Grube kontert diese Einwürfe mit Bravour. Kritik lässt er nicht gelten. Und für die wirklich kniffligen Fragen hat Grube an diesem Abend seine Allzweckwaffe mitgebracht: Ingolf Leuschel, Konzernbevollmächtigter bei der Deutschen Bahn. Der graumelierte Manager mit Vollbart ist ein wandelndes Eisenbahnlexikon. Grube und Leuschel müssen sich rechtfertigen, warum die Bahn nur einmal stündlich in Wolfsburg halte und den vielen Pendlern nach Berlin nicht mehr Verbindungen anbiete. Sie müssen klar stellen, warum die Bahn in der Hauptstadt nicht auch an den Stationen Friedrichstraße und Alexanderplatz mit dem ICE halte. Sie müssen begründen, warum die Strecke Berlin-Erfurt-Schweinfurt nicht wie damals in den Dreißigerjahren als direkte Fernverkehrsstrecke genutzt werde.
Leuschel hat auf alles eine Antwort. Zusätzliche Halte in Wolfsburg würden sich negativ auf den Nahverkehr in Berlin auswirken. Die Bahnsteige an Friedrichstraße und Alexanderplatz seien für die ICE-Züge zu kurz. Und ja, Berlin-Erfurt-Schweinfurt sei früher mal eine internationale Strecke gewesen, auf der schon Vladimir Lenin gefahren sei. Aber die Strecke sei heute für den ICE-Verkehr unbrauchbar, weil es dort viel zu viele Bahnübergänge gebe. Grube kann sich auf Leuschel verlassen. Nur einmal kommt das Duo in Verlegenheit. Eine schwer behinderte Frau im Rollstuhl namens Lehmann sitzt im Publikum. Sie erhebt mit schwerer Luft ihre Stimme und erzählt von ihrem Leid als immobile Bahnfahrerin. Die Aufzüge an den Bahnhöfen seien ständig kaputt. Um aufs Gleis zu gelangen, benötige sie über Umwege oft 20 Minuten und länger. Allein gestern habe es in Berlin 23 defekte Aufzüge gegeben. „Und dann passiert oft zwei bis drei Monate nichts“, sagt sie. Das Publikum applaudiert.
Grube antwortet. Er kenne die Probleme, sein Vater habe auch im Rollstuhl gesessen. Danach begründet er die Probleme bei der Fahrstuhltechnik mit den rigiden Richtlinien in Europa, die für Anschaffungen von mehr als 400.000 Euro europaweite Ausschreibungen vorsehen. Dabei entscheide gezwungenermaßen oft der Preis, nicht die Qualität. Zudem müsse die Bahn viel Geld in die Bahnhofsinfrastruktur in anderen Bundesländern investieren. Es folgt eine Salve von Millionenbeträgen.
„Aber Herr Grube, jetzt kommen Sie mir nicht mit Zahlen“, kontert die Dame wütend. Grube hält inne. „Frau Lehmann“, sagt Grube. „Wir tauschen uns nachher aus. 23 defekte Aufzüge sind nicht akzeptabel. Wir kümmern uns drum. Danke für das Verständnis.“
Die Diskussionsrunde wird beendet, pünktlich um 21 Uhr. So steht es im Programm. Die Vorstandschefs deutscher Daxkonzerne wären längst verschwunden. Nicht so Grube. Er diskutiert weiter, in kleinen Gruppen und Einzelgesprächen, während die meisten Zuhörer schon längst zu Brezeln und Bier greifen.