Was den Rest der Reservierungs-Prozedur angeht, lässt der Staatskonzern allerdings seine Kunden für ihn schuften. Die Folge: ein grandioses sozio-logistisches Schauspiel. Hier werden verkrustete Gesellschaftsstrukturen für die Dauer einer Bahnfahrt aufgebrochen. In keinem Flugzeug kann es passieren, dass am Ende allen Stühle-Rückens jemand ohne Sitzplatz dasteht. Bei der Bahn schon.
Da vertreibt der 16-Jährige mit der Fahrkarte wedelnd die Dame mit Hut und Dackel. Da räumt der Vorstandschef mit Plauze den Platz für die Friseuse mit Erdbeerkaugummi. Da hat der Neonazi in Nadelstreifen dem Schwarzafrikaner mit Baseball-Kappe zu weichen.
Gewissensfrage: Darf man eine Mutter mit Kind verscheuchen? Gut, attraktive Mütter bitte ich stets ohne Umschweife, ihr Kind zu schnappen und das Feld zu räumen. Hübsche Menschen werden Tag ein Tag aus schon genügend privilegiert in unserer grenzenlos sexualisierten Gesellschaft.
Aber sonst? Darf man? Die Antwort: ja aber hallo! Denn Mütter mit Kindern brechen niemals überstürzt zu einer Reise mit dem Fernzug auf. Niemals. Das belegen mehr als 4000 Studien aus der ganzen Welt. Es ist ihnen also problemlos zuzumuten, ihrerseits Plätze zu reservieren. Was soll der Geiz?
Doch ich bin ein Mensch mit zarten Nerven. Und ich lasse mir nicht gerne in einem vollgestopften Großraumwagen schlechte Argumente von jungen Müttern mit weinenden Babys um die Ohren hauen. Deshalb ersann ich einst vor Jahren eine List:
„Spendieren Sie mir einfach das Geld für meine Reservierung und ich gehe im Restaurant-Wagen etwas trinken.“ Moralisch sauber - und ich garantiere Ihnen: Schneller kriegen Sie Ihren Sitzplatz nicht geräumt.