Wie kompromissbereit Fernandez war, erstaunt die Scholz-Truppe noch heute. Die unter Punkt vier stehenden „Vertragsstrafen auf sechs Zwischentermine“ waren anfangs nicht vorgesehen. Für jeden Werktag, den Hochtief überzieht, wären 200.000 Euro fällig. Wird die Abnahme am 31. Oktober 2016 überschritten, sind es 575.000 Euro pro Werktag. Die Strafzahlungen sind gedeckelt auf 29 Millionen Euro. Überzieht Hochtief beim Endtermin um mehr als drei oder bei den Zwischenterminen um mehr als vier Monate – „gleich aus welchem Grund“ –, darf die Stadt die Verträge kündigen, mit unabsehbaren finanzielle Folgen.
Aktionärsschützer wollen bei der Hauptversammlung nachhaken, wie es zu der einseitigen Lastenverteilung kam. „Immer wieder hat Hochtief nachgebessert“, beschreibt ein Scholz-Intimus den herbstlichen Verhandlungsmarathon: „Unsere Bedingungen sind übererfüllt worden.“
Aufsichtsräte abserviert
Deshalb kam es zur Zerreißprobe zwischen Fernandez und der damaligen Hochtief-Solutions-Führungsriege. „Früher hätte man uns so einen Vertrag um die Ohren gehauen“, sagt ein hochrangiger Hochtiefler der WirtschaftsWoche: „Die Garantien, die wir da übernehmen, sind hoch riskant. Niemand kann heute sagen, in welcher Höhe Hochtief dafür zahlen muss.“ Auch Stadtoberhaupt Scholz warnt, niemand solle glauben, „dass die Fertigstellung des Konzerthauses ein Spaziergang wird“. Wichtig war den Hamburgern, sagt Nikolas Hill, Staatsrat in der Kulturbehörde, dass „die künftigen Risiken Hochtief trägt und nicht der Steuerzahler“.
Was sich im Essener Hochtief-Management vermutlich abspielte, bevor Fernandez seine Kritiker vor die Tür setzte, erklärt der Münchner Aktienrechtler Oliver Maaß von der Kanzlei Heisse Kursawe. Der Rechtsanwalt analysiert seit 2010 die Folgen der Übernahme durch ACS und geht davon aus, „dass sich das Management von Hochtief Solutions gegenüber der Konzernmutter Hochtief absichern wollte und nicht bereit war, den neuen Elbphilharmonie-Vertrag ohne Ausschluss einer persönlichen Haftung zu unterschreiben“.
Ob es so war, dazu nimmt Hochtief nicht Stellung. Ein an den Verhandlungen Beteiligter aber stützt Maaß’ These: „Die Solutions-Manager haben sich ungewöhnlich formalistisch verhalten“, fiel dem Hanseaten auf: „Die waren sehr darauf bedacht, sich bei Zustimmungen immer vom Konzernvorstand anweisen zu lassen.“
Schon vorher, im Februar, servierte Fernandez die drei externen Aufsichtsräte von Hochtief Solutions ab: Ex-Allianz–Manager Reiner Hagemann, die finnische Managerin Essimari Kairisto und Andreas Nauen, Chef des Windanlagenbauers Repower. Aus dem Kreis dieser Ex-Aufseher heißt es: „Zum Elbphilharmonie-Vertrag hätte es im Aufsichtsrat kritische Fragen gegeben.“