Nach Pferdefleisch-Funden in Großbritannien hat die deutsche Supermarktkette Kaiser's Tengelmann laut einem Medienbericht Tiefkühl-Lasagne ihrer Eigenmarke A&P (Attraktiv & Preiswert) aus dem Verkehr gezogen. Dem Bericht nach erfolgte der Schritt bereits am Mittwoch, „aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes“. Es liege kein Nachweis vor, dass Pferdefleisch in den Produkten verarbeitet worden sei. Die Frage, von welchem Lieferanten die Lasagne stamme, beantwortete das Unternehmen nicht.
In Großbritannien wurde in der vergangenen Woche nicht deklariertes Pferdefleisch in Lebensmitteln gefunden. Die Fertigmahlzeiten sollen von dem französischen Unternehmen Comigel stammen, das auch deutsche Supermärkte beliefert haben soll. Betroffen waren unter anderem Tiefkühl-Lasagne und fertige Bolognese-Sauce.
Wie kam der Skandal ans Licht?
Mitte Januar entdeckten irische Lebensmittelinspekteure bei Routinekontrollen zunächst Spuren von Pferdefleisch in Rindfleisch-Hamburgern. Es ging um Fertigprodukte der britischen Supermarktketten Tesco, Iceland, Aldi (UK) und Lidl (UK). Anfang Februar wurde in einer Fertigungsanlage und in einem Fleischlager in Irland weiteres Rindfleisch mit Pferdefleischspuren entdeckt. Daraufhin ordnete die britische Lebensmittelaufsicht umfangreiche Untersuchungen an. In der Folge wurden mit Pferdefleisch versetzte Rindfleischprodukte auch in Frankreich und Schweden entdeckt. In Deutschland gibt es nach Angaben des Verbraucherschutzministeriums keine Hinweise auf Produkte mit falsch deklariertem Pferdefleisch.
Um welche Produkte geht es?
Es geht um Tiefkühl-Fertigkost aus Hackfleisch, die größtenteils bei Discountern verkauft wird, darunter Rindfleisch-Lasagne, Spaghetti Bolognese und fertige Hamburger-Frikadellen. In den Produkten wurden teilweise zwischen 30 und 100 Prozent Pferdefleisch gefunden.
Wie kam Pferdefleisch in den Produktionskreislauf?
Laut britischen Medienberichten handelt es sich um eine kriminelle „Pferdemafia“ in Rumänien. Das Fleisch wird demnach vor Ort verarbeitet und an französische Fleischverarbeitungsfirmen exportiert, die es nach Firmenangaben ohne Wissen darüber, dass es sich eigentlich um etwas Anderes handelt, als Rindfleisch verarbeitet haben. Rumäniens Ministerpräsident Victor Ponta hat dagegen die Schuldigen in Frankreich ausgemacht.
Welche Firmen sind in welchen Ländern involviert?
Es geht um den Tiefkühlhersteller Findus in Großbritannien (der nichts (mehr) mit Nestlé zu tun hat, auch wenn der Konzern eine gleichnamige Tochterfirma in der Schweiz hat). Er vertreibt Fertigkost der französischen Firma Comigel, die wiederum einen Teil ihres zu verarbeitenden Fleischs aus Rumänien bezieht und damit bei der luxemburgischen Firma Tavola produzieren lässt. Comigel gibt an, das Fleisch vom französischen Lieferanten Spanghero bezogen zu haben. Dieser weist wiederum auf einen rumänischen Zulieferer hin. Eine weitere Spur führt laut französischen Regierungsangaben vom französischen Hersteller Poujol zu einem Händler nach Zypern.
Sind die Produkte gefährlich?
Der Etikettenschwindel mit Pferdefleisch scheint zwar für die Verbraucher ungefährlich zu sein. Denn anders als bei früheren Lebensmittelaffären etwa um dioxinverseuchtes Futter oder EHEC-Erreger mit mehr als 50 Toten in Deutschland steht zumindest derzeit die Gesundheit der Verbraucher nicht auf dem Spiel.
