Flughafen Hahn Die großen Rätsel um den Ryanair-Flughafen

Die Regierung in Rheinland-Pfalz stoppt den Verkauf des Flughafens Hahn, weil der chinesische Investor SYT nicht zahlt. Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Eine Spurensuche im Hunsrück und in Shanghai.

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Wo Deutschland fliegt
Flughafen Frankfurt-Hahn Quelle: dpa
Flughafen Tegel (Berlin) Quelle: REUTERS
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Flughafen Memmingen Quelle: imago images

Die Ungewöhnlichkeiten beginnen, als das Geschäft eigentlich längst Geschichte ist. Am 6. Juni verkündet der Innenminister des Landes Rheinland-Pfalz, Roger Lewentz (SPD), den Verkauf des Flughafens Frankfurt-Hahn: „Mit der Übernahme durch einen Privatinvestor beginnt ein neues Kapitel am Hahn, das für weiteren Schub bei der Entwicklung des Flughafens sorgen wird.“

An seiner Seite hat er seinen Staatssekretär und die Vertreter der Investoren, die den Flughafen kaufen: zwei Herren mit randlosen Brillen, der eine kleiner und jünger, Kyle Wang; der andere älter und größer, Dr. Yu Tao Chou. Es wird das bis heute letzte Mal sein, dass die Öffentlichkeit die beiden zu Gesicht bekommt, Kontaktdaten oder eine Visitenkarte hinterlässt keiner von ihnen.

Zuvor waren sie der Belegschaft vorgestellt worden, bei der folgenden Veranstaltung für die Geschäftspartner am Standort sind sie schon nicht mehr anwesend. Stattdessen wird der Deal, immerhin die größte Privatisierung des Landes Rheinland-Pfalz in den vergangenen Jahren, an einem Flipchart präsentiert; drei Namen, handgeschrieben in geschwungenen Lettern. Sonst nichts.

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Keine geschriebenen Zahlen, keine Pläne, keine Ziele.

Die ungewöhnliche Präsentation soll Fragen überflüssig machen und wirft sie doch erst auf: Denn zu keinem der Namen finden sich im Internet nähere Informationen, die Gesellschaften sind selbst in der Branche völlig unbekannt. Dennoch will die Landesregierung von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) das Geschäft schnell vollenden, schon im Juli solle das Parlament ein Veräußerungsgesetz beschließen, der Deal wäre dann endgültig rechtskräftig.

Hahn ist ein wirtschaftlicher Sorgenfall

Für Dreyer ist das Projekt von großer Bedeutung. Hahn ist Deutschlands größter Regionalflughafen, aber auch ein wirtschaftlicher Sorgenfall: Allein 2015 standen 15 Millionen Euro Verlust. Am Beispiel des Flughafens will das Land nun beweisen, dass es zu betriebswirtschaftlicher Vernunft fähig ist. Aus einer mit Steuermitteln am Leben gehaltenen Piste soll ein profitables Unternehmen werden, das die Region mit Arbeitsplätzen versorgt, so der Plan. Innerhalb weniger Jahre, versprechen die Investoren, werden aus den Verlusten des Flughafens Gewinne, mehr Fracht und Pauschaltouristen sollen ihn in eine profitable Zukunft führen, kein einziger Mitarbeiter soll dabei seinen Job verlieren.

Der Verkauf würde damit nicht nur zum Modell für eine neue Wirtschaftspolitik in Rheinland-Pfalz, sondern auch zum Vorbild für sieche Regionalflughäfen im ganzen Land.

Gut zwei Wochen sind vergangenen, da muss die Regierung schon die Notbremse ziehen. „Eine den Käufern gesetzte Frist zur Vorlage von prüfbaren Belegen“ in Zusammenhang mit der Zahlung des Kaufpreises sei verstrichen, schreibt Innenminister Lewentz in einem Brief an die Fraktionschefs des Landtags. Der Verkaufsprozess werde „ausgesetzt“. Man könnte jetzt aufatmen, immerhin ist der Vertrag noch nicht vollzogen.

