Die Stimmung müsste eigentlich überschäumen, wenn sich die Airlines und Flugzeughersteller am Mittwoch zur Jahrestagung des Weltluftfahrtverbandes Iata im irischen Dublin treffen. Partylaune wäre erst in den ehrwürdigen Hallen der Royal Dublin Society - und anschließend in den Bars und Suiten des nahen Intercontinental Hotels angesagt. Das Flugbenzin ist billig, die Konjunktur ist in den wichtigsten Ländern solide und weltweit wächst die Nachfrage.
Tatsächlich dürfte die Laune aber kaum besser sein als in früheren Jahren als der Sprit noch das Doppelte oder Dreifache kostete. „Der ganze Markt ist unter Druck“, klagte Pierre-Francois Riolacci, Finanzchef von Air-France-KLM.
Für die Airlines liegt das vor allem an Faktoren außerhalb der Branche und ihrer Verantwortung. „Buchungszurückhaltung aus Terrorangst und die ständigen Streiks von Fluglotsen oder Sicherheitspersonal machen das Geschäft schwierig“, sprach Willie Walsh, Chef der IAG genannten Muttergesellschaft von British Airways und Iberia der jüngst der Branche aus der Seele. „Die Kunden buchen immer kurzfristiger und das erschwert die Planung“, klagte Lufthansa-Finanzchefin Simone Menne als sie jüngst die Zahlen für das erste Quartal vorstellte.
Dazu kommt die Furcht vor dem nun wieder teureren Ölpreis. Der ist seit dem Januar (tiefster Stand seit 2004) bereits um gut zwei Drittel gestiegen und dürfte weiter zulegen. Das treibt die Kosten der Airlines – und drückt die im Vergleich zu anderen Branchen traditionell kargen Gewinne.
Doch so sehr auch die Furcht vor Anschlägen, Arbeitskämpfe und Kostensteigerungen aufs Geschäft drücken. Am Ende haben die Flugunternehmen den Gewinn aus dem möglichen Aufschwung doch weitgehend selbst verzockt. Auch wenn sich die Branche durch Fusionen und Sparprogramme in den vergangenen Jahren zum Besseren verändert hat, bringt sie derzeit vor allem durch klassische Unarten um die Möglichkeit, in der einmalig günstigen Situation richtig Kräfte zu sammeln.
Die wichtigsten Billigflieger in Deutschland
Transavia
Starts pro Woche: 64
Sitze: 9616
Strecken: 19
Vueling
Starts pro Woche: 67
Sitze: 12.160
Strecken: 11
Aer Lingus
Starts pro Woche: 71
Sitze: 12.354
Strecken: 8
Norwegian Air Shuttle
Starts pro Woche: 106
Sitze: 19.929
Strecken: 33
flybe
Starts pro Woche: 130
Sitze: 10.800
Strecken: 16
Wizz
Starts pro Woche: 208
Sitze: 38.590
Strecken: 73
Easyjet
Starts pro Woche: 531
Sitze: 86.868
Strecken: 90
Ryanair
Starts pro Woche: 1058
Sitze: 199.962
Strecken: 243
Euro-/Germanwings
Starts pro Woche: 2595
Sitze: 390.692
Strecken: 516
Den Kunden kann das ganz recht sein. Denn die Fehler der Airlines bedeutet für sie vor allem eines: billigeren Urlaub. Als Ryanair-Chef Michael O’Leary als er Anfang voriger Woche sein Geschäftsjahr 2015/16 bilanziert und prophezeite im Laufe des Jahres einen Preisverfall von bis zu zehn Prozent. Die Fluglinien müssen aber gleich mehrere Fehler in den Griff bekommen.
1. Fehler: die verkorkste Ölpreissicherung
Vergleichsweise verzeihlich ist noch der verkorkster Umgang mit dem Ölpreis. Es ist eigentlich gut, wenn Fluglinien den Preis ihres wichtigsten Kostenblocks absichern. 2008 kostete die Tonne Sprit mit gut 1500 Dollar fast dreimal so viel wie eine Handvoll Jahre zuvor. Da überlebten nur Airlines, die sich niedrigere Preise durch Hedging gesichert hatten. Doch leider wurde bereits 2009 klar: Fallende Preise sind noch gefährlicher als steigende. Dann hocken abgesicherte Airlines auf hohen Ölpreisen, müssen größere Beträge abschreiben und können sich den Wettbewerb mit ungesicherten Konkurrenten nicht leisten.
