Fibo 2015 Geschäft mit Fitness lockt Inkassounternehmen

Der Fitnessboom beschert Studiobesitzern hohe Umsätze. Kunden, die nicht zahlen wollen, müssen mit dem Anruf eines Inkassounternehmens rechnen. Das könnte schmerzhafter werden als ein Muskelkater. Zumindest finanziell.

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Die größten Fitness-Ketten Deutschlands
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So ganz passt er hier nicht hin. Erich Poths hat sich morgens eine Krawatte umgebunden und die Lederslipper gewienert. Jetzt lehnt er an einem Stehtisch und schaut zu den gegenüberliegenden Ständen. Dort klopft ein Mann auf die Dose mit Proteinpulver, die Oberarme dick wie zwei Eichenstämme, unter seinem Shirt zeichnen sich die Bauchmuskeln ab. Nur wenige Pavillons entfernt verteilen Promoter Fitnessgetränke, in der Messehalle hat sich zwischen den Pavillons ein süßlich-chemischer Kirschgeruch verbreitet.
Die Firma, für die Poths als Innendienstleiter arbeitet, hat einen Stand auf der Fitness- und Wellness- Messe Fibo in Köln, jährliches Mekka für Hantelheber, Proteinshaketrinker und Solariumgebräunte. Im Gegensatz zu den rund 700 anderen Ausstellern preist er aber keine Gewichten, Trainingsbänken & Co. an. Stattdessen treibt die Firma WHI Inkasso, für die er arbeitet, ausstehende Gebühren bei den Kunden von Fitnessstudios ein.

Die deutsche Fitnesswirtschaft auf einen Blick

Der Bedarf ist da: Ob wegen plötzlicher Arbeitslosigkeit, Unzufriedenheit mit dem Studio oder schlicht Vergesslichkeit, es gibt viele Mitglieder, die die Studio-Gebühren nicht zahlen. Und so lockt das Geschäft mit der Fitness auch viele Inkasso-Unternehmen an. Erich Poths schätzt, dass es zwischen zwölf und 15 Inkasso-Unternehmen gibt, die sich auf diese Nische spezialisiert haben. Neben dem Onlinehandel hat vor allem die Fitnessbranche Schwierigkeiten mit Kunden, die nicht zahlen wollen, teilt der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen mit.

Fitness-Inkasso lohnt sich

Einen Steinwurf von der Konkurrenz entfernt, vorbei an einem Aussteller, der einen schöneren Hintern durch Stromschläge verspricht, hat Claudius Wölcken seinen Stand aufgebaut. Anzug und Krawatte hat er heute im Schrank gelassen. Stattdessen trägt der Geschäftsführer der Inkassofirma CashControl ein lockeres T-Shirt und Jeans. „Man muss seinen Kunden hier schließlich auf Augenhöhe begegnen“, sagt er mit leicht bayrischem Einschlag und entschuldigt sich kurz. Ein Großkunde, Besitzer einer Fitnesskette, will smalltalken, freundschaftliches Schulterklopfen, Augenhöhe. Wie viele Schuldner Wölcken im Monat betreut, will er nicht verraten, „so ein mittlerer vierstelliger Bereich“. 15 Mitarbeiter hat er angestellt, die die Forderungen eintreiben sollen.

Leistungsumfang der Fitnessketten

Wie hoch die Gesamtforderungen sind, die die Fitnessbranche eintreiben lässt, weiß selbst der Inkasso- Verband nicht so genau. Doch es muss ein durchaus lohnendes Geschäft sein: Mehr als neun Millionen Menschen trainieren in deutschen Fitnessstudios. 2010 waren es noch zwei Millionen weniger. Ein boomender Markt, wenn man durch einschlägige Studien blättert, und es sollen künftig noch mehr Menschen werden, die in den Muckibuden das perfekte Sixpack trainieren. Eine gute Voraussetzung für das Geschäft der Inkassobüros also: Wo gehobelt wird, fallen auch Späne.

Erich Poths von WHI Inkasso schätzt, dass ein säumiger Kunde seinem Studio durchschnittlich zwischen 400 und 800 Euro schuldet: Die Studios fordern nämlich meist nicht nur ausstehende Monatsgebühren sondern die Gebühren für die gesamte Vertragslaufzeit ein. Bei 1400 neuen Schuldner im Monat, die Poths und sein Team betreuen, kommen schon mal sechsstellige Forderungshöhen zusammen. Zwei Drittel der Schuldner zahlen in der Regel meist sofort, nachdem sie schriftlich oder per Telefon abgemahnt worden sind. Für die Inkassobüros springt dabei je nach Geschäftsmodell eine Gebühr heraus oder ein Erfolgshonorar. Das kann teuer für die Kunden werden, denn zusätzlich zu den Schulden müssen sie die Inkassogebühren zahlen.

Claudius Wölcken hat sich früh auf die Fitnessbranche spezialisiert, bereits 2001. „Damals ist der totale Fitnesshype ausgebrochen“, erzählt Wölcken, selbst ehemaliger Leistungssportler im Zehnkampf. Viele Inkassounternehmen witterten das große Geschäft, vor allem seit fünf Jahren merke er, wie immer mehr Inkassobüros auf den Markt drängen und ihm Konkurrenz machen. Sie seien sicher mit Schuld am schlechten Ruf der Zunft der Geldeintreiber. „Überhöhte Gebühren, Einschüchterungsversuche bei den Schuldnern: Die haben auch viel verbrannte Erde hinterlassen“, behauptet er.

Er sei da ganz anders und deutet auf einen Banner, den er über seinen Stand gespannt hat. „Motivationsinkasso“ steht dort in dicken Lettern. Was das bedeute? „Na, nicht jeder, der nicht zahlt, ist gleich ein Betrüger“, erklärt Wölcken. „Und sehen Sie, die Studios wollen diese Kunden doch nicht verlieren. Schließlich ist die Neuakquise viel aufwändiger als den Kunden zu halten.“ Und so sind die Mitarbeiter von Wölcken darauf getrimmt, erst einmal nachzuhorchen, warum ein Schuldner nicht zahlt, die Schuldner freundlich bitten zu zahlen, vielleicht auch mal die ein oder andere Träne zu trocknen, motivieren eben. Denn auch der härteste Muskelprotz will am Ende doch nur sanft behandelt werden.

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