Den Wert jener AAP sieht ein Wirtschaftsprüfer laut einem Schreiben an den Aufsichtsrat vom 23. Juni 2010 zwischen 5,4 und 5,8 Millionen Euro. Der Prüfer merkt an, dass er die „wesentlichen bewertungsrelevanten Sachverhalte“ geprüft hat und sich im Rahmen der Detailprüfung nur noch „geringfügige“ Veränderungen ergeben können.
Wundersamer Wertzuwachs
Einen Tag später stimmt der Finanz- und Investitionsausschuss der MK AG dem Kauf zu. Laut Ergebnisprotokoll der Sitzung soll der gutachterlich festgestellte Wert der AAP 6,5 Millionen Euro betragen haben statt des maximal vom Gutachter angesetzten Werts von 5,8 Millionen.
Die Aufsichtsräte Uwe Bergheim und Thomas Middelhoff müssen bei der Sitzung hellseherische Fähigkeiten gehabt haben. Einige Tage später erstellt der Gutachter nämlich ein neues Pamphlet. Nun hält er 6,5 Millionen Euro für angemessen. Die MK AG beruft sich darauf, dass der AAP-Kauf Gegenstand der Abschlussprüfung gewesen sei, und verweist auf den Geschäftsbericht.
Das Gutachten macht nicht nur wegen dieses wundersamen Wertzuwachses einen wenig glaubwürdigen Eindruck. Es stützt sich auch vor allem auf Planzahlen von Ulrich Marseille. Das hält ein Wirtschaftsprüfer, den die Vorstände Klaue und Herzberg damit beauftragt haben, den vor ihrem Amtsantritt vollzogenen Kauf zu beleuchten, für problematisch. Er deutet an, dass Vorstand und Aufsichtsrat gegen ihre Pflichten verstießen, weil sie auf ein umfangreiches Gutachten verzichteten.
Strafrechtler Knierim meint, dass die Aufsichtsräte sich zunächst auf die Zahlen von Ulrich Marseille beziehungsweise dem darauf beruhenden Gutachten hätten verlassen dürfen. „Doch wenn der Gutachter die Bandbreite des Unternehmenswertes wenige Tage nach seinem ersten Gutachten um mehrere Hunderttausend Euro oder mehr als zehn Prozent nach oben korrigiert“, sagt der Anwalt, „hätten die Aufsichtsräte hellhörig werden und eine eingehende Begründung der Korrekturen verlangen oder ein komplett neues, unabhängiges Gutachten in Auftrag geben müssen.“
Das gehöre zu ihren Sorgfaltspflichten. Ob dies geschehen ist, ist nicht bekannt. Aufsichtsratschef Middelhoff äußerte sich gegenüber der WirtschaftsWoche nicht. Mit einem neuen Gutachten hätten die Räte folgende unangenehme Überraschung verhindern können: Dem Anschein nach lagen dem Gutachter nämlich wichtige Informationen nicht vor.
So hatte die AAP, als sie noch einer Gesellschaft von Estella-Maria Marseille gehörte, 32 Mietverträge mit Ulrich Marseilles DL Immobilienverwaltung abgeschlossen. Die daraus resultierenden Zahlungsverpflichtungen der AAP in Höhe von jährlich rund 81 000 Euro wurden bei der Berechnung des Werts der AAP aber offenbar nicht einbezogen. In einem Gutachten zu dem Vorgang von September 2011 heißt es: „Nach den Feststellungen des Vorstands und des Abschlussprüfers“ seien die Mietverträge „nicht berücksichtigt“ worden.
Dem Gutachten zufolge legte die dem Ehepaar Marseille gehörende Vermietungsgesellschaft dem MK-Vorstand jene Mietverträge, die teilweise bis November 2007 zurückgingen, im Juni 2011 vor. Gleichzeitig forderte die Vermietungsgesellschaft von der AAP und damit der MK AG Mietzahlungen in Höhe von 220 000 Euro. Ulrich Marseille äußerte sich gegenüber der WirtschaftsWoche hierzu nicht.
Tatbestand des Betruges?
„Wenn Ulrich Marseille die Existenz der Mietverträge gegenüber dem Käufer oder dem Gutachter verschwiegen hat, hat er über den wahren Wert des Unternehmens getäuscht“, sagt Anwalt Knierim. Das würde den objektiven Tatbestand des Betruges erfüllen. Vorstand und Aufsichtsrat seien in einem solchen Fall auch nachträglich verpflichtet, einen entstandenen Schaden geltend zu machen.
„Ansonsten liegt eine vorsätzliche Pflichtverletzung vor“, sagt der Experte für Wirtschafts-Strafrecht. „Und dann haften Vorstand und Aufsichtsrat persönlich für einen bleibenden Schaden der AG.“
Darum müsste sich neben den Aufsichtsräten Middelhoff, Tiedje und Estella-Maria Marseille der neue Vorstand Dieter Wopen kümmern. Dass die Forderungen sich gegen den Großaktionär und Ehemann richten würden, dürfte sie davon nicht abhalten.