Essener Baukonzern Hochtief erwägt Verkauf der Offshore-Sparte

Hochtief-Vorstandschef Marcelino Fernández will offenbar weitere Unternehmensteile abstoßen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Schwächen von Hochtief
Schwäche - Die unerwarteten Entscheidungen des GroßinvestorsACS-Präsident Florentino Perez hatte die Übernahmeschlacht eingeleitet. Ende März 2007 sagte der damalige Hochtief-Chef Hans-Peter Keitel noch: „ACS hat zugesagt, seine Beteiligung von 25,08 Prozent nicht aufzustocken. Wir haben keinen Grund, daran zu zweifeln.“ Kurz zuvor war ACS beim deutschen Unternehmen eingestiegen - zur Erleichterung vieler. Das Bekenntnis von ACS sorgte für Ruhe. Wochenlang hatten Spekulationen über den Einstieg eines Finanzinvestors den Baukonzern gelähmt. ... Quelle: dpa
... Die Zusage hielt nicht lange. Im September 2010 stockte ACS auf, erst auf über 30 Prozent, schließlich auf über 50 Prozent. Und nun wollen die Spanier die ganze Macht. Das Problem: Der vermeintlich starke Ankeraktionär ist nicht stark. Er leidet unter hoher Verschuldung, schreibt rote Zahlen. Der spanische Heimatmarkt kollabiert. Nun ist die Unruhe des Jahres 2007 wieder da, Mitarbeiter fürchten die Zerschlagung. Ganz anders sieht die Situation bei Bilfinger aus. Zwar ist auch dort ein Großaktionär an Bord. Vor gut einem Jahr kaufte Cevian Capital 12,6 Prozent der Papiere. Doch bisher bleibt es ruhig. Konzernchef Roland Koch gelingt es offenbar gut, Cevian zufriedenzustellen. Quelle: dapd
Schwäche - Zu starker Fokus auf dem reinen BaugeschäftFür Außenstehende mutet es auf den ersten Blick skurril an, wenn Spezialisten eines Baukonzerns anrücken, um beispielsweise die Pumpen in einer chemischen Anlage zu warten. Schließlich hat das mit Bauen wenig zu tun. Doch Hochtief-Konkurrent Bilfinger macht genau das schon seit Jahren und mit wachsendem Erfolg. 80 Prozent der Konzernleistung von zuletzt 8,5 Milliarden Euro stammen mittlerweile aus Dienstleistungen - wie dem Betrieb von Gebäuden oder der Instandhaltung von Industrieanlagen. Beim Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) liegt der Anteil sogar bei gut 90 Prozent. ... Quelle: dapd
... Zwar drängt auch Hochtief in diese Geschäfte vor. Doch anders als bei Bilfinger sind es bislang vor allem Dienstleistungen im direkten Umfeld des Bauens - etwa der Betrieb von Gebäuden wie Flughäfen. Wohl auch deshalb weisen die Essener ihren Service-Umsatz nicht separat aus. Damit ist Hochtief immer noch weitaus stärker von der allgemeinen Baukonjunktur abhängig als Konkurrent Bilfinger, der konstante Umsätze durch langfristige Service-Verträge erreicht. Quelle: dapd
Schwäche - Unzuverlässigkeit des AuslandsgeschäftsDas Auslandsgeschäft von Hochtief zeichnet sich seit Jahren durch extreme Schwankungen aus. Das gilt vor allem für die australische Tochter Leighton. Die schockte im April 2011 mit einer Gewinnwarnung und massiven Problemen. Der Bau einer Entsalzungsanlage verzögerte sich, das Wetter setzte den Australiern zu und ein Flughafenzubringer wurde viel zu teuer. Mehr als ein Jahr später sieht die Welt in "Down Under" zwar wieder besser aus. Die Zahlen für das dritte Quartal 2012 sind auch deshalb so gut, weil Leighthon derzeit brummt. Quelle: dpa
... Doch die hohen Schwankungen im Geschäft der Baukonzerne werden bleiben. Konkurrent Bilfinger hat daraus bereits Konsequenzen gezogen. Der Mannheimer Baukonzern verkaufte im Dezember sein Australiengeschäft. Nicht nur das Risiko wurde damit reduziert. Der Deal sorgte darüber hinaus für einen zusätzlichen Gewinn von 160 Millionen Euro. Auch von Teilen des zyklischen US-Geschäfts hat sich Bilfinger mittlerweile getrennt - und ist damit konsequenter als Hochtief.Das Bild zeigt Wirtschaftsminister Philipp Rösler beim Besuch einer Baustelle am Ground Zero in New York. Die Hochtief-Tochtergesellschaft Turner ist an dem Projekt beteiligt.
Schwäche - Die Schulden und die RenditeEine Milliarde Euro Verlust hat Spaniens Bauriese ACS in den ersten neun Monaten erwirtschaftet. An der deutschen Tochter Hochtief hat es nicht gelegen. Sie verbuchte einen Gewinn von 92 Millionen Euro. Aber: Die Verluste der Mutter und die Querelen um die Integration färben auf die Bilanz von Hochtief ab. Gegenüber dem Krisenjahr 2009, als ACS noch willkommener Ankeraktionär war, hat sich der Nettogewinn von 192 auf 176 Millionen Euro im vergangenen Geschäftsjahr verringert. Konkurrent Bilfinger konnte im selben Zeitraum seinen Nettogewinn auf 270 Millionen Euro verdoppeln. ... Quelle: dpa

