Flugzeugunglücke in Asien Abstürze sind eine Folge kalter Mathematik

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Was für mehr Flugsicherheit wirklich nötig ist

Doch so groß dieser Druck auch ist, er ist offenbar noch nicht groß genug. Denn um die Maschinen sicherer zu machen, müssen die Hersteller genau wissen, was genau kurz vor dem Absturz schief gegangen ist. Die wichtigste Voraussetzung hierzu ist, die Flugzeuge nach einem Crash schnell zu finden und die letzten Minuten vor der Katastrophe genau zu rekonstruieren.

Hier leistet sich die Branche und die Politik, die sie sonst stark reguliert, eine Einstellung, die nur noch mit gutem Willen als erstaunliche Saumseligkeit durchgeht. „Die Regulierer sind gefürchtet für ihre Grabsteinmentalität, die Änderungen erst verlangt wenn es Tote gab“, urteilt der renommierte Branchenanalyst Scott Hamilton.

Die wichtigsten Billigflieger außerhalb Europas
Der Aufstieg der Billig-FliegerEs war eine simple Idee, die Herb Kelleher seinem Kumpel Rollin King Ende der sechziger Jahre in einer Bar bei auf eine Cocktail-Serviette aufzeichnete: Wir fliegen mit nur einem Flugzeugtyp ein paar Strecken in Texas - immer hin und her. Dabei bieten wir statt des üblichen Servicegedöns nur das, was die Kunden wirklich wollen: niedrige Preise, freies Gepäck und Punkt-zu-Punktflüge. Der Rest kostet extra. Doch so sehr die Kundschaft das auch schätzte, anfangs konnten die Billigflieger nur schwer Fuß fassen. Denn bis 1978 brauchten selbst in den sonst so wirtschaftsliberalen USA Fluglinien eine Erlaubnis wenn sie bestimmte Strecken fliegen wollten. Und weil jede Airline ihre Preise genehmigen lassen mussten, konnten Billigflieger die etablierten Wettbewerber nicht unterbieten. Eine ähnliche Regelung galt bis 1997 in der EU. Doch inzwischen kippen diese Beschränkungen selbst in Asien und allmählich in Afrika. Das erlaubt es den Billigfliegern, gegen die etablierten meist staatlich gesteuerten oder geförderten „Voll-Service“-Marktführer anzufliegen. So haben inzwischen geschätzt mehr als 250 Fluglinien weltweit versucht, das Prinzip Kelleher umzusetzen. Auch wenn mindestens die Hälfte der Discounter den Betrieb wieder eingestellt hat, ist Billigfliegen heute die gängige Art zu Reisen. Immer häufiger kopieren selbst etablierte Fluglinien das Prinzip. Zwar kommen in den USA oder Europa fast keine Neulinge dazu. Doch im Rest der Welt startet nahezu jede Woche eine neu Billiglinie – zuletzt Air Asia India mit dem Flug von der indischen IT-Metropole Bangalore ins Strandparadies Goa. Wir zeigen die wichtigsten Linien in Amerika, Asien und Afrika. Quelle: dpa
Air Asia (Malaysia)Als 1995 Billigflieger in den USA ein große Macht waren und in Europa ihren Siegeszug antraten, galt in Asien das Dogma: kein Passagier wolle in der Region auf Annehmlichkeiten wie Gratis-Mahlzeiten und Premiumservice verzichten. Knapp 20 Jahre später glaubt das keiner mehr. Denn Air Asia aus Malaysia gehört zu den größten Linien der Region. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Gründer Tony Fernandes mit ähnlichen Clownereien wie Ryanair-Chef Michael O’Leary für Aufmerksamkeit sorgte. Bewusst verstieß er gegen Regeln und sorgte etwa mit den besonders kurzen Röcken seiner Flugbegleiterinnen für Aufsehen. Heute hat der Konzern Töchter in allen größeren Ländern Asiens und dazu einen Langstreckenableger namens Air Asia X – auch wenn der sich ein wenig schwerer tut als die regionalen Töchter.Flotte: 185 Flugzeuge (Gruppe)Ziele: 88Hauptflughäfen: Kuala Lumpur, Bangkok, Jakarta, Manila Quelle: dpa
Air Arabia (Vereinigte Arabische Emirate)Angefangen hat der Billigmarktführer im arabischen Raum aus einer Notlage heraus: Der Regent des Emirats Sharjah wollte seinen - bis dahin vor allem als Frachtdrehkreuz zwischen Asien und Europa bekannten - Flughafen besser auslasten. Doch eine weitere arabische Nobellinie neben Emirates, Etihad und Qatar Airways wäre sicher keine gute Idee gewesen. Also gründete er lieber das Gegenteil: Den ersten Flug-Discounter der Region. Und der gedieh lange Zeit prächtig, bis ausgerechnet das Nachbar-Emirat Dubai zusätzlich zu Emirates mit Fly Dubai eine ähnliche Idee umsetzte. Doch der Pionier Air Arabia blieb rege und gründete Töchter in anderen Ländern wie Marokko oder Ägypten. Das sicherte den Erfolg und Köln einen Billigflug nach Nador, Marokko.Flotte: 38 Flugzeuge (Gruppe)Flugziele: 68 (Gruppe)Hauptflughäfen: Sharjah, Casablanca,  Alexandria Quelle: dpa
