Die Lokführergewerkschaft GDL lässt die Bahnkunden weiter zappeln. Sie nennt noch immer keinen konkreten Zeitpunkt für ihren angekündigten nächsten Streik. Zum Wochenende aber müssen Reisende wohl noch nicht mit einem Ausstand rechnen.
Es gebe keinen neuen Sachstand seit den Beschlüssen der Tarifkommission und des Vorstands vom Mittwoch, erklärte am Freitag ein Sprecher der Gewerkschaft in Frankfurt. Da die GDL allerdings versprochen hatte, Fahrgäste rechtzeitig zu informieren, dürfte ein Streik an diesem Wochenende eher unwahrscheinlich sein.
Das sind die Bahngewerkschaften GDL und EVG
Die 1867 als Verein Deutscher Lokomotivführer gegründete GDL hat rund 34.000 Mitglieder. In ihr sind nach Gewerkschaftsangaben rund 80 Prozent der Lokführer bei der Deutschen Bahn und zahlreiche Zugbegleiter organisiert. Die GDL gehört dem Deutschen Beamtenbund an.
Die EVG entstand 2010 aus der Fusion von Transnet und GDBA und hat rund 210.000 Mitglieder. Die Vorgängerin Transnet wurde 1896 gegründet und gehörte zum Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Die 1948 gegründete Gewerkschaft Deutscher Bundesbahnbeamter und Anwärter (GDBA) hatte Mitglieder aus allen Sparten von Bahn bis Bus. Sie gehörte dem Deutschen Beamtenbund an, kooperierte zuletzt aber in einer Tarifgemeinschaft mit Transnet.
Auch die Bahn teilte keinen neuen Sachstand mit. Eine Sprecherin verwies auf Aussagen vom Donnerstag, als Personalvorstand Ulrich Weber angekündigt hatte: „Ja, wir reden miteinander, wir sind in Kontakt.“ Das bundeseigene Unternehmen werde sich bemühen, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen, hatte er versprochen.
Dass es grundsätzlich neue Streiks geben soll, hatte die GDL am Mittwoch beschlossen. Sowohl den Starttermin als auch die geplante Dauer ließ sie aber zunächst offen. Es wäre der mittlerweile siebte Ausstand im laufenden Tarifkonflikt.
Was die GDL erreichen will
Wie immer geht es zwischen Arbeitgeber und den Gewerkschaften um Einkommen, Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen. Das Besondere an diesem Tarifkonflikt ist jedoch, dass zusätzlich die GDL (34 000 Mitglieder) mit der viel größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG (210 000 Mitglieder) um die Vertretungsmacht bei einem Teil der Belegschaft konkurriert. Die Bahn wiederum will Tarifkonkurrenz vermeiden. Für eine Berufsgruppe soll ihrer Meinung nach nur ein Tarifvertrag gelten.
Die GDL will die Verhandlungsmacht auch für rund 8800 Zubegleiter, 2500 Gastronomen in den Speisewagen, 3100 Lokrangierführer sowie 2700 Instruktoren, Trainer und Zugdisponenten. Das macht zusammen 17 100 Mitarbeiter. Mit den rund 20 000 Lokführern bildet die GDL daraus die Gruppe „Zugpersonal“ mit 37 000 Mitarbeitern. In dieser Gruppe habe sie die Mehrheit der Mitglieder. Die EVG hält von der GDL vorgenommene Zusammenführung für willkürlich und bezweifelt deren Zahlenangaben.
Das ist der heikle Punkt, weil die Gewerkschaften aus dem Organisationsgrad ihr Verhandlungsmandat für die jeweiligen Berufsgruppen ableiten. Wer stärker ist, soll in Tarifverhandlungen das Sagen haben. Die Frage ist jedoch, welche Organisationseinheit man dabei betrachtet: Einen Betrieb, ein Unternehmen im Konzern, eine Berufsgruppe? Je nach dem kann die Mehrheit mal bei der einen, mal bei der anderen Gewerkschaft liegen.