Sogar das neu aufgebaute und profitable Offshore-Geschäft mit 500 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund 300 Millionen Euro soll auf der Verkaufsliste stehen.
Der Essener Baukonzern hat diese Informationen gegenüber der WirtschaftsWoche nicht dementiert, sondern verwies auf die laufenden Koalitionsverhandlungen. „Wer die aktuelle Berichterstattung über den künftigen Energiemix in Deutschland verfolgt, stellt fest, dass sich die politischen Rahmenbedingungen für den Ausbau der Windenergie auf See möglicherweise zugunsten fossiler Energieträger verschlechtern können“, sagte ein Hochtief-Sprecher der. „Wir warten nun die Entscheidungen in Berlin ab und werden die Marktlage anschließend in Ruhe analysieren.“

Wenn Hochtief alle zur Disposition stehenden Sparten verkauft und den derzeit geplanten Personalabbau durchführt, schrumpft die Zahl der Mitarbeiter in Deutschland von rund 10.000 Ende 2012 auf nur noch rund 3000.
Und der seit einem Jahr amtierende Vorstandschef Fernández plant weitere interne Umbauten. So werden die Standort-Kompetenzcenter abgeschafft, wie Hochtief auf Anfrage der WirtschaftsWoche bestätigt. Bisher kümmert sich etwa Hamburg um den Bau von Hafenanlagen, Essen um Tunnelbau, Berlin um Kläranlagen- und Brückenbau. Diese Spezialisierungen sollen wegfallen, die Fachleute will Fernández „in einem technischen Kompetenzzentrum bündeln, auf das alle regionalen Einheiten jederzeit zugreifen können“, sagt ein Hochtief-Sprecher. „Kaum einer außer Fernández glaubt allerdings, dass das funktionieren wird“, sagte ein Top-Manager.

Weiterer Top-Manager freigestellt

Zudem geht die Entlassungswelle im Management des Baukonzerns weiter. Nach Informationen der WirtschaftsWoche hat Vorstandschef Marcelino Fernández den angesehenen Geschäftsführer der Hochtief-Solutions-Sparte Energie und Infrastruktur, Stephan Hebgen, von seinen Aufgaben freigestellt. Ende Oktober verabschiedete sich Hebgen, der zudem Mitglied im Solutions-Aufsichtsrat war und dort die Leitenden Angestellten vertrat, in einer E-Mail von den Mitarbeitern.

Damit hat inzwischen fast die Hälfte der deutschen Manager den Konzern verlassen, seit Fernández nach der feindlichen Übernahme durch den spanischen Baukonzern ACS zu Hochtief kam. Von den 60 obersten Hochtief-Führungskräften, die Anfang 2012 in Kamp-Lintfort an einem Treffen des Top-Managements teilgenommen hatten, sind nach Informationen der WirtschaftsWoche 24 heute nicht mehr bei Hochtief. Von den 39 deutschen Teilnehmern sind 18 nicht mehr an Bord.

Von den Abgängen profitiert die Konkurrenz. Bei der Zech-Group in Bremen etwa arbeiten inzwischen die früheren Hochtief-Manager Heiner Helbig, Rainer Eichholz und Klaus Brix. „Wir bekommen verstärkt Bewerbungen von Hochtieflern“, bestätigt die Zech-Group, die etwa das Großprojekt Kö-Bogen in Düsseldorf stemmte.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%