Flughafen Hahn Die zweifelhafte Rolle von KPMG

Im Skandal um den geplatzten Verkauf des Flughafens Hahn wird die Rolle der Prüfgesellschaft KPMG immer fragwürdiger. Wie konnten die Prüfer die offensichtlichen Unstimmigkeiten übersehen?

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Flughafen Frankfurt-Hahn Quelle: dpa
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Flughafen Memmingen Quelle: imago images

Ab Freitag ist erstmal Sommerloch. Für Malu Dreyer (SPD) ruht dann auch der Skandal um den geplatzten Verkauf des Flughafens Hahn, da der Landtag den Misstrauensantrag gegen die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, wie absehbar war, mit den Stimmen der Koalition am Donnerstag abgeschmettert hat.

Wenn es nun der Landesregierung gelingt, in einem zweiten Anlauf einen seriösen Käufer zu finden, der auch noch ein halbwegs tragfähiges Geschäftsmodell für den Flughafen vorweisen kann, dann dürfte sich der politische Schaden am Ende in Grenzen halten.

Klar ist es peinlich, einen Flughafen an einen chinesischen Bieter verkaufen zu wollen, der noch nicht einmal über eine vernünftige Geschäftsadresse verfügt, von jeglichen Erfahrungen im Betrieb von Flughäfen ganz zu schweigen. Aber ist es nicht viel peinlicher, die Prüfungsgesellschaft zu sein, die Tausende Euro für ein Gutachten kassiert hat, das genau diesen Bieter zusammenfassend mit sechs grünen Ampeln bewertet?

Bester Flughafen Deutschlands

Ist es. Und deshalb muss sich die Aufarbeitung des Skandals nach der Frage der politischen Verantwortung jetzt auf die Rolle des Prüfers KPMG richten. Der Konzern war nicht nur für die Betreuung des Verkaufsprozesses an sich verantwortlich, auf Betreiben von KPMG orderte das Land bei der Gesellschaft zudem eine sogenannte „Integrity Due Dilligence“.

Konkret: Nachdem sich im Sommer 2015 zunächst sechs Bieter gefunden hatten, die Interesse am Kauf des Flughafens äußerten, regte KPMG an, diese Unternehmen auf Herz und Nieren zu prüfen, da sie keine im Markt bekannten Bieter seien. Man verfüge dafür über eine „entsprechende, weltweit organisierte Abteilung“, den KPMG Corporate Intelligence Service. Das überzeugte das Mainzer Innenministerium. Man buchte die Leistung, für die KPMG anfangs rund 18.000 Euro veranschlagte.

Anteilseigner waren in mehr als „400 Rechtsstreitigkeiten“ verwickelt

In den besonderen Fokus der Prüfung geriet dabei offenbar schnell der letztlich siegreiche und inzwischen als Hochstapler überführte Kandidat SYT. Die „Shanghai Yiqian Trading Company“ wies ein paar Unstimmigkeiten auf, welche die KPMG-Prüfer stutzig machten. So stimmten die vom Bieter angegebenen Namen der Anteilseigner und ihre Besitzverhältnisse nicht mit den offiziellen Quellen überein. Die Gesellschaft erhielt deshalb zunächst eine „rote Ampel“ im KPMG-Bericht.

Später wurden Dokumente einer chinesischen Großkanzlei nachgereicht. Die Unstimmigkeit löste sich auf. Das liest sich im Nachhinein bereits wie ein Indiz, wäre aber für sich genommen noch akzeptabel. Dubios ist der Bericht an einer anderen Stelle: So stellen die Prüfer fest, dass Personen mit den Namen mehrerer Anteilseigner der SYT in der Vergangenheit in Gerichtsverfahren verwickelt waren. Demnach waren die Inhaber der Firma „Shanghai Guoqing Investment“, von denen einer  (Zhu Qing) zugleich den größten Teil von SYT hält, den KPMG-Recherche zufolge an „über 400 Rechtsstreitigkeiten“ beteiligt.

Noch fragwürdiger aber hätte den Prüfern der zweite Anteilseigner, Kyle Wang, erscheinen müssen. Auch gegen eine Person dieses Namens lagen KPMG zufolge schon Vollstreckungstitel vor, zudem sei die Person bereits Beklagter in Rechtsprozessen gewesen, fanden die Prüfer heraus.



Trotzdem erteilen die Prüfer ihm die „grüne Ampel“. Schließlich sei Kyle Wang ebenso wie die anderen verdächtigen Namen ein in China häufiger Name, er komme hundertfach vor. Deshalb könne nicht überprüft werden, ob dieser Kyle Wang identisch sei mit dem SYT-Miteigentümer. Nun könnte man sagen: Bei 1,4 Milliarden Chinesen kommt fast jeder Name hunderte Male vor. Wer da keine Möglichkeiten hat, die Namen genauer zuzuordnen, der sollte auch nicht tausende Euro für die Überprüfung in Rechnung stellen.

