Freenet-Chef Christoph Vilanek »Ein dritter Anlauf wird extrem schwer«

Der Chef des Mobilfunkanbieters Freenet, Christoph Vilanek, glaubt an ein Comeback des abgestürzten Handyherstellers Nokia. Doch die neuen Smartphones der Finnen kommen zu spät für eine Aufholjagd im bevorstehenden Weihnachtsgeschäft.

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WirtschaftsWoche: Herr Vilanek, Marktforscher erwarten, dass Smartphones der Renner im Weihnachtsgeschäft werden. Alle Hersteller kommen mit neuen Modellen und rüsten zur Werbeschlacht. Wie viele Neugeräte haben Sie sich schon angeguckt?

Christoph Vilanek (lacht): Irgendwann habe ich mit dem Zählen aufgehört. Natürlich habe ich mir fast alle Smartphones, die in den nächsten vier Monaten in die Läden kommen, genau angesehen. Ich schätze, dass ich wahrscheinlich 20 neue Geräte in der Hand hatte und ausprobieren konnte.

Was sagt Ihr Gespür? Welche Smartphones werden Ihnen in den kommenden Wochen aus den Händen gerissen?

An Apple und Samsung kommt kein Smartphone-Verkäufer vorbei. Apple wird mit dem iPhone 5 ganz sicher eine große Rolle im Weihnachtsgeschäft spielen. Auch Samsung wird ganz stark sein, obwohl die Koreaner aktuell auf die ganz großen Innovationen verzichten.

Das hört sich so an, als gäben Sie angeschlagenen Herstellern wie Nokia und Sony wenig Chancen, Marktanteile zurückzuerobern?

Nokia startet mit den neuen Lumia-Geräten relativ spät ins Weihnachtsgeschäft, aber deshalb werde ich die Finnen nicht abschreiben. Als langjähriger Vertriebspartner haben wir ein großes Interesse daran, dass Nokia wieder erfolgreich ist. Das Gerät ist hervorragend, ich traue den Finnen mindestens einen Achtungserfolg zu. Ich glaube aber, dass Nokia nicht sofort im Weihnachtsgeschäft zur alten Stärke zurückfinden wird. Wenn Nokia halbwegs vernünftige Stückzahlen im November und Dezember verkauft, dann besitzen sie für 2013 eine gute Basis, Marktanteile zurückzugewinnen. Aber im Weihnachtsgeschäft wird sich an den Marktanteilen wenig ändern.

Übersicht zum Absatz von Smartphones (zum Vergrößern bitte Bild anklicken)

Auch Sony ist abgerutscht. Gelingt den Japanern ein Comeback?

Das ist noch schwerer einzuschätzen. Die Frage wird sein, wie stark Sony vom neuen James-Bond-Film „Skyfall“ profitiert, der am 23. Oktober in die Kinos kommt. Im Film sind die neuen Smartphones geschickt platziert, auch die Werbekampagne baut darauf auf. Sony peilt Platz zwei im Smartphone-Markt an und hat in den vergangenen Monaten auch große Fortschritte gemacht. Aber ob das schon ausreicht, um zu Apple und Samsung vollständig aufschließen zu können, da bleiben bei mir Zweifel.

Welche Schlussfolgerung ziehen Sie als Großeinkäufer aus dieser Situation? Als Chef von 550 mobilcom-debitel-Shops und Großdistributor für 5.000 Fachhändler entscheiden letztlich doch Sie darüber, welche Smartphones die besten Regalplätze im Handel bekommen, und damit auch über Erfolg oder Misserfolg.

Entscheidend sind weniger die Regalplätze, sondern die Empfehlungen, die ein Verkäufer einem Kunden gibt. Eine von uns in Auftrag gegebene Umfrage bei Kunden, die gerade ein Handy gekauft hatten, kommt zu einem auch für uns sehr überraschenden Ergebnis: Nur jeder vierte Kunde war vor dem Betreten des Ladens auf ein Gerät festgelegt. Drei Viertel schwankten noch zwischen verschiedenen Geräten und hörten sich die Empfehlungen des Verkäufers genau an.

