Humor ist die beste Verteidigung. Ende September verschickten Torben Greve und Panya Putsathit einen Brief an ausgewählte Politiker und Journalisten und legten eine Papierbrille mit blauer Plastikfolie bei. „Wenn Sie jetzt schon sehen möchten, wie der beliebteste Fernbus in Deutschland aussieht“, schrieben die beiden Geschäftsführer des Berliner Start-ups MeinFernbus, „dann setzen Sie doch bitte einfach die beigefügte Brille auf und betrachten den ADAC Postbus“. Durch die blaue Folie verändert sich das strahlende Gelb der Postbusse in grün: „Fahr grün!“ posaunen die Jungunternehmern selbstbewusst in dem Schreiben.
Die humoristische Attacke aus Berlin dürfte in Bonn nicht ungehört geblieben sein. Vor einigen Wochen präsentierten Deutsche Post und der Allgemeine Deutsche Automobilclub in der rheinischen Provinz den ADAC Postbus der Öffentlichkeit. Ab Freitag kommt er zunächst auf fünf Strecken innerhalb Deutschlands zum Einsatz. Ab 2014 will das Tandem ein bundesweites Netz aufziehen.
Mit aller Macht schicken sich die finanzstarken Partner an, den Fernbusmarkt mit Verspätung aufzurollen. Ein gelber Siegeszug ist längst nicht gewiss. Zahlreiche Start-ups wie MeinFernbus und FlixBus haben sich bereits etabliert und können deutlich günstiger anbieten. Einige Wettbewerber wie National Express, ein Verkehrskonzern mit mehreren Milliarden Euro Umsatz, setzen zudem auf extrem niedrige Preise. Auch die Deutsche Bahn baut ihre Fernbustochter weiter aus.
Die gelben Riesen wollen vor allem mit Qualität punkten. „In den ADAC Postbus bringen wir die Kompetenzen ein, die uns auch im Kerngeschäft erfolgreich machen - Zuverlässigkeit, gute Netzplanung, Nähe zum Kunden“, sagt Post-Vorstand Jürgen Gerdes. „Unsere Qualität und die starken Marken werden auch im umkämpften Fernbusmarkt Zeichen setzen." Die Sitze sind mit Steckdosen und Drei-Punkt-Gurten ausgestattet. Wie bei anderen Wettbewerbern auch, verfügen die Busse über kostenloses WLAN. In 5000 Filialen wollen Post und ADAC ihre Tickets an den Mann bringen. Hinzu kommt die Möglichkeit, Fahrkarten im Internet und telefonisch zu buchen. Die Vertriebskraft ist die größte Stärke des Postbusses.
Konkurrenz ist aggressiv
Doch ob das reicht, um im Markt zu bestehen, ist keinesfalls sicher. Die Wettbewerber setzen bereits jetzt auf teils extrem niedrige Preise und werden den ADAC Postbus vor sich hertreiben. Aggressive Konkurrenten wie National Express verlangen für eine Fahrt von Frankfurt nach München acht Euro. Der Postbus kostet 19 Euro. Offiziell wollen sich Post und ADAC zwar nicht auf einen Preiskampf einlassen. Das Angebot solle „nicht zwingend das Billigste, sondern das Beste sein“, sagt ADAC-Präsident Peter Meyer.
Harter Preiskampf
Doch dauerhaft werden sich die Partner einem Preiskampf kaum entziehen können. Das wissen die Verantwortlichen selbst am besten. Als die WirtschaftsWoche im Vorfeld des Marktstarts vor einigen Wochen einen der Geschäftsführer mit dem Satz „Wir verzichten ganz bewusst auf einen Preiskampf“ zitieren wollte, weil die Aussage am Telefon so oder so ähnlich viel, strich die PR-Abteilung des ADAC den Satz wieder heraus. Im Journalismus ist es nicht unüblich, dass Zitate vor Druck abgestimmt werden. Das Beispiel zeigt, dass Post und ADAC wohl eher davon ausgehen, dass sie die Preise für ihre Tickets bald senken müssen.
Doch das bringt die gelben Partner in die Bredouille. Die Kosten der Fernbusalternative sind deutlich höher als die der Konkurrenz. Das neu gegründete Unternehmen DP Mobility mit Sitz in Bonn besteht gleich aus zwei Geschäftsführern, deren Gehälter auf Konzernniveau liegen dürften. Gleichzeitig sollen mehrere Dutzend Mitarbeiter beschäftigt sein. Die teure Unternehmensberatung Roland Berger war vor dem Start involviert. Zum Vergleich: National Express beschäftigt weniger als zehn Leute. Außerdem dürften Post und ADAC mit deutlich höheren Betriebskosten unterwegs sein.