Die häufigsten Erreger in Lebensmitteln
In mehr als einem Drittel der Fälle hatten sich die Bundesbürger mit Salmonellen infiziert. Insbesondere in Eiern und Geflügelfleisch kommen Salmonellen häufig vor. Der Erreger trat in insgesamt 20 Fällen auf.
In sieben Fällen erkrankten Bundesbürger am Norovirus. Vor wenigen Wochen litten über 1000 Schüler in Ostdeutschland an Brechdurchfall, nachdem sie mit Noroviren verseuchte Erdbeeren gegessen hatten.
In insgesamt sechs Fällen traten Campylobacter-Bakterien auf. Unter dem Mikroskop erinnern die Bakterien an Korkenzieher.
Insbesondere in Reis findet sich der Bacilus cereus. 2011 war er für sechs Krankheitsausbrüche nach Genuss von Lebensmitteln verantwortlich.
Der Naturstoff ist in Bakterien weit verbreitet. Er spielt zum Beispiel bei allergischen Reaktionen eine Rolle. 2011 trat er in vier Fällen auf.
Insbesondere warmgehaltenes Fleisch sowie Austern und Meeresfrüchte laufen Gefahr, von diesem Bakterium befallen zu werden. 2011 fiel es im Zusammenhang mit Lebensmittel-Infektionen zweimal auf.
Das Bakterium kann sich durch Husten oder Niesen auf Lebensmittel übertragen. 2011 trat es zweimal auf.
Das Bakterium kann durch Trinkwasser, Weichkäse und rohes Gemüse übertragen werden. Das Risiko ist jedoch eher gering. Für 2011 konnte das Bundesinstitut für Risikobewertung gerade mal einen Fall nachweisen.
Die britischen Behörden sehen keine unmittelbare gesundheitliche Gefahr durch den Verzehr von Pferdefleisch. Das Fleisch kann jedoch unter Umständen Spuren von Medikamenten enthalten. Es wird auf Rückstände von Phenylbutazon getestet. Erste Test-Resultate sollen in den kommenden Tagen vorliegen. Phenylbutazon wird häufig bei Pferden therapeutisch angewendet, teilweise auch als Doping-Mittel im Pferdesport. In der Medizin ist es ein Medikament gegen Rheuma.
Wieso wurden Pferdefleischspuren nicht schon vorher in Rindfleisch entdeckt?
In Großbritannien wurde Rindfleisch nach Angaben der Lebensmittelaufsichtsbehörde FSA in den vergangenen zehn Jahren nicht routinemäßig auf Pferdefleischspuren getestet.
Wie haben die Firmen reagiert?
Die Firmen haben die fraglichen Produkte sofort aus dem Handel genommen. Einige Supermarktketten, darunter Iceland und Lidl (UK), haben eigene Untersuchungen angeordnet. Die Supermarktkette Tesco will eigene DNA-Tests einführen und die Zusammenarbeit mit ihrem Lieferanten Silvercrest einstellen.
Wie reagieren die Behörden?
Bislang warten die britischen Behörden die Ergebnisse umfangreicher Tests von Fleischprodukten ab. Obwohl der britische Umweltminister Owen Paterson eine kriminelle Verschwörung vermutet, hat die Polizei zunächst keine Ermittlungen eingeleitet.
Wie viel Pferdefleisch ist als Rindfleisch verzehrt worden?
Die Behörden in Frankreich und anderen EU-Staaten wissen bisher nicht, seit wann und in welchem Umfang Pferdefleisch als Rindfleisch verkauft wurde. „Das kann man nur sehr schwer feststellen“, sagte der Leiter der luxemburgischen Veterinärinspektion, Felix Wildschütz, am Montag der Nachrichtenagentur dpa. Vor allem in Frankreich suchten die Behörden ältere Lagerbestände von Tiefkühlkost, um Proben zu entnehmen und auch die möglicherweise verwendeten Mengen von Pferdefleisch abschätzen zu können.