Die Mutter von Air Berlin aus dem Öl-Emirat Abu Dhabi ist die jüngste unter den großen Golflinien. Weil im Gründungsjahr 2003 das Feld eigentlich schon verteilt war, brauchte sie deshalb etwas mehr Hilfe als Emirates. Genauer: die wohl größte Anschubfinanzierung im Fluggeschäft. Laut nicht bestätigten Dokumenten von damals beteiligten Beratern gab es gut drei Milliarden Dollar von der Herrscherfamilie. Hinzu kamen reichlich indirekte Hilfen, etwa weil dank der Rückendeckung der extrem solventen Al Nahyans die Banken mit günstigen Krediten Schlange standen.
Zahlen
Seit drei Jahren hat Etihad zwar einen Geschäftsbericht. Doch der bietet neben Strecken, Flottengröße (102) und vielen tollen Bildern gerade einmal sechs Finanzzahlen: Einnahmen, EBIT und Ergebnis nach Steuern jeweils für das aktuelle und das Vorjahr. Wofür die Linie Geld ausgibt? Fehlanzeige. So ist der Umsatz von gut sieben Milliarden Dollar glaubhaft, die 60 Millionen Gewinn sind es nicht. „Unseren Gesellschaftern und den Bankern reicht unsere Transparenz“, kommentierte Etihad-Chef James Hogan trocken.
Chef
James Hogan galt schon in seinen alten Jobs bei Gulf Air aus Bahrain und der australischen Ansett als schwierig. Unter dem Druck, in Rekordzeit eine – außer für Abu Dhabi und seine Wirtschaft – nicht zwingend notwendige weltweite Flugmarke aufzubauen, ist er kaum lockerer geworden. Er tritt extrem bullig auf und ist weitgehend humorfrei, besonders bei Zweifeln am Geschäftsmodell. Dabei soll er in privater Runde ganz umgänglich sein und selbst das Geschäftsmodell durchaus plausibel machen können.
Strategie / Arbeitsweise
In den ersten Jahren arbeitete der Airline-Nachkömmling laut ehemaligen Managern nach dem Prinzip: jedes Problem verschwindet, wenn man erst viel Geld, dann jede Menge Leute danach wirft und erst zum Schluss Fachleute fragt. Als legendär gilt die – nie bestätigte – Anekdote, einen Flug nach Nordamerika am späten Vormittag starten zu lassen. Erst als die wegen des vielen Sprits extrem schweren Flieger im Sommer in der heißen und dünnen Luft meist nur mit halber Passagierzahl und ohne Fracht in die Luft kamen, startete der Flieger in der Nacht.
Weil aber trotzdem der Abstand zu den Erzrivalen Qatar und Emirates kaum geringer wurde, änderte Unternehmens-Chef Hogan die Strategie. Statt organisch zu wachsen, beteiligte er sich mit viel Geld an meist defizitären Fluglinien in aller Welt wie Air Berlin, Alitalia, der indischen Jet Airways oder Air Serbia. Dazu bot sich Hogan auch der angeschlagenen Air France als Partner an. Der Erfolg: mit gut 400 Flugzielen gehört der Verbund rein rechnerisch zu den Großen.
Produkt
Wenn Geld nicht das wichtigste Kriterium ist, kann der Service gut sein. So setzt Etihad den Maßstab in der Branche mit der First Appartement genannten fliegenden Dreizimmerwohnung, auch wenn es die nur je einmal auf jedem ihrer irgendwann mal zehn A380 gibt. Weit über dem Schnitt sind auch die Lounges und in den anderen Klassen an Bord die Sitze. Die Bestnoten verpasst Etihad jedoch. Die Ausbildung des Personals ist vergleichsweise wechselhaft.
Aussichten
Zum Thema "Was kann fliegen?" haben Ingenieure eine einfache Antwort: Mit dem nötigen Schub und Auftrieb fliegt alles. Für Etihad heißt das: solange Abu Dhabis Herrscherfamilie den Expansionskurs und die teuren Zukäufe finanziert, wird das Unternehmen weiter wachsen. Lässt der Antrieb nach, kann die Linie nur weniger wachsen oder schrumpfen. Aber danach sieht es bis auf weiteres nicht aus. Im Gegenteil. Weil weltweit die Zahl der notleidenden Airlines eher wächst, kann Etihad das erprobte Modell fortsetzen.