Eurovision Song Contest Gastgeber Aserbaidschan lockt die deutsche Industrie

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Hoffnungen deutscher Unternehmen wachsen

Pferdekopfpumpen zur Erdölförderung stehen vor den Toren von Baku Quelle: dapd

Es ist zehn Uhr, Frühstückszeit. Im Konferenzraum des staatlichen Chemieriesen Azerchim gibt es Kamillentee für alle, Kaffee mögen sie hier nicht. Muchtar Babajew, der Chef, klickt sich hastig durch die Präsentation. Sie zeigt Fabrikschlote, aus denen Dampf in Form grüner Blätter aufsteigt. „Heute ist es hier in Sumgait sauberer als in Baku“, behauptet der Manager, „aber die Arbeitslosigkeit ist ein Problem.“ Er hat die Aufgabe, neue Fabriken für die 350.000 Einwohner von Sumgait zu bauen.

Wie Aserbaidschan durch Ölexporte den Wohlstand steigert Quelle: Nationales Statistik-Büro, IWF

Deutsche Firmen machen sich Hoffnungen: Im Juni soll der Auftrag für eine Karbonatfabrik erteilt werden, um deren Bau sich Dortmunds ThyssenKrupp Uhde beworben hat. Allein dieses Werk soll eine halbe Milliarde Euro kosten. Das wäre erst der Anfang: Bis 2019 will Azerchim, Tochter des Staatskonzerns Socar, alle 19 Anlagen in Sumgait modernisieren oder neu bauen. Dafür werden 12,4 Milliarden Dollar bereitgestellt , heißt es in einem Bericht der deutschen Organisation Germany Trade & Invest (GTAI). Aserbaidschan zähle damit „zu den dynamischsten Märkten der Welt“.

Ob die Deutschen weiterhin zum Zuge kommen, ist nicht ausgemacht. Zwischen der Bundesregierung und dem autoritär regierten Aserbaidschan liegt der Haussegen schief, seit Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) bei einem Besuch im Frühjahr den Menschenrechtlern mehr Zeit zugestand als Vertretern des Staatskonzerns Socar, der das Öl fördert und die Wirtschaft kontrolliert. In Baku heißt es, der Auftritt des Liberalen habe der Wirtschaft mehr geschadet als genützt, zumal lokale Manager mit der Reizbarkeit der Aseris in politischen Fragen vertraut sind.

Wirkungsloses Tralala

Geplant war das anders. Aserbaidschans Präsident Alijew wollte mit dem Eurovision Song Contest an Pfingsten beweisen, wie offen, modern und europäisch die Gesellschaft ist. Dass politische Häftlinge das Bild stören, scheint der Potentat unterschätzt zu haben. „Wir hätten uns dieses Tralala sparen sollen“, schimpft einer aus seinem Umfeld, „binnen zwei Monaten hatten wir mehr schlechte Presse als in 20 Jahren.“ Präsident Alijew, heißt es, nimmt sich die Kritik besonders zu Herzen, er soll bei der Lektüre regelmäßig Wutanfälle bekommen haben. Negativ-Schlagzeilen passen nicht zu der superlativen Dynamik, die der Potentat dem Land verordnet hat.

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