Wer sich den Käufer, der nach wie vor über einen gültigen Kaufvertrag verfügt, ein bisschen genauer anschaut, der kann sich aber nur fragen: Wie konnte sich die Regierung überhaupt jemals auf diesen Partner einlassen?

Wer sind die Investoren? Das Land weiß es nicht

Die Regierung selbst hatte nach der „Präsentation“ jenes Flipcharts noch ein paar Fakten hinterhergeschickt, am Ende stand die Information, dass die 82,5 Prozent Anteile des Landes am Flughafen an die Shanghai Yiqian Trading (SYT) verkauft werden sollen, das Land Hessen macht mit seinen 17,5 Prozent das Gleiche. Das Unternehmen handele mit Baumaterialien, Textilien und Elektronikprodukten. Der Preis liege im niedrigen zweistelligen Millionenbereich.

Hinter der Gesellschaft der beiden Chinesen des Ministertermins stehe der Investor Zhu Qing mit seiner Shanghai Guo Qing Investment Ltd., der mit seiner Frau 90 Prozent der Anteile halte, die restlichen zehn Prozent gehören eben Kyle Wang, dem jüngeren Herrn von der Pressekonferenz. Dr. Yu, mit dem die deutschen Beamten den Deal aushandelten, hält selbst keine Anteile an der Unternehmung. Mehr Informationen?

Hat keiner der Beteiligten über die Investoren aus China.

Das Land hat viel investiert

Seit Mitte der Neunzigerjahre hat das Land viel Geld in den Flughafen investiert, Straßen ausgebaut, die Startbahn verlängert, um die regionale Wirtschaft nach vorne zu bringen. Alles in allem seien rund 100 Millionen Euro in den ehemaligen Militärflughafen und das Umland investiert worden, schätzt der Steuerzahlerbund. Heute würde man das vielleicht nicht noch einmal so machen, aber jetzt ist das Geld nun mal ausgegeben, Arbeitsplätze sind entstanden, obgleich zu teuer bezahlt.

Steht das Land damit nicht auch in der Pflicht, die Investitionen der Vergangenheit am Leben zu erhalten?

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Jahrzehntelang war diese Denkweise in Deutschland selbstverständlich. So wurden Milliarden versenkt, nicht nur am Nürburgring, sondern auch am Weltkongresszentrum in Bonn, für Binnenhäfen in Ostdeutschland, Kongresszentren zwischen Schweinfurt und Magdeburg, um ein paar Beispiele zu nennen. Und noch aus den Worten des rheinland-pfälzischen Innenministers, der ja nicht bloß einen guten Preis, sondern einen „Schub für den Flughafen“ verspricht, klingt sie heraus.

Seit einiger Zeit aber gibt es ein Umdenken, nicht nur in Rheinland-Pfalz: Anstatt dem bereits versenkten Geld immer weiteres nachzuwerfen, wählt man das abrupte Ende.

Wurde der Flughafen Frankfurt Hahn betrogen?

Das mag zwar wehtun, spart aber langfristig Geld. Lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende, so lautet die passende rhetorische Schleife für die fällige Ministeransprache. Verstärkt wird diese Entwicklung durch die strenge Aufsicht aus Brüssel. Die Europäische Kommission verfolgt inzwischen fast jede Subvention auf dem Kontinent, insbesondere für Verkehrsprojekte, als unerlaubte Beihilfe.

Deshalb hält man es auch in Hahn mit dem schrecklichen, dafür aber hoffentlich endgültigen Ende. Eine erste Ausschreibung, die sich noch heute im Vergabeportal der Europäischen Kommission findet, hatte eine Beurteilung des Geschäftsmodells möglicher Investoren vorgesehen. Die verwarf man in Mainz im Laufe des Verfahrens, auf Anraten der Kommission. Zu kompliziert. „Bei Verkauf öffentlicher Unternehmen darf das Land als Verkäufer nur den Kaufpreis als Kriterium zugrunde legen“, lässt Staatssekretär Randolf Stich mitteilen. Von einer Pflicht aber entlastet auch der Verweis auf „Europa“ nicht: die Prüfung der Seriosität der Angebote.