Bei den Lokführern ist die Sache klar: 20.000 sind bei der Bahn beschäftigt. Die GDL reklamiert 78 Prozent von ihnen als ihre Mitglieder, das wären etwa 15.500. Die EVG gibt ihre Mitgliederzahl unter den Lokführern mit 5000 an, davon seien 2000 Beamte. Das geht nicht ganz auf, selbst wenn alle Lokführer gewerkschaftlich organisiert wären. Aber: Das Kräfteverhältnis ist eindeutig, drei zu eins für die GDL. Schwieriger und umstritten ist es bei den übrigen rund 17.000 Mitarbeitern, die nach GDL-Definition zum Zugpersonal zählen. Die EVG sagt, 65 Prozent der Zugbegleiter und 75 Prozent der Lokrangierführer seien bei ihr organisiert. Das wären zusammen allein bei diesen beiden Berufsgruppen 9860 Beschäftigte. Die GDL macht eine andere Rechnung auf: 37.000 Beschäftigte (inklusive Lokführer) gehörten zum Zugpersonal. Davon seien 19.000 GDL-Mitglieder, das sei eine Mehrheit von 51 Prozent.
Für die GDL ist das sehr bedeutsam. Denn ein solches Gesetz könnte ihre Handlungsmöglichkeit einschränken. Möglicherweise verlöre sie in bestimmten Ausgangslagen das Streikrecht. Damit wäre die GDL wie andere Berufsgewerkschaften in ihrer Existenz bedroht. Die GDL hat bereits angekündigt, dass sie ein solches Gesetz vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen würde.
Streiks in rascher Folge, Lähmung des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft sollen erschwert werden. Die Diskussion hatte durch ein Urteil des Bundesarbeitsgerichtes schon vor vier Jahren an Fahrt gewonnen. Die Richter stärkten die Tarifvertrags-Vielfalt und die Konkurrenz unter großen und kleinen Gewerkschaften. Der Grundsatz „Ein Betrieb - ein Tarifvertrag“ wurde damals hinfällig.
Der Fahrgastverband Pro Bahn forderte angesichts der zuletzt erfolglosen Verhandlungen den Einsatz eines externen Vermittlers. „Für die Fahrgäste ist die ganze Situation alles andere als lustig“, sagte Verbandssprecher Gerd Aschoff der „Passauer Neuen Presse“ (Freitag). Viele Menschen fragten sich, „ob bei diesem Tarifstreit überhaupt noch jemand durchblickt, und wünschen sich einen Schlichter“.
Das sei zwar rechtlich problematisch, räumte Aschoff ein. „Aber eine Moderation, eine Mediation - das wäre schon vorstellbar.“ Als mögliche Kandidaten nannte er den früheren Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi, Karl Heinz Daehre, den früheren Verkehrsminister von Sachsen-Anhalt, oder Ex-EKD-Chef Nikolaus Schneider.
Auch der Vorsitzende des Beamtenbunds, Klaus Dauderstädt, brachte in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ eine Schlichtung ins Spiel. Der Deutsche Bahnkunden-Verband hatte am Donnerstag im „Münchner Merkur“ bereits gefordert, künftig Fahrgastvertreter bei Tarifgesprächen miteinzubeziehen.
Die Lokführer hatten im Herbst bereits sechs Mal gestreikt und dabei die Dauer des Ausstands stets verlängert. Der Zugverkehr wurde bundesweit stark eingeschränkt.
In der vorigen Woche erklärte die GDL die Tarifverhandlungen abermals für gescheitert. Zur Begründung hieß es, die Bahn sei von ihrer Zusage aus dem Dezember abgerückt, dass die GDL eigenständig und unabhängig von der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) verhandeln dürfe. Über inhaltliche Forderungen der GDL nach kürzerer Arbeitszeit und 5 Prozent mehr Geld wurde noch nicht gesprochen.