Theo Zwanziger war mal ein angesehener DFB-Präsident. Er setzte sich für den Amateursport ein und förderte den Frauenfußball. Er war volksnah und sympathisch. Ab 2011 wurde er Mitglied im FIFA-Exekutivkomitee und mutierte zum Blatter-Versteher. Mehrere deutsche Sportfunktionäre rückten spätestens nach ersten Korruptionsvorwürfen gegen die FIFA im Sommer 2012 von Blatter ab, Ligapräsident Reinhard Rauball forderte Blatters Rücktritt. Zwanziger sah dazu keinen Grund und erteilte Rückendeckung. „Aus Sicht der FIFA-Exekutive ist er absolut tragbar. Der Reformprozess wäre gar nicht weitergegangen ohne ihn“, sagte Zwanziger.
Das Problem: Der DFB ist wirtschaftlich von der FIFA abhängig. Mindestens 70 Prozent des Umsatzes von zuletzt 211 Millionen Euro macht der Deutsche Fußball Bund mit seiner Nationalmannschaft. Das weiß auch der "Kaiser".
Franz Beckenbauer war mal Mitglied im FIFA-Exekutivkomitee. Seit April 2011 ist Beckenbauer Vorsitzender der FIFA Task Force Football 2014, die sich mit der Entwicklung und Zukunft des Fußballs beschäftigt. Die Kritik an der WM-Vergabe an Katar findet Beckenbauer übertrieben. Trauriger Höhepunkt: Beckenbauer leugnet allen Ernstes die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in dem Scheich-Staat. „Ich habe noch keinen einzigen Sklaven in Katar gesehen. Ich weiß nicht, woher diese Berichte kommen. Ich war schon oft in Katar und habe deshalb ein anderes Bild, das glaube ich realistischer ist.“
Übrigens: Katar erhielt im Dezember 2010 mit 14:8 Stimmen den Zuschlag für die Ausrichtung der WM 2022. Sepp Blatter soll gegen Katar gestimmt haben, sein europäischen Widersacher, UEFA-Präsident Michel Platini, für Katar.
FIFA-Skandale unter Sepp Blatter
Der damalige FIFA-Generalsekretär Joseph Blatter gewinnt die Präsidentschaftswahl gegen UEFA-Präsident Lennart Johansson kurz vor WM-Beginn in Frankreich. Bis heute stehen Vorwürfe über angebliche Zahlungen von je 50.000 Dollar an afrikanische Delegierte in einem Pariser Hotel im Raum, die Blatter beharrlich zurückweist.
Blatters Präsidentschafts-Vorgänger Joao Havelange und dessen ehemaliger Schwiegersohn Ricardo Teixera kassierten Millionen Schmiergeld für WM-Marketing-Deals mit dem später Pleite gegangenen Vermarkter ISL.
Blatter wurde von allen Verdächtigungen freigesprochen, obwohl er 1997 als Generalsekretär eine Zahlung an Havelange von 1,5 Millionen Schweizer Franken persönlich zurücküberwiesen und somit offenbar zumindest Kenntnis vom System hatte.
Schon vor der Doppel-Vergabe an Russland und Katar wurden zwei FIFA-Exekutivmitglieder wegen nachgewiesener Bestechlichkeit suspendiert. Die Vorwürfe gegen die beiden künftigen Gastgeber wurden schließlich aufwändig von der FIFA untersucht, aber von den Ethikhütern ohne maßgebliche Ergebnisse eingestellt.
Der Generalverdacht wurde aber nie entkräftet. Vom damaligen Exekutivkomitee sind künftig wohl nur noch acht von damals 22 Mitgliedern in dem mächtigen Gremium.
Lange schien es, als könne der Katarer Mohamed bin Hammam Blatter bei der Wahl 2011 tatsächlich gefährlich werden. Dann stolperte der Funktionär kurz vor der Abstimmung über konkrete Bestechungsvorwürfe aus der Karibik. Die 35 Stimmen aus der CONCACAF-Zone galten als entscheidend.
