Frachtdiebstahl Nachts kommen die Planenschlitzer

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Gefahrenzone Rastplatz

Die Täter durchsuchen Frachtbörsen, in denen Aufträge an Spediteure versteigert werden, nach interessanten Lieferungen. Sie kaufen insolvente Speditionsfirmen auf und nehmen, unter der Hülle des bekannten Firmennamens versteckt, Aufträge an. Den Schaden tragen später Auftraggeber und Versicherer. Oder sie bestechen gleich die Fahrer, die ihnen Informationen weitergeben.

Eine Schwachstelle sind dabei die Rastplätze: Rund 43.000 Lkw-Parkplätze gibt es nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums auf deutschen Rastplätzen, weitere 6000 sollen in dieser Regierungsperiode hinzukommen. Doch das reicht nicht: "Die Parkplätze sind überfüllt. Es fehlen in Deutschland tausende Stellplätze für Lastwagen", sagt Sicherheitsexperte Neumann. Und weil die meisten nicht einmal über eine Kameraüberwachung verfügen, können sich die Diebe dort in der Nacht ungestört zwischen den Lkw hin und her bewegen und sich die wertvollste Ladung aussuchen.

Kriminalstatistik

Doch den Fahrern bleibt keine andere Wahl, als dort zu parken: Die deutschen Gesetze schreiben vor, dass die Fahrer regelmäßig pausieren und ihre Nachtruhe einhalten. Wer nur eine Viertelstunde zu lange unterwegs ist, riskiert Strafen. Die Fahrer geraten dabei auf der Suche nach einem sicheren Parkplatz immer wieder unter Zeitdruck.

Ohnehin gibt es in Deutschland kaum Rastplätze mit besonderen Sicherheitsvorkehrungen, wie der automatischen Erfassung von Kennzeichen und Fahrern oder auch nur einem sicheren Zaun. Der Verband European Secure Parking Organisation, kurz ESPORG, zählt in Deutschland genau zwei: Den Autohof Wörnitz an der A7 in Bayern und den Rasthof Uhrsleben in der Nähe von Magdeburg an der A2. "Das sind zu wenige", sagt Ronny Pflug, ehemaliger Besitzer des Autohofs Wörnitz und Gründer von ESPORG.

Die Zahl der Frachtdiebstähle in Deutschland steigt (zum Vergrößern bitte anklicken)

Fort Knox an der Autobahn

Unternehmer wie Frits Oudhof möchten das ändern. Früher war der Niederländer als Wein- und Olivenhändlern auf Europas Straßen unterwegs. Oft genug hat er sich über die fehlende Parkplätze geärgert. Heute will er selbst welche bauen.

Der Niederländer ist überzeugt, um die Diebesbanden zu stoppen braucht es eine Art „Fort Knox“ an der Autobahn. Mit seinem Unternehmen „Safe Haven Europe“ will er diese Festungen errichten. Seine Parkplätze sollen umzäunt sein, von Kameras und Sicherheitspersonal überwacht, alle Lkw-Fahrer müssen sich vorher anmelden und werden per Kamera und Fingerscan erfasst. Dafür erwartet sie ein Rundumservice, mit Duschen, Waschmaschinen und Fitnessräumen. 450 Stellplätze soll es mindestens pro Standort geben, die Fahrer sollen zwei Euro pro Stunde für die sicheren Parkplätze zahlen. Zusätzlich will Oudhof Einnahmen durch die geplanten Tankstellen und Restaurants sammeln.

Bisher allerdings gibt es diese Festungen nur auf dem Papier: Safe Haven Europe hat zwar schon einige Baugenehmigungen, in Deutschland für Egestorf an der A7, zwischen Hannover und Hamburg, und für Bornstedt in der Nähe von Magdeburg an der A2. Auch die Baupläne gibt es schon. Doch bisher fehlt dem Unternehmen das Geld, um sein Projekt umzusetzen. Denn alleine um zu beweisen, dass sein Plan funktioniert, braucht Oudhof schon 130 Millionen Euro. Davon will er fünf Parkplätze bauen, darunter die beiden in Deutschland. 30 Millionen Euro seien schon zugesagt, so Oudhof. Doch ohne weitere finanzstarke Investoren, die an seine Idee glauben, kann er sein Projekt nicht umsetzen.

Doch die Geldgeber sind vorsichtig: Für die Transportbranche, in der oft jeder Cent zählt, ist bezahltes Parken ein Luxus, den sich Unternehmer nicht immer leisten können.

"Die Investoren halten sich zurück", bestätigt Ronny Pflug. Seinen Autohof Wörnitz konnte er nur mit Unterstützung der EU zur Sicherheitszone umrüsten. Er profitierte von einem Förderprojekt, dass die EU nach ihrer ersten großen Studie zur Frachtkriminalität aufsetzte. Doch seitdem ist das Problem in der Politik wieder in den Hintergrund geraten.

Die Spediteure greifen deshalb zur Selbsthilfe: Sie rüsten ihre Container mit bruchsicheren Schlössern aus, bauen GPS-Sender in die Lkw ein, oder Gasdetektoren in die Fahrerkabinen. Solange es keine sicheren Parkplätze gibt, sollen die Diebe zumindest so abgeschreckt werden.

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