Fernbusmarkt Warum 80 Prozent Marktanteil kein Monopol sind

Das Unternehmen Flixbus dominiert vier Fünftel des Fernbusmarktes. Dennoch bleibt das Kartellamt untätig, weil das Gesetz junge Märkte und Unternehmen schützt. Wie lange ist der Welpenschutz für Start-ups gerechtfertigt?

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Durch die Übernahme des Fernbusgeschäfts der Deutschen Post ist ein deutscher Fernbus-Riese mit einem Marktanteil von 80 Prozent entstanden. Quelle: dpa

Der fulminante Aufstieg des 2013 gestarteten Münchener Unternehmens Flixbus ruft zahlreiche Kritiker auf den Plan. Nach der Fusion mit dem Konkurrenten Meinfernbus Anfang 2015, dem Kauf von Megabus vor sechs Wochen und jüngst Postbus kommt Flixbus inzwischen auf einen Marktanteil von 80 Prozent – gemessen an den angebotenen Fahrplankilometern. Politiker und Wettbewerber sprechen von einem Monopol, das zulasten der Preise, des Wettbewerbs und der Kunden geht – und fordern deshalb eine stärkere Regulierung.

Doch so plausibel die Forderung auch klingt: Dem Bundeskartellamt sind die Hände gebunden. Laut Gesetz kann die Wettbewerbsbehörde erst dann einschreiten, wenn eine Fusion oder ein Unternehmenskauf gewisse Umsatzschwellen bricht. So müsste eines der Unternehmen mindestens fünf Millionen Euro und das andere mindestens 25 Millionen Euro Umsatz jeweils in Deutschland erzielen. Das ist zwar bei beiden Unternehmen der Fall. Doch beim dritten Kriterium fehlt die Größe: Der addierte Umsatz weltweit müsste bei 500 Millionen Euro liegen. Flixbus erreicht diese Summe selbst mit Postbus zusammen nicht.

Wie hoch der Umsatz von Flixbus unter Berücksichtigung von Postbus ist, bleibt nebulös. Der Umsatz der verkauften Tickets dürfte zwischen 300 und 500 Millionen Euro liegen. Demnach könnte das Unternehmen sogar schon knapp unter der Umsatzschwelle für kartellrechtliche Ermittlungen liegen. Allerdings bilanziert Flixbus nur die Vermittlungsprovisionen, die eigentliche Beförderung übernehmen mittelständische Busunternehmen. Offenbar kam Flixbus hier 2015 nur auf einen Umsatz von 187 Millionen Euro – zu wenig für ein Einschreiten der Kartellprüfer. Das Kartellamt jedenfalls sieht keine Handhabe.

Wie sich der Fernbusmarkt aufteilt

Es gibt gute Gründe für die hohen Umsatzschwellen. „Der Gesetzgeber hat das bewusst so gewollt, damit sich kleine und junge Märkte entwickeln können“, sagt Kartellrechtler Dario Struwe von der Frankfurter Kanzlei FPS. „Dies kann dann eben dazu führen, dass einige Unternehmen eine Dominanz aufbauen.“ Immerhin: Flixbus entwickelt sich auch deswegen zu einem großen europäischen Verkehrskonzern. Gestärkt durch die Situation in Deutschland, ist Flixbus dabei, die Fernbusmärkte in Frankreich, Italien, Holland und Osteuropa zu überrollen.

Doch was wäre, wenn Flixbus die Kriterien für ein Einschreiten des Kartellamts erfüllen würde? Etwa weil die Schwellen niedriger lägen. Denn 500 Millionen Euro weltweiter Umsatz wirken letztlich willkürlich. Andere Länder ziehen niedrigere Grenzen. Angenommen also, die Behörde müsste prüfen. Der Ausgang wäre nicht vorhersehbar.

Denn die Beamten prüfen zunächst die Größe des relevanten Marktes. Grundsätzlich heißt es im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB): „Es wird vermutet, dass ein Unternehmen marktbeherrschend ist, wenn es einen Marktanteil von mindestens 40 Prozent hat.“ Flixbus schafft es im Fernbusmarkt auf doppelte Größe. Rechtlich scheint es, als wäre Flixbus also unbedingt ein Fall für die Kartellbehörde. „Bei 80 Prozent Marktanteil von Flixbus kann man schwerlich von fairem Wettbewerb sprechen“, sagt Katharina Dröge, Sprecherin für Wettbewerbspolitik bei den Grünen. Auch der Wettbewerber Deinbus.de moniert „ein doppeltes Monopol zwischen Flixbus und der Bahn“.

Flixbus hat zunächst Glück

Doch ist gibt Zweifel, ob der reine Blick auf das Geschäft mit den Fernbussen den Markt in angemessener Weise abgrenzt. Rechtlich gesehen klopfen Kartelljuristen einen relevanten Markt immer nach räumlichen und sachlichen Erwägungen ab. Die örtliche Marktabgrenzung dürfte unstrittig sein: Der deutsche Markt für Personenbeförderung.



Aber bei der sachlichen Abgrenzung ist die Bewertung schwieriger. Flixbus argumentiert, in Konkurrenz zum Luft-, Schienen- und motorisierten Individualverkehr zu agieren. Allein die zig Millionen Autofahrer, die täglich in ihr Auto steigen, um ans Ziel zu kommen, würden den Markt für die Personenbeförderung also aufblähen. Die 80 Prozent Marktanteil von Flixbus bei den Fernbussen seien deshalb in Wahrheit ein Minderheitsanteil. „Bahn und Fernbus haben selbst zusammen nur einen Anteil von 15 Prozent im Gesamtverkehrsmarkt“, argumentiert Flixbus-Chef André Schwämmlein.

Doch Juristen sehen das anders. „Es gibt gute Argumente, den Markt enger zu ziehen“, sagt Kartellrechtler Struwe. Man könnte allein schon differenzieren zwischen Endverbrauchern und Geschäftsreisenden. Für berufliche Vielflieger sind Fernbusse keine ernsthafte Alternative, genauso wenig wie für Vielfahrer mit dem Zug oder Autofahrer. Fernbusse konkurrierten also allenfalls mit den Mitfahrgelegenheiten. „Es kann daher gut sein, dass das Kartellamt zu dem Ergebnis käme, dass Flixbus in Teilmärkten eine marktbeherrschende Stellung innehat und reguliert werden müsste.“

„Unternehmen sehen immer einen großen Markt, das Kartellamt definiert den Markt oftmals kleiner“, sagt Struwe. Am Ende haben Behörden möglicherweise sogar den längeren Hebel. „Das Kartellamt erhält bei der Annahme eines kleineren Marktes automatisch mehr Einflussmöglichkeiten, da die Marktmacht der beteiligten Unternehmen hierbei steigt.“

Flixbus hat also zunächst Glück, dass es wegen der hohen Umsatzschwellen noch nicht in den engeren Fokus der Kartellbehörde gerät. Wahrscheinlich dürfte sich Flixbus sogar noch die Bustöchter der Deutschen Bahn einverleiben, ohne dass die Bonner Behörde aktiv würde. Doch daran dürfte zunächst einmal die Deutsche Bahn selbst kein großes Interesse haben.

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