Alle Jahre wieder wiederholt sich ein eingespieltes Ritual: Die Deutsche Fußball-Liga schreibt für die 36 Profi-Teams den Verkauf der Fernsehrechte an den mehreren hundert Partien der Ersten und der Zweiten Bundesliga aus. Alle Jahre wieder gehört zum Begleitkonzert, dass natürlich alle Vereine vor allem eins wollen: Mehr Geld. Und alle Jahre wieder herrscht heftiges Kopfnicken bei der Frage, ob dies nicht tatsächlich die wertvollsten TV-Inhalte sind, für die man als Interessent bieten kann und es herrscht Stirnrunzeln bei der Frage, ob denn in diesem Jahr tatsächlich einmal einer der großen Player aus Übersee – sprich: Amazon, Google oder Apple – erlössteigernd mitbieten wird.
So weit, so bekannt. Doch diesmal läuft vor allem eines völlig anders als in den vergangenen Jahren: Zum ersten Mal in der Historie der Rechteausschreibung legt das Bundeskartellamt ein Alleinerwerbsverbot fest. Das geisterte schon seit Beginn des Jahres durch die Debatte. Jetzt haben es die Beteiligten schwarz auf weiß; für morgen lädt die DFL nach Frankfurt, um die Ausschreibung ausführlich zu erläutern.
Fest steht eines indes schon jetzt: Das Münchner Abo-TV-Unternehmen Sky wird die Live-Rechte nicht mehr als einziger bekommen. Der Sinn der Übung: Das Kartellamt möchte – ähnlich wie das in anderen Märkten wie England oder Italien längst der Fall ist – größeren Wettbewerb schaffen.
Der Einnahmenmix der Bundesliga
Mit Spielertransfers nahm die Bundesliga 171 Millionen Euro ein. Das klingt nach viel Geld, entspricht aber nur sieben Prozent der Gesamteinnahmen.
Quelle: DFL, Saison 2013/14
Etwas mehr Geld floss aus dem Verkauf von Fanartikeln: 187 Millionen Euro. 7,6 Prozent der Bundesliga-Einnahmen stammten 2013/14 aus Schals, Trikots, Toastern oder Wecker mit dem Aufdruck der jeweiligen Lieblingsmannschaft.
249 Millionen Euro der Einnahmen (10,2 Prozent) kamen aus "sonstigen" Quellen.
Den Spieltag lassen sich die Fans etwas kosten: Tickets, Bier und Würstchen bescheren der Bundesliga 19,7 Prozent ihrer Gesamteinnahmen. 483 Millionen Euro kamen in der Saison durch die Einnahmen der Spieltage 2013/14 zusammen.
Mit Werbeplätzen nahm die Bundesliga 640 Millionen Euro in der Saison 2013/14 ein. Das sind 26,2 Prozent der Gesamteinnahmen.
29,3 Prozent der Gesamteinnahmen der Saison 2013/14 kamen aus dem Verkauf der Medienrechte: 717 Millionen Euro.
Ob diese Vorgabe der Wettbewerbshüter nun ein Foul an Sky bedeutet oder einen Freistoß? Zunächst mal bedeutet die Entscheidung aus Bonn, dass Sky jetzt nicht zwangsläufig einen riesigen Scheiterhaufen anzünden muss, um seine Werbepappen und Reklametafeln zu verbrennen, mit denen der Bezahlkanal bisher für „Alle Spiele, alle Tore“ geworben hatte. Sky, so dürfte das Kartellamt zu verstehen sein, ist es durchaus weiterhin erlaubt, die Live-Rechte für alle Partien der Ersten und Zweiten Liga einzukaufen. Mit ihnen kann Sky dann auch weiter werben – „Alle Spiele, alle Tore“ wäre weiter gültig.
Doch anders als bisher – und das ist der wesentliche Unterschied – wird Sky in diesem Fall nicht mehr der einzige Anbieter sein, der Live-Spiele zeigen darf. Denn das Kartellamt hat zusammen mit der DFL-Führung um Christian Seifert eine raffinierte Volte eingebaut.
Bekommt Sky den Zuschlag für alle Live-Rechte, ist die Liga verpflichtet, einem anderen Anbieter bis zu ein Drittel der Begegnungen für eine Liveübertragung im Internet und über Mobilfunkgeräte wie etwa Smartphones oder Tablet-Rechner anzubieten. Darüber hatte gestern bereits die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung berichtet. Die Deutsche Telekom oder wer auch immer könnte also parallel zu Sky ebenfalls zumindest einen Teil der Spiele zeigen.
Lassen sich Amazon und Co. locken?
Alternativ dazu kann allerdings auch das Szenario eintreten, dass Sky nur noch einen Teil der Live-Rechte erwirbt – beispielsweise den kompletten Samstag – und ein anderer Anbieter sich beim Rest bedient. Dann allerdings müsste bei Sky jemand die Streichhölzer suchen und den Scheiterhaufen für die Reklamepappen anfachen.
Was das für den jetzt anstehenden Verkaufsprozess bedeutet, lässt sich in zwei Worten sagen: höhere Mathematik. Es wird höllisch kompliziert. Die Sky-Führung muss sich genau überlegen, was ihnen das Recht wert ist, wirklich alle Spiele im Fernsehen live zeigen zu dürfen – mit der Einschränkung, dass ihr ein Wettbewerber auf einem noch nicht ganz so häufig genutzten Übertragungsweg wie dem Internet Konkurrenz macht. Es dürfte den Wert der Rechte für Sky ein Stück weit mindern.
Was aber folgt daraus für den Wert der tatsächlich noch exklusiven Rechtepakete, die Sky alternativ zum Komplettszenario kaufen könnte, die aber den Nachteil in sich tragen, eben nicht mehr vollständig zu sein?
Nicht wesentlich trivialer ist die Lage für die Liga: Nach welchem Modell fließt das meiste Geld an die Vereine? Wie groß ist der Druck auf Sky, Höchstpreise für alle Spiele zu bieten, wenn die Exklusivität eingeschränkt ist? Ist dieses Verfahren so angelegt, dass am Ende wirklich die erhofften mehr als ein Milliarde Euro für Bayern, Borussen und alle anderen fließen? In Frankfurt werden sie große Rechenschieber brauchen, um alle Varianten durch zu kalkulieren.
Hinzu kommt: Welche neuen Mitspieler lassen sich tatsächlich durch das neue Vergabe-Szenario in das Milliardenspiel hineinziehen? Denn dies ist die andere Dimension des spannenden Fußball-Pokers: Für DFL-Boss Christian Seifert ist diese eine Rechtevergabe zwar immens wichtig. Doch sie ist zugleich auch die letzte vor der nächsten, die 2020 ansteht. Seifert denkt meist ein paar Schritte weiter.
Ihm wäre es sicher sehr recht, wenn bereits in dieser Runde mindestens einer jener Akteure zumindest mit einem ersten Appetizer zum Zuge käme, dem man zutraut, in einigen Jahren mit richtig viel Geld zurückzukehren: Warum sollte nicht Amazon jetzt mal ein Probepaket Live-Spiele kaufen?
Für Sky wie für alle anderen Beteiligten steht damit zumindest eines fest: Noch nie war es so anspruchsvoll wie heute, das einfachste Spiel der Welt zu verkaufen.