Blatter hatte den Verbänden eine Million Dollar als offizielle FIFA-Zuwendung versprochen. Bin Hammam versuchte es inoffiziell mit 40.000 Dollar pro Verband – und flog auf, weil ihn andere mittlerweile der Korruption überführte Funktionäre anschwärzten.
Der Umgang mit von Millionen Fans begehrten WM-Tickets im Exekutivkomitee war schon häufig lax. Jack Warner trieb es 2006 auf die Spitze, als er die Vermarktung in seinem für das Turnier in Deutschland qualifizierten Heimatland Trinidad und Tobago übernahm. Sein Familienunternehmen strich angeblich 900 000 Dollar Provisionen ein.
Die FIFA-Untersuchungen konnte keine Verdachtsmomente gegen Warner, sondern nur gegen dessen Sohn ergeben. Warner senior kam mit einer Verwarnung davon. Warners Exko-Kollege Ismail Bhamjee aus Botswana wurde 2006 überführt, zwölf WM-Karten auf dem Schwarzmarkt verkauft zu haben.
2014 in Brasilien gab es Berichte über vermutlich illegal veräußerte WM-Karten aus dem Besitz des mittlerweile verstorbenen argentinischen Topfunktionärs Julio Grondona.
4. Wird jetzt alles besser?
Blatters Wiederwahl zeigt, die Korruptions-Vorwürfe gegen die FIFA und damit auch gegen Blatter haben an seinen Zustimmungswerten unter den FIFA-Delegierten nur wenig ändern können. Das lässt Rückschlüsse auf ihre Haltung zu Korruption zu.
US-Staatsanwältin Lynch sagte gegenüber der FAZ, die FIFA sei bis in die höchsten Ebenen korrupt. Ob ein Wechsel an der Spitze hilft? Ein neuer FIFA-Chef könnte in etwa so effektiv wie Schokolade beim Abnehmen sein. Lynch dazu: „Wirklich beunruhigend ist, was sich im Zuge der Ermittlungen herausgestellt hat: Jedes Mal, wenn die FIFA nach internen Untersuchungen korrupte Funktionäre abgesetzt hat, wurden sie durch andere ersetzt, die genau in derselben Art und Weise weitermachten.“ Diese hätten ihre neue Position vor allem als Gelegenheit gesehen, Bestechungsgelder anzunehmen. Warum auch nicht? Bis dato klappte das ja.
Das Problem geht allerdings über die FIFA hinaus – denn Korruption braucht immer zwei Hände: eine, die gibt und eine, die nimmt. Die Nehmerhand haben verschiedene FIFA-Funktionäre, die Geberhand haben TV-Rechtevermarkter und verschiedene Sponsoren und überhaupt jeder, der viel Geld hat und der gerne einen Gefallen von der FIFA hätte.
Insofern wäre ein personaler Umbau der gesamten FIFA-Exekutive ein großer Schritt für die FIFA, aber ein kleiner Schritt im Kampf gegen die Korruption.
5. Sollte Deutschland die WM 2018 boykottieren?
Es wäre ein starkes Zeichen: Deutschland, der Titelverteidiger, tritt bei der Fußball-Weltmeisterschaft nicht an. Die Engländer bleiben zu Hause, und die Franzosen und Spanier treten auch nicht an. Stattdessen rücken Teams wie Jordanien, 2013 noch in der Relegation gegen Uruguay gescheitert, nach; Usbekistan, Neuseeland und Peru.
Statt wie bei der WM 2014 würde in Deutschland dann nicht bis zu 34 Millionen Menschen (WM-Finale) die Spiele im Fernsehen anschauen, sondern vielleicht zwei Millionen. Höchstens.
Den Schaden haben die Sportler, die Fans und die öffentlich-rechtlichen Sender. ARD und ZDF haben längst die Rechte an die Übertragung der Spiele in Russland und Katar gekauft. Zum Rekordpreis, munkelt der „Spiegel“. Die FIFA ist also fein raus. Schon jetzt. Mehr als Symbolpolitik wäre ein Boykott nicht.