Fluggesellschaften Das Mogelgeschäft mit den Bonusmeilen

Die Airlines machen mit ihren Bonusmeilen-Programmen ungeahnte Geschäfte. Das gelingt ihnen, indem sie die Rabattpunkte für gutes Geld an Partnerfirmen verkaufen, Passagiere vielfach auf Kosten des Arbeitgebers in teurere Flüge locken – und das Einlösen der Meilenguthaben möglichst unattraktiv machen.

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Skurrile Fakten über Bonusmeilen
Plastik-FantastikFlüge sind weltweit nach wie vor die wichtigste Sammelmethode. In den USA hingegen kommen jedoch inzwischen fast 60 Prozent aller Meilen über Kreditkarten zusammen. So wickelt etwa American Express mit 41 Milliarden Dollar bereits gut fünf Prozent ihres weltweiten Kartenumsatzes über die Delta SkyMiles Vielflieger-Karte ab. Quelle: dapd
Das bislang dickste Meilenkonto ....eines Sammlers steht bei 25 Millionen Meilen – genug um 400 Mal von Frankfurt nach New York zu fliegen. Es gehört dem Vernehmen nach einem Medienunternehmer, dessen Namen American Airlines nicht preisgeben will. Gesammelt hat der Meilenmillionär sein Guthaben, weil er der einen großen Teil seiner Firmenausgaben über seine Kreditkarte laufen ließ. Quelle: dpa
Der MeilenmillionärDer echte Meilenkönig heißt jedoch – nein, nicht George Clooney, er mimt im Film "Up in the Air" nur einen solchen - Jaques Vroom, der es nach eigenen Angaben auf 40 Millionen Meilen brachte. Doch er zählt für echte Flugmillionäre nicht. Er hat die Zähler zwar erflogen. Er tat dies aber nicht mit vielen Tickets, sondern nur mit einem: einem lebenslangen Ticket für die American Airlines First Class. Die hat die inzwischen wieder weltgrößte Linie Ende der achtziger Jahre für zunächst 250.000 und später bis zu 600.000 Dollar verkauft, weil sie knapp bei Kasse war. Dafür garantierte sie ihren Kunden jederzeit einen freien Platz – und schrieb noch Meilen gut. Das reizte nicht nur Vroom, sondern laut Presseberichten auch Prominente wie Computer-Magnat Michael Dell, Baseball Hall-of-Famer Willie Mays und America's Cup Skipper Dennis Conner. Quelle: dapd
Meilen per PuddingDen süßesten Weg zum Meilenmillionär ging gar der kalifornische Unternehmer David Philips. Er kaufte im Rahmen einer Werbeaktion 12.150 Puddings. Er zahlte 3140 Dollar und bekam dafür 1.253.000 Meilen bei American Airlines. Weil er allein die Gutscheine auf den Puddingpackungen nicht rechtzeitig abreißen konnte, heuerte er Mitglieder der Heilsarmee an. Und weil er denen die Puddings anschließend spendete – und weil er die Süßigkeiten einer Wohltätigkeitsorganisation spendete bekam Philips noch eine Steuerrückzahlung von 815 Dollar. Quelle: dpa
Die Mehrzahl nutzt die Meilen gar nichtDas durchschnittliche Mitglied eines Bonusprogramms erfliegt laut der Vielflieger-Webseite Webflyer.com gerade mal 11.364 Punkte im Jahr für sein Konto. Die aktivsten Vielflieger schaffen zwar laut Fachleuten bis zu 800.000 Meilen im Jahr. Doch am Ende besteigen drei Viertel der Mitglieder überhaupt ein Flugzeug. Quelle: dpa
Fleißige Sammler aus FernostInsgesamt gibt es laut Schätzungen rund 150 Bonusprogramme weltweit bei Fluglinien oder Hotelgesellschaften. Sie haben laut Schätzungen im Jahr 2011 mehr als 400 Milliarden Meilen ausgegeben. Das waren rund zehn Prozent mehr als 2010. Dafür sorgen zum einen, dass die aktiven Mitglieder im Schnitt immer mehr Meilen sammeln. Dazu kommen gerade durch Wachstumslinien vom Persischen Golf oder aus China jedes Jahr neue Mitglieder dazu. Das wohl größte Wachstum hat Emirates aus Dubai: sie werden ihre Mitgliederzahl von 8,5 Millionen in 2012 auf gut 10 Millionen steigern in diesem Jahr steigern können. Damit sind sie größer als British Airways. Quelle: dpa
Bergbahn-Rabatt und FußballticketsDas Angebot an Einlösemöglichkeiten wird immer breiter und umfasst neben Hotels oder Mietwagen auch Dinge wie die Bergbahnen im Österreichischen Wintersportort Kitzbühel, wo Lufthansa-Miles-&-More-Kunden Punkte sammeln und einlösen können. Emirates aus Dubai verteilt sogar Tickets für von ihr gesponsorten Vereine wie dem Hamburger Sportverein, Real Madrid oder Paris St. Germain. Grund genug, dass die Airlines den Bestand von geschätzt mehr als 30 Billionen Meilen mit Flügen allein kaum abbauen könnten. Darum geben sie etwa bereits rund ein Fünftel über Sachprämien aus. Quelle: Presse