Samsung profitiert vom hohen Bekanntheitsgrad

Das sind die größten iPhone-Rivalen
Nokia Lumia 920Plattform - Windows 8: Hervorragende Kamera, die ähnlich gute Bilder wie die 41-Megapixel-Kamera in Nokias Pureview 808 liefert. Dank neuer Stabilisatortechnik sollen Wackelbilder vermieden werden. Ebenfalls positiv ist die kabellose Ladestation in Form eines Kissens, auch wenn das Laden mit dem Kabel immernoch deutlich schneller geht. Wie viel das neue Gerät kosten soll, wurde bei der Präsentation in New York Anfang September noch nicht verraten. Quelle: REUTERS
Samsung Galaxy S3Plattform - Android: Die aktuellste Smartphone-Version von Samsung ist seit März 2012 auf dem Markt. Das Gerät verfügt über ein 4,8 Zoll großes HD-Display und eine 8-Megapixel-Kamera mit Autofokus und LED-Blitz. Neben Fotos und Videos sind auch Videokonferenzen mit der Frontkamera möglich. Es ist in einer 16-GB- und einer 32-GB-Ausführung erhältlich. Schwächen: Sowohl die Spracherkennung "S-Voice" als auch eine erweiterte Gestensteuerung funktioniert nur bedingt. Außerdem macht das Smartphone ausgerechnet beim telefonieren Mätzchen. Störende Hintergrundgeräusche werden nicht gut gefiltert. Die Sprachqualität ist entsprechend deutlicher schlechter als bei anderen Anbietern. Quelle: dpa
Motorola RazrPlattform - Android: Gleich drei neue Modelle aus der Reihe Razr stellte Motorola im September 2012 vor: die größeren Droid Razr HD und Droid Razr Maxx HD sowie das etwas kleinere Droid Razr M. Angeblich sollen die Modelle über eine längere Speicherlaufzeit, hochauflösende Displays und eine schnelle LTE-Datenübertragung verfügen. Das kompakte und flache Razr M startet mit Zwei-Jahresvertrag bei 99 Dollar - die Hälfte des Preises eines Apple iPhone 4S. Ob das Smartphone jedoch überhaupt in Deutschland erhältlich sein wird, ist bisher nicht geklärt. Quelle: dapd
HTC 7 Mozart
LG Optimus Chic
Blackberry Torch 9800
Apple iPhone

Und welche Geräte empfehlen Ihre Verkäufer?

Das hängt sehr stark davon ab, von welchem Gerät die Verkäufer überzeugt sind. Verkäufer gehen immer den Weg des geringsten Widerstandes. Wenn jemand ein iPhone will, dann bekommt er das. Ich komme gerade aus meinem Düsseldorfer Shop. Ich habe den Verkäufer dort gefragt: Was verkaufst du gerade? Die Antwort war Samsung. Der Verkäufer kann relativ sicher sein, dass der Kunde das Gerät nimmt. Denn die meisten Unentschlossenen haben den Namen Samsung schon gehört. Früher hat Nokia von seinem hohen Bekanntheitsgrad profitiert, jetzt ist es Samsung.

Das heißt: Abgestürzte Hersteller wie Nokia oder Newcomer wie Huawei aus China müssen zuerst die Herzen der Verkäufer erobern.

Hersteller mit neuen Geräten und neuen Marken müssen sich sehr konkret überlegen, wie sie mit den Verkäufern zusammenarbeiten. Sie müssen Promotion-Aktionen im Laden starten, die Verkäufer mit Erfolgsprämien anstacheln, die besten Regalflächen im Laden anmieten und in den Werbeprospekten von uns und großen Handelsketten wie Media Markt und Saturn prominent platziert sein, damit sich ein neues Gerät gut verkauft. Und, ganz wichtig: Sie müssen den Vertriebspartnern einen guten Preis, sprich Rabatt, anbieten. Dieser Rabatt ist in der Mobilfunkbranche letztlich der Werbekostenzuschuss, den ein Handyhersteller einem Händler gewährt.

Nokia stellt neues Lumia Smartphone vor

Wie müssen wir uns das vorstellen?

Der simpelste Rabatt ist ein Geräte-Bonus. Sobald ein Verkäufer fünf Smartphones einer Marke verkauft hat, bekommt er eines als Prämie geschenkt. Ich habe die früher sehr oft angewandte Methode in unseren Shops jetzt allerdings unterbunden. Denn die Verkäufer bieten das Gratisgerät ganz schnell bei Ebay zum Verkauf an. Wir wollen, dass der Mitarbeiter sich mit dem Gerät beschäftigt und nicht sein Prämiengerät gleich am ersten Tag bei Ebay verkauft, weil er dann den besten Preis erzielt.