Frontier (USA) Das auffälligste an der Fluglinie aus Denver sind die Fotos von amerikanischen Wildtieren an der Heckflosse ihrer Flieger - und der extreme Geizservice. Die Linie verlangte als erste Gesellschaft nicht nur Geld für Essen und Sitzreservierungen, sondern sogar eine Gebühr für die üblichen Rollkoffer als Handgepäck. Mit Erfolg. Zwar waren im immer noch größten Flugmarkt der Welt zuvor viele US-Fluglinien wie Skybus mit bescheideneren Servicezumutungen krachend gescheitert. Doch Frontier, die seit der Gründung in den sechziger Jahren mehrfach am Rand der Pleite stand, hatte mit dem Schwenk zu Ultra-Low-Cost Erfolg. Das inspirierte andere Linien zu ähnlichen Zumutungen. Unter anderem Allegiant und Spirit aus den USA, sowie Wizzair aus Ungarn kupferten des Konzept ab.Flotte: 53 FlugzeugeFlugziele: 75Hauptflughäfen: Denver, Philadelphia. Washington Quelle: AP
Gol (Brasilien)Die zweitgrößte Linie in Brasilien verdankt ihren Erfolg vielleicht der Referenz zum Nationalsport Fußball: der Name klingt wie „Tor“. Ganz sicher ist der Aufstieg der Fluglinie jedoch auf die der Erfahrung der Gründerfamilie zurückzuführen. Die hatte zuvor mit ihrem Linienbusservice gelernt, wie ein besonders sparsamer Betrieb aussehen kann. Die Linie erwies sich zudem als flexibel. Nach dem Börsengang kaufte sie die Reste der insolventen Auslandslinie Varig - und nahm der deutschen Lufthansa ihren damaligen Partner in Lateinamerika. Dann schluckte Gol den Billigflieger Webjet. Weil gleichzeitig die Premiumlinie TAM schwächelte, wob Gol auch ein paar Premiumelemente ein. So wurde die Linie würdig für eine Kooperation mit Delta aus den USA und ein 100-Milionen-Investment von Air France, die sich so ihren Zugang zum größten Land des Wachstumsmarkts Lateinamerika sichern wollen.Hauptflughäfen: Sao Paulo, Rio de Janeiro, Porto AlegreFlotte: 142 FlugzeugeFlugziele: 68 Quelle: REUTERS
Indigo (Indien)Low Cost in Indien, das klang für Vielflieger lange Zeit nach einer argen Geduldsprobe. Schließlich waren selbst die vermeintlichen Top-Linien des Landes Air India oder Kingfisher lange Zeit für ihre Zumutungen am Kunden gefürchtet. Doch Indigo erreicht mit seiner Masche „karg aber solide“ praktisch überall westlichen Low-Cost-Standard. Zudem überzeugt die Line mit - zumindest für indische Verhältnisse – hoher Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Bei Marktforschern gilt sie deshalb als eine der besten Billiglinie Asiens. Das honorieren die Kunden. Sie folgten dem versteckten Aufruf Indi-Go (Frei übersetzt: „Indien, beweg dich“) und machten das Unternehmen zur einzigen profitablen Linie des Riesenlandes. Und damit das Erlebnis bald auch möglichst viele Kunden genießen können, hat die Linie mit fast 200 Bestellungen auch das größte Orderbuch der Region.Flotte: 78 FlugzeugeZiele: 36Hauptflughäfen: Bombay, Kalkutta, Chennai Quelle: Presse
Jetstar (Australien)Als der australische Marktführer Qantas seine Billigtochter gründete, sollte Jetstar eigentlich nur die anderen Flugdiscounter des fünften Kontinents im Schach halten. Die Mutter wollte sich ungestört auf die profitable Langstrecke konzentrieren können. Doch als der Siegeszug der Fluglinien vom Golf Qantas in die roten Zahlen trieb, wurde der einst ungeliebte Ableger plötzlich zum Retter der Gruppe. Dank der Erfahrung mit den langen Strecken im riesigen Heimatland traute sich Jetstar schließlich auch auf Langstrecken in Richtung Asien. Als das gut lief, folgten Ableger in Singapur, Vietnam, Japan und Hongkong, die ihrerseits den Golflinien ein wenig zusetzten. Um die Kosten weiter zu drücken, kaufte Jetstar als erster Discounter auch Boeings sparsamen Leichtbauflieger 787.Flotte: 117 Flugzeuge (Gruppe)Ziele: 43Hauptflughäfen: Sydney, Brisbane, Singapur Quelle: dpa