Dass dies kein schlimmes Schicksal ist, zeigen Billigflieger sowie – in abgeschwächter Form - die British-Airways-Mutter IAG. „Wir bauen unsere Strukturen so, dass wir praktisch unabhängig vom Kerosinpreis profitabel sein können“, so IAG-Chef Willie Walsh.
Zu den richtigen Strukturen gehört insbesondere für die Billigflieger eine genaue Auswahl der Strecken. „Wir starten sie fast unabhängig vom Ölpreis. Ist der dann niedrig, verdienen wir etwas mehr. Ist er hoch, verdienen wir etwas weniger“, so Easyjet-Chefin Carolyn McCall.
Überkapazitäten und fehlende Innovationen
2. Fehler: Lemminghafte Überkapazität
Tatsächlich tun die meisten Unternehmen das Gegenteil davon. Statt nur Strecken zu fliegen, die langfristig Geld bringen, versuchen besonders die alten Marktführer verlorenen Boden gut zu machen und ihren Marktanteil wieder auf frühere Werte zu erhöhen.
Lufthansa, IAG und andere haben zwar angesichts steigender Ölpreise sicherheitshalber ihre Wachstumspläne für den Rest des Jahres etwas gestutzt. Doch auch nach dem neuen Plan soll das Lufthansa-Angebot immer noch um sechs Prozent steigen. IAG will mindestens fünf Prozent drauf legen. „Die fliegen mit ihren alten, ineffizienten Jets viele Strecken, die sie bei höheren Kerosinpreisen einstellen müssen“, sagt Easyjet-Chefin McCall.
Dahinter steckt auch ein Denken, das Ökonomen gesunden Wettbewerb nennen - und andere Bosheit. Die etablierten Linien wie Air France und Lufthansa fliegen mit ihren alten abgeschriebenen Jets oft billiger als das Gros der Billigflieger. Denn die Finanzierung der neuen Jets kostet Easyjet & Co mehr diese Maschinen im Vergleich zu den betagten Flotten der Etablierten beim Sprit einsparen.
Der Druck der Etablierten auf die Billigen hilft keiner der beiden Seiten. Die Discount-Airlines haben so viele neue Jets bestellt, dass sie diese selbst dann einsetzen müssen, wenn es wenig Geld bringt. So übersteigt das Angebot die Nachfrage. Und am Ende müssen alle Airlines ihre Flieger zu Kampfpreisen füllen – und wenn wie in den vergangenen Wochen der Sprit teurer wird, zahlen alle drauf.
3. Fehler: Fehlende Innovation
Auch ohne die unerwarteten Probleme mit den neuen Jets ist die Neigung zu Neuerungen in der Branche traditionell gedämpft. Daran sind zum einen die Hersteller wie Airbus und Boeing schuld. Für Flüge im Airbus Superjumbo A380 und Boeings Dreamliner 787 zahlen zwar noch heute viele Passagiere mehr als für Reisen in anderen Jets. Doch die Hersteller scheuen weitere Neuerungen. Stattdessen rüsten sie alte Flugzeuge mit neuen Triebwerken aus. Denn sie haben sich gerade an diesen Modellen die Finger verbrannt, weil die wegen technischen Problemen verspätet und teurer kamen.
Aber auch die Airlines selbst sind in Sachen neue Serviceidee eher scheu. Bislang beschränken sich bei den etablierten Linien die Neuerungen vor allem darauf, bei den bestehenden Tarifen einen Teil der Leistung wie Gratisgepäck oder kostenloses Catering zu streichen.
Wie es geht, haben Easyjet und zuletzt Ryanair gezeigt. Ausgerechnet der Vorreiter in Sachen Serviceabstriche hat bewiesen, dass selbst geizige Schnäppchenjäger für Zusatzangebote wie schnellere Sicherheitskontrollen mehr Geld ausgeben, wenn sie als Erste an Bord dürfen. Mit solchen Extras kassieren die Iren inzwischen fast jeden vierten Euro und machen den Preisverfall bei den Ticketpreisen mehr als wett.
Umdenken bei den Airlines
Immerhin: So wenig sich bei den beiden ersten Punkten tut, in Sachen Innovation haben die etablierten Linien die Zeichen der Zeit erkannt. Die Lufthansa etwa hat bereits eine Art internes Lab, wie Konzerne ihre Hofnarren-Inseln in Sachen Innovation nennen. Und auch andere Linien wie Air France denken über ähnliches nach.
Ob das allerdings reicht, die Gespräche bei der Iata-Jahrestagung 2017 unbeschwerter zu machen, ist mehr als offen.