacher und transparenter, der Weg von Tür zu Tür schneller und günstiger oder die Züge pünktlicher werden.
Wirkt sich das Projekt auf die Ticketpreise aus?
Zumindest nicht unmittelbar. Als Grund für die jüngste Preiserhöhung hat das Bahnmanagement Investitionen in neue Züge und Modernisierung der alten Züge angegeben. Verglichen mit den geplanten 55 Milliarden Euro, die die Bahn in den kommenden fünf Jahren insgesamt investieren will, fällt die eine Milliarde, die in den kommenden zwei Jahren für die Digitalisierung ausgegeben werden soll, kaum ins Gewicht. Die zusätzlichen 50 Millionen Euro Wagniskapital für Start-up-Investments sind viel zu gering, um Ticket-Preise zu beeinflussen. Im besten Fall sorgen Innovationen der Gründer dafür, dass die Bahn ihre Kosten senken kann und künftige Ticketpreiserhöhungen geringer ausfallen.