Drei Maschinen in fünf Jahren verschwunden

Denn mit den Unfällen von Air Asia 8501, Malaysia Airlines 370 und Air France 447 im Jahr 2009 sind in den vergangenen fünf Jahren gleich drei Maschinen plötzlich und spurlos verschwunden. Die Air-France–Maschine wurde zwar gefunden. Aber obwohl die Bergungskräfte von Anfang an eine recht gute Vorstellung hatten, wo das Wrack gelandet sein musste, stießen die Suchkräfte erst nach gut zwei Jahren auf den Flugschreiber. Und bei MH 370 müssen die Fachleute nach wie vor eher raten, wo genau sie suchen sollen.

Grund für die lange Suche ist in allen drei Fällen, dass die Behörden zwar viele Details von der Ausbildung bis zu den Preisen vorschreiben. Doch eine genaue Ortung in Echtzeit hielten sie offenbar bisher für unnötig.

Die Anforderungen an Flugzeugantriebe steigen kontinuierlich. Leichter sollen die Turbinen werden, aber auch leistungsfähiger und leiser. Klicken Sie auf die Kreise um zu sehen, wie das funktioniert.

Das ist in der Tat absurd. In einer Zeit, in der Beobachtungssatelliten auch bei Nacht und Nebel jedes Detail auf der Erde erkennen und Überwachungssoftware in schier endlosen Datenbergen erfolgreich nach Schlüsselworten sucht, ist es unvorstellbar, dass eine gut 30 Meter lange und breite Maschine spurlos verschwindet, obwohl sie einen klaren Kurs hat und ständig Daten bis zur Brenntemperatur in den Triebwerken an die Werkstätten funkt.

Doch auch das hat einen Grund. Denn zum Wesen der Regulierung im Fluggeschäft gehört es, dass Einschränkungen für die – meist zumindest teilweise staatlich beherrschten – Airlines nur einvernehmlich von allen Mitgliedern der ICAO genannten Luftfahrtorganisation der UNO getroffen werden dürfen. Die ICAO drückt sich in der Frage seit Jahren vor einer Entscheidung. Denn diese Überwachung kostet Geld, gerade weil auf den langen Flügen über Ozeane eine Ortung aufwändig ist und – da nun mal nicht mal jeder Millionste Flug einen Unfall hat – am Ende vor allem auch viele überflüssige Daten produziert.

Doch seit dem Unglück von Air Asia kann das nicht mehr gelten. Weil Flug QZ8501 auf einem relativ kurzen Flug in einer gut überwachten Gegend verschwand, ist klar: Eine solche Überwachung darf nicht nur regional erfolgen, sondern eben weltweit. Das Überwachungssystem klärt auch gleich ein paar andere Probleme: Denn immer wieder stürzen auch Maschinen in unwegsamen Gebieten an Land ab und wären schneller und leichter zu finden, könnte man sie auch dort orten.

Somit ist klar: Die ICAO muss entscheiden und zwar bald. Wenn zunächst nur ein Teil ihrer Mitglieder aus Nordamerika Europa oder Asien mitzieht, dann ist das eben so. Bei Dingen wie einer gründlicheren Kontrolle von Passagieren und Luftfracht führten die zunächst nur von den USA und der EU betriebenen strengeren Standards nach einer regionalen Übergangsphase am Ende zu einem globalen Standard. Damals hatte die EU auch keine Scheu, ihrer Meinung nach unsichere Airlines zu verbannen.

Das wird die Opfer der bisherigen Abstürze natürlich nicht wieder lebendig machen. Aber es macht künftige Abstürze noch ein wenig unwahrscheinlicher und verhindert damit weitere Opfer. „Denn Grabsteine hatten wir nun wirklich genug“, so Experte Hamilton.

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