Welche Hersteller gewähren besonders hohe Werbekostenzuschüsse?

Die Hersteller, die dringend Verkaufserfolge brauchen, geben mehr aus als andere. Bei Apple müssen Sie sich qualifizieren, damit Sie das iPhone überhaupt verkaufen dürfen. Wir müssen sogar selbst relativ viel in die Schulung der Mitarbeiter und in die Einbauten im Shop investieren, um iPhones verkaufen zu dürfen.

Schafft Nokia das Comeback?

Was die neuen Smartphones bieten
Samsung hat auf der IFA das Galaxy Note 2 vorgestellt. Der Nachfolger des Galaxy Note der ersten Generation läuft bereits mit Android 4.1alias Jelly Bean, hat einen schnelleren Prozessor, ein größeres Display und eine verbesserte Stiftbedienung erhalten. Das Display mit Super-Amoled-Touchscreen misst jetzt 5,55 Zoll in der Diagonalen. Beim Vorgänger waren es noch 5,3 Zoll.  Quelle: dapd
Vor allem die Stiftbedienung will Samsung bei dem Galaxy Note 2 verbessert haben. Der erweiterte S Pen soll präziser sein und arbeitet druckempfindlich. Es handelt sich dabei um einen Digitizer-Stift von Wacom. Ab einer Entfernung von 14 mm vom Display kann er zur Bedienung verwendet werden. Auch sonst denkt der Stift jetzt mit: Wird es aus seinem Schacht gezogen, startet automatisch die passende Stiftanwendung. Das Galaxy Note 2 soll im Oktober auf den Markt kommen. Samsung selbst nannte keinen Preis, der Vorgänger kostete 700 Euro ohne Vertrag. Wie das Portal golem.de berichtet, soll ein Preisschild auf dem Vodafone-Messestand einen Preis von 640 Euro ohne Vertrag zeigen. Quelle: dpa
Doch das Galaxy Note 2 ist nicht die einzige Smartphone-Neuheit von Samsung auf der diesjährigen IFA. Die Koreaner haben auch das Ativ S vorgestellt, das erste Samsung-Smartphone mit dem Betriebssystem Windows Phone 8. Das ist Fakt, ansonsten ist noch relativ wenig über das Ativ S bekannt. Das Gerät soll über einen nicht näher benannten Dual-Core-Prozessor mit 1,5 GHz und 1 Gigabyte RAM verfügen. Es ist mit einem 4,8 Zoll großen HS-Super-Amoled-Display ausgestattet, die Auflösung sollte dem Namen nach bei 1.280 x 720 Pixel liegen. Quelle: rtr
Soviel ist klar: An der Windows Phone 8-typischen Kachel-Optik wird sich nichts ändern. Das Bild zeigt auch eine 1,9-Megapixel-Kamera an der Vorderseite zur Video-Telefonie, hinten gibt es eine 8-Megapixel-Kamera. Laut eigenen Angaben will Samsung das Ativ S in zwei Varianten anbieten, mit 16 und 32 Gigabyte Flash-Speicher. Zudem gibt es einen Steckplatz für MicroSD-Karten. Preise und ein Datum für den Marktstart nennt Samsung noch nicht. Quelle: Presse
Mit dem Desire X nimmt HTC ein weiteres Mittelklasse-Smartphone in sein Programm auf. In dem Android-Gerät (Version 4.0) arbeitet ein 1 GHz schneller Dualcore-Prozessor. Im Gegensatz zu vielen anderen Smartphones ist der Akku austauschbar. Die große Stärke des Desire X liegt laut HTC in seiner 5-Megapixel-Kamera. Von der reinen Auflösung her bieten andere Hersteller mehr. Aber das Desire X soll auch noch bei schlechten Lichtbedingungen gute Aufnahmen machen. Zudem bietet der von HTC eigens entwickelte Bildsensor gleichzeitig Fotos und Videos aufnehmen können. Wie dann deren Qualität ausfällt, kann jeder Kunde bald selbst ausprobieren: Das Desire X soll noch im September für 299 Euro in den Handel kommen. Quelle: Presse
Das Huawei Ascend D1 Quad XL ist eigentlich ein alter Bekannter. Das Android-Smartphone wurde bereits auf dem Mobile World Congress im Februar 2012 gezeigt, aber seitdem war davon nicht mehr viel zu hören. Nun will Huawei das Smartphone Ende Oktober 2012 in Deutschland anbieten. Ohne Vertrag wird das neue Topmodell 500 Euro kosten. Wer bereits auf der IFA einen Blick auf das Ascend D1 werfen will: Huawei hat seinen Auftritt in Halle 9, Stand 314. Quelle: Presse
Auch LG zeigt zwei neue Smartphones an seinem Stand. Nummer eins ist das Optimus L9, dessen Erscheinungsbild sich an die Vorgänger L5 und L7 anlehnt. Im Gehäuse arbeitet ein 1,0 GHz starker Dual-Core-Prozessor, dem 1,0 Gigabyte Arbeitsspeicher zur Seite stehen. Der interne Speicher ist mit 4 Gigabyte etwas knapp bemessen, lässt sich aber mit MicroSD-Karten erweitern. Das Highlight des L9 soll der „QTranslator“ sein. Das Programm übersetzt 44 Sprachen von einem Foto in die jeweilige Sprache des Nutzers. Erscheinungstermin und Preis gab LG noch nicht bekannt. Quelle: Presse