Auch im Ministerium gab es Zweifel – ohne Folgen

Neben dem siegreichen Bieter, der SYT, gab es der Landesregierung zufolge zwei weitere Angebote, eines wurde öffentlich bekannt und stammte von einem ehemaligen Staatssekretär, der eine große chinesische Airline als Partner im Boot hatte. Marktkreisen zufolge bot diese Investorengemeinschaft genau wie der andere Anbieter ungefähr das Gleiche: einen symbolischen Kleinstbetrag plus den Kassenbestand des Flughafens – vom siegreichen dritten Angebot liegt beides mindestens zehn Millionen Euro entfernt.

Aus dieser Diskrepanz aber ergeben sich zwei Fragen: Wie kommt die SYT zu einer so viel optimistischeren Einschätzung des Investitionsobjekts Hahn? Und: Kann sie den Preis zahlen? Die Antworten aus der Landeshauptstadt Mainz lauteten, kurzgefasst: Uns doch egal. Und: Wir gehen davon aus. Im Beamtendeutsch las sich das so: „Eine Bewertung der Geschäftsmodelle war aus beihilferechtlichen Gründen nicht möglich.“

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Und: „Von allen Bietern wurden mit Einreichung der Angebote Liquiditätsnachweise über die Fähigkeit zur Kaufpreiszahlung eingeholt. Diese wurden in Form von Kontoauszügen erbracht.“

SYT schweigt bis heute

Inzwischen ist klar: Zweimal lag man völlig daneben. Dabei schien auch die Regierung selbst schon früh Zweifel am Käufer gehegt zu haben. Aus den Unterlagen zum Vertragsschluss gehe hervor, dass eine Bonitätsbewertung der Gesellschaft noch zwei Monate vor Vertragsschluss ein negatives Ergebnis, dargestellt als „rote Lampe“, ergeben habe, berichten diejenigen, die den Vertrag zu Gesicht bekommen haben. Auch das Ministerium merkt an: „Im Falle des Bieters SYT wurde direkt vor Unterzeichnung des Kaufvertrages eine erneute Bestätigung der erforderlichen Liquidität der Gesellschaft per Bankauszug eingeholt.“

So als glaube man selbst nicht ganz, dass jemand bereit sein könnte, für diesen Flughafen, der derzeit im Betrieb jährlich ein zweistelliges Millionenminus einfährt, einen Betrag in ähnlicher Größenordnung zu bezahlen. „Mondpreis“, lästern Konkurrenten.

Direkt vom Bieter ist bis heute nichts zu erfahren. Was daran liegen könnte, dass er nicht ganz einfach zu erreichen ist: Offizielle Kontaktdaten hat das chinesische Duo bei seinem Auftritt mit dem Innenminister nicht hinterlassen, das Ministerium nennt als Ansprechpartner den Frankfurter Anwalt Gunther Weiss, der die SYT berät und seine Räumlichkeiten für den Vertragsschluss zur Verfügung stellte. Er aber wimmelt ab: „Der Investor möchte sich vor Vollzug des Vertrags nicht öffentlich äußern.“ Man könne aber Fragen schicken, er werde sich melden. Was nicht passiert.

„Seid ihr auch betrogen worden?“

In Shanghai ist es nicht leichter. An der Adresse der SYT fehlt in der Lobby ein Hinweis auf die Firma, am Büroeingang im 17. Stock ebenfalls. Eine Frau um die 30 öffnet die Tür. Sie scheint nicht überrascht, dass Journalisten hierherkommen und nach der Firma fragen. Reden will sie aber nicht. Sie nennt weder ihren eigenen Namen, noch will sie den Namen ihres Chefs bestätigen oder Angaben über die Anzahl der Mitarbeiter machen. Sie erklärt lediglich, dass es sich tatsächlich um die Shanghai Yiqian Trading Company handele.