Es gab viele Warnzeichen

Zudem sind die Gerichtsprozesse nur eine von vielen Unstimmigkeiten um den Bieter Wang. KPMG weist zunächst selbst in dem Bericht einen weiteren Widerspruch hin. So führte die Firma SYT laut chinesischer Quellen früher den Namen „Best Resources“ und trug laut Impressum der Internetseite immer noch die gleiche Identifikationsnummer. Auf Nachfrage wies SYT gegenüber KPMG darauf hin, dass es zwei Firmen unter dem Namen SYT gebe, die eine gehöre Best Resources, die andere sei jedoch der Bieter.

Spätestens nach dieser Antwort hätte KPMG dem Land wohl von dem Geschäft abraten müssen, wie eine simple Internetrecherche ergibt. Denn der ominöse „Kyle Wang“ dokumentiert sein Leben durchaus auskunftsfreudig auf Facebook. Als Arbeitgeber gibt er dort eine Firma an, die den Lesern des KPMG-Berichts nicht unbekannt ist: „Best Resources“. Er sei dort „Managing Director“, so Wang. Die Antwort von SYT, die Firma habe nichts mit „Best Resources“ zu tun, ist damit nicht zu halten.

So bleibt die Frage, warum KPMG das Land nicht warnte, sondern stattdessen seine Einschätzung von SYT sogar radikal zum Positiven veränderte. Noch im April waren zwei der sechs Ampeln, die die Beurteilung zusammenfassen, gelb, eine aufgrund der Unklarheiten bei den Anteilseignern sogar knallrot. Jede weitere Recherche hätte diese Zweifel eigentlich erhärten müssen. Stattdessen lösten sie sich innerhalb von sechs Wochen in Luft auf, die Ampeln wurden grün. Was genau in diesen sechs Wochen passiert ist, lässt sich nicht im Detail nachvollziehen.

Treffen in einem Restaurant statt im Unternehmen

KPMG gab kurz nach dem Verkauf Anfang Juni an, man habe sich selbst vor Ort von der Seriosität des Bieters überzeugt. Auch diesen Besuch dokumentiert Kyle Wang auf seiner Facebook-Seite. Bilder zeigen ihn mit seinen beiden Geschäftspartnern und dem KPMG-Vertreter auf einer Shanghaier Dachterrasse und im Separee eines offensichtlich noblen Restaurants.



Wangs Kommentar: „Treffen mit KPMG-Manager in einem 'open top restaurant' für Deutschland-Projekt arrangiert, ich denke das wird eine gute Chance.“ Wurde es. Warum der KPMG-Vertreter sich den Bildern zufolge damit zufrieden gab, Wang in einem „open top restaurant“ zu treffen, wird sein Geheimnis bleiben. Ein Besuch im Büro hätte wohl vieles klären können.

Keine rechtlichen Schritte gegen KPMG geplant

Auch in den Wochen danach hätte es sich für KPMG gelohnt, das Facebook-Profil von Kyle Wang zu verfolgen. Am 1. Juni, wenige Tage vor Vertragsunterzeichnung, lädt Wang weitere Fotos hoch, diesmal aus Deutschland. Zusammen mit seinem Anwalt und dem deutschen Geschäftspartner sieht man Wang in einem Besprechungsraum sitzen, im Hintergrund ist ein Flipchart zu sehen. Erkennbar darauf drei Textblöcke, bezeichnet als „option“ eins, zwei und drei. Die zweite und dritte Option sind nicht lesbar, die erste zumindest teilweise: „bank guarantee“ lesen wir da.



Es gehört dann nicht mehr viel Fantasie dazu, zu vermuten, dass Herr Wang und seine Mitstreiter noch Tage vor dem Kauf darüber beraten mussten, wie sie ihre Bonität unter Beweis stellen könnten. Am Ende lieferten sie einen Bankauszug, an dessen Echtheit es inzwischen massive Zweifel gibt.

Trotz allem meidet das Land den Streit mit KPMG. Man plane „keine rechtlichen Schritte“ gegen die Gesellschaft, so ein Sprecher des Mainzer Innenministeriums. Stattdessen wolle man die Fehler „gemeinsam mit KPMG aufklären“. Auch im weiteren Verkaufsprozess soll die Gesellschaft beteiligt bleiben. Womit sich die Prüfer dieses Vertrauen verdient haben, wird das Geheimnis des Ministeriums bleiben.

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