Nach Brancheninformationen zahlt die Tochtergesellschaft 1,25 Euro pro gefahrenen Kilometer an die Subunternehmer, die im Auftrag die ADAC Postbusse betreiben. Üblich sind in der Branche Preise von 1,05 bis 1,10 Euro pro Kilometer. Für die Konzerne hat das sicher den Vorteil, dass sie sich damit nicht dem Vorwurf aussetzen, Lohndumping zu betreiben. Gleichzeitig bleibt die Wirtschaftlichkeit auf der Strecke.
Kleine Unternehmen gehen leer aus
Post und ADAC können sich Anfangsverluste natürlich leisten. Wettbewerber wie MeinFernbus kritisieren den Einstieg des Logistikkonzerns daher scharf. Es sei „nicht hinnehmbar, wenn Überschüsse aus dem Briefmonopol zu einer Quersubventionierung der Post-Fernbussparte genutzt werden sollten“, sagt MeinFernbus-Gründer Greve. Staatliche und teilstaatliche Konzerne dürften die mittelständischen Kooperationen nicht mit Dumpingpreisen und Rabatten aus dem Markt drängen. „Wenn dieser aufkommende Verdrängungswettbewerb nicht durch die Politik eingedämmt wird, verfehlt die Fernbus-Liberalisierung ihr Ziel.“
In einigen Städten wird den Großunternehmen zudem bei der Vergabe von Haltestellenslots der rote Teppich ausgerollt, während die Kleinen leer ausgehen. „Konzerne wie die Deutsche Bahn oder die Post schaffen es immer wieder, an 1-a-Lagen zu kommen, während andere kleine Anbieter vor ein Krematorium am Stadtrand oder in Gewerbegebiete verbannt werden“, sagt MeinFernbus-Gründer Greve. „Da wird einfach nicht fair gespielt“.
Konsolidierung beginnt bereits
Das Gedränge der Fernbusse in den Großstädten könnte sicher bald auch zu ersten Opfern führen. Die Zahl der Wettbewerber stieg rasant. Alleine zwischen August und Oktober stieg die Zahl der innerdeutschen Fernbuslinien auf den klassischen Großstadtverbindungen laut Forschungsinstitut IGES um 16 Prozent auf 129 Linien. Die Busbahnhöfe Köln und Frankfurt gelten daher bereits als hoffnungslos überfüllt. Vor allem: Auf einigen Strecke wie der Linie Berlin-Dresden gibt es bereits fünf parallel anbietende Unternehmen. Zwischen Berlin und Hamburg sieht es ähnlich aus, wo derzeit vier und ab November ebenfalls fünf Anbieter um die Kunden werben.
Die Beobachter erwarten daher schon bald eine einsetzende Konsolidierung. Einige Start-ups konnten sich bereits etablieren. Gemessen an angebotenen Fahrplankilometern kommt der Berliner Anbieter Meinfernbus laut IGES bereits auf einen Marktanteil von rund 43 Prozent. Der Branchenführer betreibt 140 Fernbusse und beförderte bereits mehr als 1,8 Millionen Passagiere. Die Deutsche Bahn erreicht mit ihren Marken Berlin Linien Bus und IC Bus 25 Prozent. Auf Rang drei folgt das Münchener Unternehmen Flixbus, das auf zwölf Prozent kommt. An dem Start-up hat sich jüngst auch Daimler Mobility Services beteiligt. Die Tochter des Autokonzerns verantwortet das Carsharing-Angebot Car2Go.
Auf Rang vier steht mit rund sieben Prozent Marktanteil derzeit National Express mit der Marke City2City. Um das Friedrichshafener Start-up DeinBus, das als Erster gegen das bis Ende des vergangenen Jahres geltende Fernverkehrsmonopol der Bahn aufbegehrte, ist es etwas ruhiger geworden.
In Zukunft dürften Finanzkraft und Größe eine wichtige Rolle im Markt spielen. Denn der Gesetzgeber fordert bald schon teure Nachrüstungen der Busse. Bis 2016 sind die Fernbusbetreiber verpflichtet, einen barrierefreien Einstieg anzubieten. Das wird teuer. Post und ADAC haben ihre Busse, die von Scania und Van Hool kommen, bereits teilweise mit Hebebühnen ausrüsten lassen. Der späte Marktstart hat zumindest einen Vorteil.