Plus fünf Prozent mehr Geld.
Ja, aber jeder weiß, dass sich eine Gewerkschaftsforderung in der Regel nicht eins zu eins im Tarifabschluss niederschlägt. Eine Stunde Arbeitszeitverkürzung entspricht einer Lohnerhöhung von 2,6 Prozent, das ist uns sehr wohl bewusst. Dass wir nicht nahe fünf Prozent abschließen, wenn es zu einer sinkenden Arbeitszeit kommt, ist doch logisch.
Würden Sie notfalls ganz auf eine Arbeitszeitverkürzung verzichten?
Nein. Wir wollen die Ressource Arbeit bei der Bahn absichtlich verknappen, um den Druck auf die Gegenseite zu erhöhen, neue Leute einzustellen. Die Bahn versucht ja seit Langem, über Langzeitkonten ihre riesigen Personallücken zu verdecken. Es sind mittlerweile drei Millionen Überstunden bei den Lokführern aufgelaufen und eine Million bei den Zugbegleitern.
Was haben die GDL die Streiks im vergangenen Jahr gekostet?
Die Rechnung ist einfach. Bei Warnstreiks wird nichts gezahlt. Unsere längere Streikaktion lief über drei Tage. Rund 3000 Kollegen haben dabei pro Tag die Arbeit niedergelegt. Jeder erhält maximal 50 Euro pro Tag an Streikunterstützung. Macht also insgesamt 450 000 Euro...
...die Ihr Dachverband, der Deutsche Beamtenbund (DBB), tragen will.
Moment! Zunächst gehen wir komplett in Vorleistung. Auf Antrag und unter gewissen Vorbedingungen gibt es dann Mittel aus einem Unterstützungsfonds des DBB. Die Erfahrung früherer Arbeitskämpfe zeigt, dass wir am Ende etwa die Hälfte unserer Streikkosten erstattet bekommen.
Das sind die Bahngewerkschaften GDL und EVG
Die 1867 als Verein Deutscher Lokomotivführer gegründete GDL hat rund 34.000 Mitglieder. In ihr sind nach Gewerkschaftsangaben rund 80 Prozent der Lokführer bei der Deutschen Bahn und zahlreiche Zugbegleiter organisiert. Die GDL gehört dem Deutschen Beamtenbund an.
Die EVG entstand 2010 aus der Fusion von Transnet und GDBA und hat rund 210.000 Mitglieder. Die Vorgängerin Transnet wurde 1896 gegründet und gehörte zum Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Die 1948 gegründete Gewerkschaft Deutscher Bundesbahnbeamter und Anwärter (GDBA) hatte Mitglieder aus allen Sparten von Bahn bis Bus. Sie gehörte dem Deutschen Beamtenbund an, kooperierte zuletzt aber in einer Tarifgemeinschaft mit Transnet.
Sind die Finanzen der GDL denn so in Ordnung, dass Ihnen das nicht weh tut?
Absolut. Wir sind eine sehr alte Gewerkschaft und haben im Lauf der Jahrzehnte ein beachtliches Vermögen aufbauen können, Immobilienbesitz inklusive. Die GDL-Zentrale in Frankfurt gehört uns, dazu haben wir eine – zum Teil vermietete – Immobilie in Halle.
Wenn es bei der Bahn künftig zwei Tarifverträge gibt, woher soll der Arbeitgeber dann wissen, welcher Mitarbeiter unter welchen Vertrag fällt? Seine Gewerkschaftsmitgliedschaft will ja sicher nicht jeder dem Chef brühwarm mitteilen. Und nach einem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts muss man das auch nicht.
Das ist auch gar nicht nötig. Die betroffenen Arbeitnehmer müssen dem Arbeitgeber lediglich erklären, unter welchen Tarifvertrag sie fallen wollen. Damit geben sie keinen Hinweis auf ihre Mitgliedschaft. So wird es bereits bei einigen privaten Bahnunternehmen praktiziert.
Und dann wählt man sich das Weihnachtsgeld von der GDL und das Urlaubsgeld von der EVG? Ein solches System lädt doch zum ständigen Tarifhopping ein – ein bürokratisches Horrorszenario für den Arbeitgeber.
Theoretisch ja. Das Problem lässt sich aber durch klare Regelungen ausschließen. Rosinenpickerei wollen wir nicht. Man könnte zum Beispiel festlegen, dass der Wechsel von einem Tarifvertrag zum anderen nur einmal im Jahr möglich ist.
Wie ist derzeit das Verhältnis zu Ihrer Konkurrenzgewerkschaft EVG? Ist das Tischtuch komplett zerschnitten?
Es gibt kein Verhältnis. Die gewerkschafts- und tarifpolitischen Philosophien sind völlig konträr. Und aus dem Dilemma kommen wir auch nicht mehr raus.