Die Sanierung der Lufthansa beschert Konzernchef Christoph Franz derzeit viel hässliche Publicity. Im Rahmen seines Sparprogramms Score scheut der Manager kein Tabu, um bis Ende 2015 den Gewinn um mindestens 1,5 Milliarden Euro zu steigern. Franz will die Verwaltung am Gründungssitz Köln schließen, was ihm den Zorn der Beschäftigten einbringt. Um Investitionen wie die aktuelle Bestellung von gut 100 Flugzeugen im Wert von mindestens sechs Milliarden Euro zu finanzieren, hat er trotz eines 990-Millionen-Euro-Nettogewinns die Dividende gestrichen. Nun stoßen Investoren die Aktie ab und schicken den Kurs in den Keller.

Weniger merklich, dafür mindestens so heftig brodelt es bei Europas größter Fluggesellschaft unter der Decke: beim Bonusmeilen-Programm Miles & More – und damit ausgerechnet bei den besonders zahlungskräftigen Kunden wie Harry Wassermann. Der Chef des Call-Center-Betreibers SNT Deutschland schickte Franz Ende Januar seine HON-Circle-Karte, mit der die Kranichlinie ihre gut 3000 Supervielflieger ausstattet, eigenhändig zerschnitten zu.

Mickrige Gutschriften und komplexe Programme

Wassermann steht für den wachsenden Unmut der Passagiere gegen die Prämienprogramme bei der Lufthansa und ihren Wettbewerbern. "Die Airlines haben sie in den vergangenen Jahren zum Nachteil der meisten Kunden verändert", sagt Alexander Koenig, Gründer der Vielfliegerberatung First Class & More in Dubai. "Meilengutschriften werden immer mickriger und die Programme in der Handhabung komplexer, sodass eigentlich kaum ein Kunde noch durchblickt."

Wie eine Fluggesellschaft mit einem Bonusprogramm Geld verdient

Zwar winkt Passagieren, wenn sie genug mit einer Gesellschaft fliegen, nach wie vor eine breite Palette großer und kleiner Belohnungen: vom Wellness-Wochenende über den Freiflug in den Urlaub bis zum Extraservice wie dem Zugang zu luxuriösen Warteräumen wie dem First-Class-Terminal der Lufthansa in Frankfurt. Doch die Zahl der tatsächlichen Nutznießer ist bescheiden. In der Praxis sind die Bonus-Programme so gestaltet, dass nur eine kleine Minderheit davon richtig profitiert. Bei der Lufthansa etwa ist dies jenes gut eine Prozent der fast 22 Millionen Meilensammler, das mit der Kranich-Linie im Jahr je nach Sitzklasse mindestens zweieinhalbmal um den Globus jettet.

Das ist keine böse Absicht der Flugmanager, sondern hat System. Denn für die notorisch unprofitablen Fluglinien sind die Bonusmeilen keine Rabatte mehr, um treue Kunden bloß an sich zu binden. So kurios es klingt: Den Airlines ist es gelungen, aus den Gutschriften so viel Profit zu schlagen, dass der über Gewinn und Verlust entscheidet. "Ohne die Erträge ihrer Bonusprogramme würde zumindest in den USA oder Europa wohl jede große Airline hohe Verluste schreiben", sagt Alexander Tamdjidi, Luftfahrtspezialist der internationalen Unternehmensberatung PA Consulting Group.

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