Foodora, Delivery Hero, Hello Fresh Fressen – oder gefressen werden

Das Rocket-Internet-Prinzip: Wenn den Samwers ein Thema gefällt, lassen sie mehrere Wetten gegeneinander laufen. Nun ist das Rennen zwischen Delivery Hero und Foodpanda entschieden. Das große Fressen folgt erst noch.

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Eine frische Pizza nach Hause geliefert: Welcher Lieferservice macht das Rennen? Quelle: AP

Berlin Als aufmerksamer Beobachter des Rocket-Internet-Imperiums fragte man sich ja schon lange, wer das eigentlich alles essen soll. Ob Foodora oder Foodpanda, Hello Food oder Hello Fresh: Die Start-ups der Samwers heißen nicht nur alle recht ähnlich, viele von ihnen tun auch mehr oder weniger das Gleiche: Essen nach Hause liefern.

Wie am Wochenende bekannt wurde, verleibt sich Delivery Hero, der Mutterkonzern von Foodora, jetzt den kleineren Konkurrenten Foodpanda ein. An dieser Transaktion zeigt sich eine Taktik der Samwers: Wenn sie an ein Thema glauben, investieren sie in mehrere Teams, die quasi gegeneinander antreten, in unterschiedlichen Märkten, mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen. Wer sich durchsetzt, bekommt mehr Kapital und kann sich noch mehr Umsatz dazukaufen. Wer nicht mithalten kann, wird verkauft. Fressen und gefressen werden also.

Foodpanda wurde 2012 bei Rocket gegründet. Die Idee: Eine Buchungsplattform, über die man beim Pizzadienst bestellen und bezahlen kann, anstatt dort anzurufen und zu hoffen, dass der Mensch am Telefon einen richtig verstanden hat – und die Sardellen weglässt, nicht die Kapern. In Berlin gab es zu dem Zeitpunkt schon zwei Start-ups, die so etwas machten. Das eine hieß Lieferheld, das andere Lieferando.

Foodpanda sollte sich auf die Schwellenländer konzentrieren. Das Vorbild für alle zusammen saß in den USA. Grubhub wurde 2004 gegründet und ging 2014 an die Börse. Ein Jahr später stieg Rocket Internet mit einer halben Milliarde Euro bei Lieferheld ein, das inzwischen Delivery Hero hieß und wurde dort größter Anteilseigner mit 38,5 Prozent.

Das Thema Essen, glaubte Oliver Samwer, würde nach dem Ausrollen des Onlinehandels auf nahezu alle Produktbereiche, das nächste große Ding werden. Und er wollte auf jeden Fall ein Stück von der Pizza abbekommen. Darum wettete er vorsorglich auf mehrere Unternehmen. Parallel investierte er in den Kochboxenversender Hello Fresh und in Hello Food, das Schwesterunternehmen von Foodpanda.

Manche Wetten hat Samwer bereits verloren gegeben. La Nevera Roja in Spanien wurde wieder verkauft, genau wie Hellofood in Italien, Brasilien und Mexiko. Versuch und Irrtum sind Rocket Internet schon mal ein paar Millionen wert.


Gestern investiert, heute geschlossen

Das belgische Start-up Take Eat Easy hatte 2015 geglaubt, jetzt würde alles ganz einfach werden, als Rocket Internet in einer Sechs-Millionen-Finanzierungsrunde bei ihnen einstieg. Ein Irrtum. Heute gibt es das Start-up nicht mehr. Rocket Internet hat beschlossen, kein weiteres Geld mehr zu investieren.

Zeitgleich mit Take Eat Easy hatte Oliver Samwer einen Konkurrenten namens Volo gekauft, heute bekannt als Foodora. Was ihn reizte, war ein neues Modell, das aus England kam: Buchungsplattformen, die eigene Kuriere zu Restaurants schicken, die normalerweise nicht liefern.

Das britische Original heißt Deliveroo – nicht zu verwechseln mit der Berliner Plattform Delivery Hero. Die probierte unter dem Namen Urban Taste aber etwas ganz Ähnliches aus. Die Idee: Der moderne Mensch will nicht jeden Tag Pizza, Sushi oder Indisch essen, sondern auch mal ein Wiener Schnitzel oder was vom Äthiopier auf die Couch bestellen.

Weil die gehobenen Restaurants keine Fahrer zum Ausliefern unterhalten, schickt man ihnen einen Fahrradkurier vorbei. In der Theorie hat das den Charme, dass man kontrollieren kann, in welcher Qualität das Essen beim Kunden ankommt. Die Gerichte sind hochwertiger, die Provisionen höher. Aber der Service ist auch teuer. Kunden und Restaurants sind schwieriger zu digitalisieren als ein Lieferservice, der sich immerhin schon an das Telefon gewöhnt hat.

Foodora war noch lange nicht profitabel. Take Eat Easy auch nicht. Urban Taste schon gar nicht. Da beschloss Rocket, Take Eat Easy abzustoßen und Foodora an Delivery Hero zu verkaufen, wo Foodora wiederum die Marke Urban Taste schluckte.

Um bei Rocket groß zu werden, muss man schnell sein. Niklas Östberg, der Chef von Delivery Hero, zum Beispiel, war schnell. Mit dem Geld von Rocket Internet kaufte er den größten Anbieter der Türkei, heute einer der lukrativsten Märkte für das Unternehmen. Delivery Hero bereitet sich auf den Börsengang vor. Dafür muss das Unternehmen den potenziellen Investoren Gewinne in Aussicht stellen. Bis Ende des Jahres sollte die Gruppe eigentlich profitabel sein.


Selbst Uber startet einen Lieferservice

Jetzt aber muss Östberg erstmal Foodpanda integrieren. Das Unternehmen, das zuletzt 570 Millionen wert gewesen sein soll, schrieb 2015 noch Verluste von mehr als hundert Millionen Euro, im ersten Halbjahr dieses Jahres waren es bereits 40 Millionen Euro. Allzu hoch soll der Kaufpreis nicht gewesen sein. Insgesamt sind mehr als 300 Millionen Dollar in Foodpanda geflossen, Rocket hielt zuletzt 50 Prozent. Die erhielt Delivery Hero und gab im Gegenzug ein weiteres Prozent seiner Anteile an Rocket ab. Delivery Hero soll zuletzt mit drei Milliarden Euro bewertet worden sein.

Sollte die Plattform an die Börse gehen, könnte das eine Prozent mehr wert sein als die Hälfte von einer Firma, die keinem der großen Rivalen mehr gefährlich werden kann. Durch die Akquisition aber gewinnt Delivery Hero 20 neue Länder hinzu, insgesamt sollen es dann 47 Märkte sein. Und Größe kann Niklas Östberg gut gebrauchen für seine Börsenstory.

Der Konkurrent Lieferando gehört inzwischen zur niederländischen Takeaway Group, die gerade an die Börse ging. Aus Großbritannien drängen Just Eat und Deliveroo auf die gleichen Märkte wie Delivery Hero, Foodora und Foodpanda.

Erst am Montag ist in Wien Ubereats an den Start gegangen, der Essensableger der Silicon-Valley-Größe Travis Kalanick. Mehr als zwei Plattformen dieser Größenordnung könne der Markt auf Dauer nicht füttern, sagte Östberg kürzlich im Interview mit dem Handelsblatt. Das große Fressen ist noch nicht beendet.

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