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Von den Plänen, einen Flughafen in Deutschland zu kaufen, habe sie zwar gehört, aber mehr wisse sie nicht, erklärt sie. Ihr Chef sei im Ausland auf Reisen. Sie verspricht, dass er sich melden werde, wenn er Zeit findet. Was auch nie passiert.
Noch komplizierter gestaltet sich die Suche nach dem Geldgeber hinter der SYT: Zhu Qing und seine Investmentgesellschaft Shanghai Guo Qing Investment. „Seid ihr auch betrogen worden?“, fragt der junge Mann, als er die Besucher entdeckt, die ein wenig hilflos vor seinem Laden herumstreunen.

Verwirrung um Airline-Schreiben

Pang sei sein Name, er arbeitet in der Reifenhandlung im Untergeschoss, hier am Rande des alten Industriehafens von Shanghai. Immer wieder kämen geprellte Kunden zu ihm, die nach einer Investmentgesellschaft in der Adresse über dem Geschäft suchten: Minlei Road, Nummer 319, Raum 21, Block H. Dabei stehe das Bürogebäude über dem Laden seit 2014 leer, sagt Pang. „Die waren alle ziemlich sauer“, erzählt er. Sie hätten viel Geld verloren und seien hierher gekommen, um mit jemanden von der Firma zu sprechen. „Sie haben dann meist die Polizei gerufen, aber auch die konnte nicht helfen.“

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Suvarnabhumi International Airport Quelle: dpa
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Istanbul Airport Quelle: REUTERS

Besonders viele seien es Ende vergangenen Jahres gewesen, als in China die Börsen bebten.

Im Hunsrück hingegen gab es längst wilde Gerüchte über die neuen Eigner, besonders ihren Rechtsvertreter Dr. Yu. Er sei zehn Jahre lang als Pilot der Frachtgesellschaft Yangtze River Express nach Hahn geflogen, erzählt man sich. Bei der Vorstellung des Flughafendeals schmückt er sich mit einem Schreiben der Airline, das deren Interesse dokumentieren sollte, den Flughafen intensiv zu nutzen. Doch die Airline widersprach sofort, das Papier sei eine reine Geste der Höflichkeit und nicht konkret zu verstehen. Der Doktortitel des Dr. Yu soll aus einer früheren Tätigkeit als Mediziner stammen.

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In jedem Fall aber hat er in den zehn Jahren offenbar Kontakte zu Ortsansässigen geknüpft. So wunderten sich schon bei der Vorstellung des Verkaufs am Flughafen Hahn einige der Beschäftigten, dass neben Dr. Yu auch ein Edelsteinhändler aus Idar-Oberstein unter den Anwesenden war. Kenner des Vertragswerks und seiner Anhänge, die im Leseraum des Landtags ausliegen, meinen, den Schleier lüften zu können: Hans-Werner Müller, auf Bernstein spezialisierter Schleifer und Händler, habe die Verträge für Dr. Yu unterschrieben und könnte auch die Geschäfte führen, wenn der Vertrag erst mal vollzogen ist. Mehr über den Käufer verraten will aber auch er nicht. An seiner Geschäftsadresse findet sich noch nicht mal eine Klingel, am Telefon streitet Müller ab, den Investor überhaupt zu kennen.

So blieb das Bild von einem Käufer wie ein Regenbogen: Schon aus der Ferne sehr bunt, doch je näher man ihm kommt, desto mehr verschwimmen die Konturen. Am Ende des Regenbogens angekommen, muss auch die Landesregierung jetzt einsehen: Statt eines Topfs voll Gold wartet dort nur feuchtwarme Luft.

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