Dafür bekommen Sie einen Selbstläufer.

Korrekt. Auch Samsung gibt uns relativ wenig Prämien und Werbekostenzuschüsse, weil sie den Verkauf nicht zusätzlich stimulieren müssen. Aber all die anderen, etwa Sony und Nokia sowie der Newcomer Huawei geben sehr viel Geld aus, um im Shop präsent zu sein und in die Köpfe der Verkäufer zu kommen...

...die dann die Kunden einlullen.

Ich sehe darin nichts Ehrenrühriges. Dieses Geld ist vernünftiger investiert als in klassische Werbung im Fernsehen und in Plakate. Hersteller, die ihren Bekanntheitsgrad erhöhen wollen, gehen ins Fernsehen. Wer den Verkaufserfolg organisieren will, investiert in die Präsenz in den Shops.

Nokia plant beides. Wie groß ist die Chance, dass ein Comeback gelingt und sie zu den beiden Marktführern aufschließen?

Mir fällt es sehr schwer, Wetten auf einzelne Hersteller abzuschließen. Ich glaube, dass Nokia die Kraft zu einem Comeback hat. Die spannende Frage ist: Schaffen sie es dieses Mal? Wenn nicht, wird es extrem schwer. Denn der Handel wird dann sagen: Ihr habt es zwei Mal versucht, jetzt warten wir erst mal ab.

Demnach müssten Nokia und der amerikanische Softwarekonzern Microsoft, dessen Betriebssystem die Finnen nutzen, Sie bei Freenet jetzt mit Geld zuschütten, damit Ihre Verkäufer möglichst viele der neuen Lumia-Smartphones verkaufen.

Das tun die beiden auch.

Wie viel Geld fließt denn?

Die genauen Vertragskonditionen darf ich Ihnen nicht verraten. Aber ich gebe Ihnen mal eine generelle Größenordnung für die Branche: Für jeden Euro, den wir selber für den Einkauf von Geräten ausgeben, bekommen wir bis zu 30 Cent als Werbekostenzuschüsse der Hersteller. Im Prinzip ist das ein Rabatt von 30 Prozent. Dazu kommen in manchen Fällen noch Regalmieten und Werbegelder, wenn wir in unseren eigenen TV-Kampagnen und Zeitungsanzeigen zum Beispiel die neuen Lumia-Geräte zeigen. Unter dem Strich kann man sagen, dass einige der Hersteller, die Marktanteile zurückgewinnen wollen, bis zu 50 Prozent des Einkaufspreises eines Gerätes als Zuschüsse und Werbegelder investieren müssen – was auch vermutlich für den Bereich Konsumgüter durchaus normal ist.

Aus der Branche ist zu hören, dass dies längst nicht alles ist. Nokia soll sogar eine Rücknahmegarantie abgegeben haben, falls die Geräte die geplanten Verkaufszahlen verfehlen.

Nokia ist im Moment sicherlich sehr flexibel und übernimmt einen großen Teil der Risiken der Markteinführung und kommt den größten Partnern hinsichtlich Abnahmeverpflichtung, Zahlungszielen und möglicher Preisreduzierungen sehr entgegen. Aber Nokia bekommt im Moment auch sehr gutes Feedback für die neuen Geräte.

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