1. Was sind die konkreten Vorwürfe?
Aus Sicht der US-Airlines American, Delta und United sowie ihrer Gewerkschaften haben die drei großen Golflinien 42 Milliarden Dollar Hilfe bekommen. Bei Qatar Airways waren es gut 14 Milliarden, Etihad fast 18 und Emirates knapp 16 Milliarden. Das ermöglichte den dreien aus Sicht ihrer US-Konkurrenten einen unfairen Wettbewerb. Das sei ein Verstoß gegen die Open-Skies-Verträge, mit denen die USA ihr Land für Flüge aus dem Ausland geöffnet hat und ohne zusätzliche Erlaubnis Flüge zu jedem Ort in den Vereinigten Staaten erlaubte. Dagegen, so die US-Airlines, müsse etwas unternommen werden. Im Klartext: Stoppt die Golflinien!
Die Vorwürfe listet die Studie detailliert auf. Dazu zählen offene Hilfen; etwa günstige Flughafengebühren, Zahlungen ohne Gegenleistungen, zinslose Kredite ohne Rückzahlungstermin und sonstige Unterstützungen, etwa kostenlose Grundstücke für Verwaltungsgebäude oder Marketinghilfen. Dazu kommen viele Details, die selbst Fachleute bisher nur ahnen konnten. Hier nennt die Studie günstige Verträge mit Schwesterfirmen, die Dinge wie Lebensmittel, Kerosin oder auch Leasingflugzeuge liefern und das laut der Studie – weil sie auch den jeweiligen Regierungen gehören – wahrscheinlich nicht zu echten Marktbedingungen, sondern zu „nicht-auf-Armeslänge-Preisen.“
Allerdings arbeiten die Berater der US-Linien nicht immer ganz sauber. So fehlen eindeutige Beweise, dass etwa die staatliche Dubai Aerospace (DAI) ihre Jets wirklich unter Kosten an Emirates verleast. Dazu sind niedrige Flughafengebühren wie gesagt noch keine Subvention, sondern Wirtschaftspolitik.
Dazu wirft die Studie alle Airlines in einen Topf. Die wegen ihrer Geschäftsberichte vergleichsweise transparente Emirates unterscheidet sich jedoch von den mauernden Konkurrenten Qatar und Etihad.
Die fünf Erfolgsgeheimnisse der arabischen Airlines
Kern des Erfolgs sind die guten Preise. Möglich werden sie durch die im Vergleich zu europäischen Linien bis zu 30 Prozent niedrigeren Ausgaben. Dafür sorgt die Flotte, die dank Großbesteller-Rabatten und moderner Technik im Schnitt gut ein Zehntel günstiger fliegt als die Maschinen der Konkurrenz aus Übersee. Zweites Plus sind die Flughäfen der Golfstaaten. Großzügig gebaut und ohne Einschränkungen beim Nachtflug erlauben sie eine optimale Flugplanung ohne die überflüssigen Ruhezeiten für die teuren Maschinen. Und weil die Airports meist die gleichen Aufsichtsratschefs haben wie die Fluglinien, fördern sie die durch niedrige Gebühren, die nur rund ein Zehntel der in Europa fälligen Abgaben betragen.
Die unternehmensfreundliche Gesetzgebung sorgt für weitere Einsparungen. Dinge wie Steuern und Sozialabgaben sind ebenso unbekannt wie Sozialstandard oder Kündigungsschutz. Das spiegelt sich auch in der Unternehmenskultur wieder. Weil die Gehälter ohne die Abgaben relativ hoch sind und der Job viele Freiräume bietet, ziehen die Golflinien überdurchschnittlich viele hochmotivierte Mitarbeiter an. „Wir haben das Gefühl, die Vorgaben zu erreichen und wahrscheinlich sogar übertreffen können", so ein hochrangiger Mitarbeiter bei Emirates.
Die Flughäfen am Golf liegen verkehrsgünstig. Mit Ausnahme von Chile und Süd-Argentinien sind mit modernen Flugzeugen fast alle Orte der Welt erreichbar und bei den besonders stark beflogenen Routen von Europa nach Südostasien liegen die Golfstaaten quasi auf dem Weg.
