Auch wenn Clark und andere aus dem Gründerteam den Geschäftsplan im Nachhinein als kompletten Neustart darstellen, hatte das Emirates-Konzept sichtbare Vorbilder, allen voran Singapore Airlines und Cathay Pacific aus Hongkong. Weil sie aus ihren Stadtstaaten allein kein Netz füllen konnten, umwarben sie Umsteiger. Und wie heute Emirates setzten sie auf Top-Service, um den Kunden die im Vergleich zu Lufthansa oder japanischen Linien längeren Reisezeiten schmackhaft zu machen.
Mit ihrem Konzept hat Emirates die Flugwelt in drei Schritten erobert. Zunächst dominierte die Linie nur den Verkehr gen Dubai. Die Wüstenstadt hatten die großen europäischen Linien zuvor nur als Tankstopp auf dem Weg nach Asien genutzt. Dank – zumindest anfangs – günstiger Hotels und immer neuer Attraktionen galt sie bald als Urlaubsziel mit Sonnengarantie. Für die ungeahnte Stimulation sorgten vor allem Schnäppchentickets, die lange Zeit nur die Hälfte des Lufthansa-Preises kosteten.
Als das Zubringernetz gen Dubai dicht genug war, machte sich Emirates zunehmend im Verkehr Richtung Asien und Australien breit. Als erstes überzeugte die Linie preisbewusste Touristen. Die waren anfangs gelegentlich fünf, sechs Stunden länger unterwegs als mit Lufthansa oder British Airways. Doch das schreckte wenige ab, denn Emirat brachte sie nicht nur deutlich billiger nach Bangkok oder Sydney. Sie versüßte längere Aufenthalte mit kostenlosen Golfrunden oder Badeausflügen. "Zudem sind gerade Economy-Passagiere froh, wenn sie nicht zwölf Stunden in ihren Sitz gezwungen werden, sondern sich nach sechs Stunden die Beine vertreten können", sagt Emirates -Chef Clark.
Schwer tat sich die Linie zunächst noch mit Geschäftsreisenden. Die machen zwar nur ein Fünftel der Kunden aus, doch sie liefern mit ihren teuren Tickets fast den ganzen Gewinn. "Jahrelang wollte kein Unternehmen seinen Leuten Umwege oder Untätigkeit am Airport zumuten", sagt Berater Tamdjidi. Doch mit der Krise nach dem New-Economy-Boom und noch mehr nach der Finanzkrise ab 2008 nahmen die Unternehmen ihre Reisekosten genauer unter die Lupe. "Wenn der Arbeitgeber heute ein paar Tausend Euro spart, nimmt er auch eine längere Abwesenheit seiner Leute vom Schreibtisch hin", sagt Tamdjidi.
Die Personalkosten der Fluggesellschaften
Bei der deutschen Lufthansa machten die Personalkosten im Geschäftsjahr 2014 23 Prozent der Ausgaben aus: Sage und schreibe 7335 Millionen Euro investierte die Fluglinie in ihre Mitarbeiter.
Quelle: Handelsblatt
Stand: September 2015
Prozentual gibt Air France-KLM mehr Geld fürs Personal aus als Lufthansa: 29 Prozent der Gesamtausgaben fließen in die Bezahlung der Angestellten. In absoluten Zahlen sieht das etwas anders aus: Die Personalkosten betrugen im Geschäftsjahr 2014 7136 Millionen Euro.
IAG, zu der British Airways und Iberia gehören, gab 2014 rund 4325 Millionen Euro für Piloten, Servicepersonal und weitere Mitarbeiter aus. Anteilig an den Gesamtausgaben des Geschäftsjahrs genauso viel wie die Lufthansa: 23 Prozent.
Ohne die Service-Tochter Dnata gab die arabische Fluggesellschaft 2431 Millionen Euro für ihre Angestellten aus. Damit machten Lohnkosten u. ä. lediglich 14 Prozent der Gesamtausgaben des Geschäftsjahrs 2014 aus.
16 Prozent der Gesamtausgaben von Turkish Airlines waren im Geschäftsjahr 2014 Personalkosten. In absoluten Zahlen: 1275 Millionen Euro.
Air Berlin gab 2014 524 Millionen Euro fürs Personal aus - 12 Prozent der Gesamtausgaben.
Ryanair hat günstiges Personal: lediglich 11 Prozent der Gesamtausgaben wurden 2014 in die Mitarbeiter investiert. 502 Millionen Euro waren es aber immerhin.
Auch Easyjet hält die Personalkosten relativ gering: 594 Millionen Euro (12 Prozent der Gesamtausgaben) wurden 2014 in die Mitarbeiter investiert.
Nun folgt die dritte Stufe der Expansion: Der Aufbau völlig neuer Märkte. Dank des dichten Zubringernetzes können Emirates neben dem Kerngeschäft Europa-Asien zunehmend kleinere Strecken füllen. Allen voran Verbindungen zwischen den Wachstumsmärkten in Asien sowie auf der anderen Seite Afrika und Lateinamerika. Dank der guten Lage von Dubai sind Passagiere von Lateinamerika nach Indien oder vom rohstoffhungrigen China in die afrikanischen Förderländer vielfach schneller unterwegs als über Europa und die USA. „Wer von Bogotá nach Indien will, muss in den USA und dann oft noch einmal in Europa umsteigen - mit Personenkontrollen, Anträgen auf Transit-Visa und oft auch längeren Befragungen durch Behörden. Wenn diese armen Passagiere dann endlich am Ziel sind, haben unsere Kunden, die nur einmal in Dubai umgestiegen sind, ihre Geschäftstermine längst erledigt und sind zudem ein Drittel billiger geflogen“, so Clark.
Innovationsdruck
Dabei verzichtet Emirates auf ein beliebtes Mittel der Branche: Allianzen wie die Star Alliance um die Lufthansa. Auch wenn Oneworld um British Airways inzwischen die Golflinie Qatar Airways aufgenommen hat, hat Emirates nicht vor einer Allianz beizutreten. Mein Motto ist: Mach es alleine, oder lass es ganz“, so Clark. Zwar gebe es Angebote. „Doch jede Allianz will, dass wir uns fügen. Aber wenn wir weiterhin im Schnitt jeden Monat um eine Strecke und zwei Flugzeuge wachsen wollen, würde uns eine Allianz mit ihren Abstimmungsprozessen nur bremsen“, sagt Clark.
Bislang gibt es kaum Anzeichen, dass das System Emirates irgendwann an seine Grenzen kommen könnte. „Mit der richtigen Organisation und einem Flughafen wie Dubai, der 300 Großraumflugzeuge gleichzeitig abfertigen kann, geht alles“, so Clark. Doch trotz seines kämpferischen Optimismus, weiß der Manager, dass Emirates seinen Kurs nur durchhält, wenn das Unternehmen in Sachen Innovation nachlegt.
30 Jahre Emirates haben die Flugbranche inzwischen so verändert, dass die Konkurrenten die Linie vom Golf nicht nur fürchten, sondern auch kopieren. So haben inzwischen fast alle Airlines ihren Service in Richtung Emirates verbessert. Andere wie Turkish Airlines, Etihad aus Abu Dhabi oder Ethiopian Airways aus Äthiopien haben gleich das ganze Geschäftsmodell übernommen.
Auch darum setzt Emirates-Chef Clark mit seinem Umbauprogramm auf weitere gründlichere Veränderungen und bleibt gelassen. "Man darf nicht ständig nach links und rechts schauen, sondern muss sein Geschäft weiter betreiben. Die beste Lebensversicherung besteht darin, sich neue Ziele zu setzen und immer besser zu werden."