Gemeinwohl Die Deutschen misstrauen der Unternehmenselite

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Die Unternehmerschaft im Detail

Nach der VW-Affäre unterstellen die Deutschen keinem der abgefragten 89 Unternehmen solch großen sozialen Einsatz wie dem Autozulieferer Robert Bosch. Die Stuttgarter legen Wert auf Gemeinwohl bei der Unternehmenskultur, im Arbeitsalltag und bei den Produkten. Und in Zahlen? „In all das investieren wir kontinuierlich, eine genaue Angabe können wir dazu aber nicht machen“, sagt ein Sprecher.

Eine der Begründungen zur hohen Wertschätzung von Bosch in der Studie dürfte aber die gleichnamige Stiftungskonstruktion sein, die zu den großen unternehmensverbundenen Stiftungen in Europa gehört. Sie hält rund 92 Prozent der Geschäftsanteile an der Robert Bosch GmbH, finanziert sich aus den Dividenden, die sie aus dieser Beteiligung erhält, und investiert jährlich rund 70 Millionen Euro in die Förderung von rund 800 eigenen und fremden Projekten zur Völkerverständigung, Bildung, Gesellschaft und Kultur sowie Gesundheit und Wissenschaft.

Mit gut fünf Milliarden Euro Gesamtvermögen ist die Stuttgarter Robert Bosch Stiftung mit Abstand die größte Stiftung in Deutschland. Ähnliche finanzielle Möglichkeiten haben nur die Stiftungen des Medienkonzerns Bertelsmann – und die des Autobauers Volkswagen. Und diese Größe hilft: 40 Prozent der Deutschen kennen die Robert Bosch Stiftung dem Namen nach, drei Viertel von ihnen sehen die Arbeit der Stiftung positiv.

Die Top Ten der Unternehmen sind damit nach Bosch die „Süddeutsche Zeitung“ (25 auf der Gesamtliste), dm-Drogeriemärkte (27), Edeka Zentrale (32), Sparkassen (34), „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (35), Borussia Dortmund (36), Daimler (38), BMW (39) und Deutsche Post (41).

Gemeinwohl als PR-Strategie von Großkonzernen?

Andre Habisch hat sich als Volkswirt und Theologe mit diesem Thema beschäftigt. Er kommt zu dem Schluss: „Viele sich selbst lobende Unternehmen mit hohen Governance-Ansprüchen und schönen CSR-Berichten haben sich bei genauerer Analyse schon als Luftikusse erwiesen.“ Oft läge das daran, dass „sich in den entsprechenden Abteilungen zwar aufrechte Leute um diese Art Wertschöpfung bemühen, sie aber von der Vorstandsetage ausgebremst werden“.

Dabei gehe es auch anders. Zum Beispiel bei BASF, der Nummer 59 im Gesamtranking. Der weltgrößte Chemiekonzern investiert in soziale Projekte, die sich auf Dauer selbst tragen sollen. Die Chemiker zeigen klare Kante: Sie fördern ausschließlich im Umfeld ihrer Standorte Projekte und Vereine in Ludwigshafen und der Metropolregion Rhein-Neckar. Also den Wohngebieten der Mitarbeiter und der von den Nachteilen chemischer Produktion betroffenen Anlieger. Aber BASF denkt auch über den regionalen Tellerrand hinaus und sucht für besseres Management den Kontakt zu branchenfremden, klugen Köpfen.

Gutes Gewissen: Unter den Unternehmen trauen die Deutschen Bosch am meisten. Quelle: Presse

Habisch lobt die Ludwigshafener, die als Chemieindustrie Jahrzehnte länger als andere Branchen unter Druck stehen. „BASF hat mit dem sogenannten Wittenberg-Dialog eine einflussreiche, interdisziplinäre Veranstaltungsreihe gestartet, ganz ohne den Dialog in der Öffentlichkeit als PR-Instrument zu nutzen.“ Die Runde beschäftigt sich mit der Legitimation der Marktwirtschaft und der Begründung von Unternehmensentscheidungen.

Eigennutz versus Gemeinwohl

Auffällig ist auch das untere Ende des Rankings. Dort drängen sich lauter Anbieter, die sich in Deutschland über besonders viel Kunden freuen: Platz 123 McDonald’s, Platz 125 Facebook, Platz 126 Deutsche Bank, Platz 127 und damit Letzter ist die „Bild“-Zeitung. So belegt der Gemeinwohlatlas, dass die Deutschen sehr bewusst trennen können. Was zwei Interpretationen erlaubt: Was für den Einzelnen von hohem Nutzen erscheint, hält er nicht zwangsläufig auch gut für das Wohl der ganzen Gesellschaft. Oder: Den Kunden dieser Unternehmen ist das unterstellte niedrige Engagement schlicht egal.

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