Die Golflinien setzen auf Kundendienst. Während die Linien aus Europa und den USA bei Neuerungen wie modernen Flugzeugen, bequemen Sitzen, Betten in der Business Class oder einem persönlichen Unterhaltungsbildschirm in der Economy lange zu teuer waren und sie ihre Kunden bei jeder Gelegenheit mit Zuschlägen belasteten, setzen die Golfinien auf „alles inklusive.“
Fast ebenso viel wie in neue Technik stecken die Linien ins Marketing. Lufthansa etwa investiert eher zurückhaltend in Sportförderung oder aber in ungewöhnliche Dinge wie Events klassischer Musik. Besonders letztere sorgen – bei allem künstlerischen Wert – besonders bei jüngeren Reisenden außerhalb Europas für weniger Bekanntheit als die von den Golflinien bevorzugten Massensportarten wie Fußball oder Formel 1.
Die Grundidee für das Modell borgte sich das Emirates-Gründungsteam um Clark am Ende von Singapore Airlines. Die Linie des südostasiatischen Inselstaats zeigte als erste, wie ein Verbund aus einem Langstreckendrehkreuz, einem kundenfreundlichen Flughafen und der Rückendeckung der lokalen Regierung eine Weltmacht im Fliegen schafft – und daraus dann ein weltweit wichtiges Wirtschaftszentrum erwächst. Ein System, das nach den Golflinien im übrigen auch Island aufgenommen hat, mit Reykjavik als Minidrehkreuz zwischen Europa und Nordamerika.
Zwar hat Emirates auch ein paar fragwürdige Grenzfälle. Dazu zählt die in einem Minisatz versteckte Andeutung, im Jahr 2008 wurden die Mehrzahl der schiefgegangenen Sicherungsgeschäfte für den Spritpreis offenbar von der Muttergesellschaft „novated“, ein Verb von purem juristischem Fachchinesisch, das etwa das Online-Wörterbuch leo.org derzeit nicht kennt. Doch das ist am Ende meilenweit entfernt von der Seriensubvention einer Etihad mit rund 17 Milliarden nicht rückzahlbaren (und inzwischen teilweise erlassenen) Krediten oder Kapitalerhöhungen und allein in 2015 rund 3,5 Milliarden Dollar an nicht näher bezeichneten Finanzierungen.
Und es ist keineswegs so peinlich wie bei Qatar Airways, die alle Parkgebühren und Ladenmieten am Flughafen in Doha kassiert und – für ein konservativ-islamisches Land bizarr – im Land das Monopol für den Alkoholimport hält.
2. Warum kocht der Streit jetzt hoch?
Die Golflinien mögen in Europa bereits eine feste Größe in den Albträumen von Airline-Chefs sein. In den USA fühlten sich die Unternehmenslenker lange immun, weil sie außer Strecken wie USA - Indien wenig Routen parallel zu den Golfairlines flogen.
Doch nun beginnen Emirates & Co, die US-Linien auf andere Art zu kneifen. Sie machen vor, dass zu Flugreisen nicht notwendig mäßiger Service, Zuzahlung an jeder Ecke und hohe Preise gehören, sondern auch gutes Essen, Bequemlichkeit und ein breites Unterhaltungsangebot.
Das kommt den US-Carriern ungelegen. Denn sie haben nach langen Verlustjahren, Insolvenzverfahren und mühsamen Fusionen zu einer kleinen Gruppe von drei großen und profitablen Linien konsolidiert – nebst zwei, drei Billigfliegern. Da stören nun Wettbewerber, die es billiger und besser machen, die Rendite.
Dazu bietet der Angriff aus Arabien eine gute Gelegenheit zum Schulterschluss mit der Belegschaft. Immerhin: „Nachdem die Airlines in den vergangenen zehn Jahren ihren Beschäftigten Mehrarbeit zu niedrigeren Löhnen zugemutet haben, ist es schön, wenn mal ein anderer der Böse ist“, sagt ein europäischer Flugmanager.