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Wie die Platzreservierung der Deutschen Bahn uns zu Lügnern macht

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Ein sozio-logistisches Schauspiel

Wo das Bahnfahren am einfachsten ist
Der BahnhofscheckWie alltagstauglich sind Bahnhöfe für die Generation 50Plus? Dieser Frage ist die Initiative Generationplus nachgegangen. Gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik überprüfte die Initiative deutsche Bahnhöfe. Alle Tester der Generation 50plus wurden mit Checklisten ausgestattet und besuchten jeden Bahnhof zweimal zu unterschiedlichen Tageszeiten. Sie legten ihren Schwerpunkt dabei auf das Umsteigen. Geprüft wurden unter anderem die Verständlichkeit von Lautsprecherdurchsagen, Anzeigen und der Gepäckservice. Es folgt das Ranking der 14 getesteten Hauptbahnhöfen in Städten mit mehr als 500 000 Einwohnern. Quelle: dpa
Platz 14: DresdenDer Dresdner Hauptbahnhof liegt nur auf dem 14. Platz. Zwar gibt es ausreichend Sitzgelegenheiten an den Nah- und Fernverkehrsgleisen und viele Einkaufsmöglichkeiten in der lichtdurchfluteter Bahnhofshalle, aber es fehlt an verständlichen Durchsagen sowie an Kofferwagen. Wegbeschreibungen zu den Toiletten an den Bahnsteigen fehlen teilweise ebenso, genauso wie Infotafeln und Fahrplanaushänge. Außerdem sind die Aufzüge dem Ranking von „Generationplus“ zufolge schwer zu finden und es gibt keine Apotheke auf dem Bahnhofsgelände. Quelle: dpa
Platz 13: LeipzigDie Stärken des Bahnhofs in Leipzig sind kurze Umsteigewege durch einen zusätzlichen Gleistunnel, die akustische Ankündigung von Durchsagen, ein integriertes, dreistöckiges Einkaufszentrum sowie die Museumseisenbahn. Außerdem sind sehr viel EC-Automaten auf dem Bahnhofsgelände verfügbar. Die Schwächen hingegen sind drei nicht überdachte Bahnsteige, schwer verständliche Lautsprecherdurchsagen aufgrund eines starken Halls und die Durchsagen ohne Wiederholung. Außerdem fehlen Kofferwagen und ein Gepäckträgerservice, die Wegebeschreibung zu den Taxis wird als nicht ausreichend bewertet, und es befinden sich wenig Aufzüge und Rolltreppen im Gebäude. Darüber hinaus gibt es keine Kofferbänder an den Treppen und es existiert keine Touristeninformation. Quelle: AP
Platz 12: DortmundAuch in Dortmund ist die Liste der Schwächen deutlich länger als die der Stärken. Die Tester waren einzig mit der Verständlichkeit der Durchsagen und mit den überdachten Wegen zu den Taxiständen und zum ÖPNV zufrieden. Ansonsten sind die Schilder verwittert, die Bahnsteige nicht überdacht, die Aufzüge nicht in ausreichender Zahl vorhanden, die Gleisnummerierung verwirrend. Eine Apotheke, eine Touristeninformation und ein Warteraum im Bahnhofsgebäude fehlen. Für die Bahnhöfe in Dortmund, Leipzig und Dresden vergaben die Tester lediglich die Bewertung „ausreichend“. Quelle: dpa Picture-Alliance
Besser wurden die folgenden Bahnhöfe bewertet. Sie erhielten alle das Urteil „gut“.Platz 11: Köln Köln trumpft mit einem vielfältigen Angebot an Geschäften und Gastronomie auf, mit einer automatisierten Schließfachanlage und einer speziell ausgewiesenen WLAN-Sitzgruppe im Mittelgang. Schwächen sind allerdings die teilweise fehlenden Lautsprecherdurchsagen an den Nah- und Fernverkehrsbahnsteigen, die fehlenden Kofferwagen und die fehlende Beschilderung zu den Toiletten am Bahnsteig. Defekte Uhren und schmutzige sowie rostige Sitzgelegenheiten gehören ebenso zu den Nachteilen am Hauptbahnhof der Domstadt. Außerdem ist der Weg zwischen Bahnhof und Taxiständen nicht überdacht. Quelle: ZBSP
Platz 10: FrankfurtIm Frankfurter Bahnhof sind die Durchsagen ausreichend verständlich und sie werden mit einem Gong deutlich angekündigt. Es gibt eine sinnvolle Unterführung mit Zugang zu den Gleisen, ausreichende Sitzgelegenheiten auf den Bahnsteigen und vielfältige Einkaufsmöglichkeiten. Auf der anderen Seite werden Durchsagen nicht wiederholt, es fehlen Kofferwagen und die Bodenfliesen sind für Rollenkoffer teils schwer befahrbar. Auch hier fehlt es an einer Überdachung der Taxistände und an Schildern, die den Weg zu den Toiletten weisen. Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 9: BerlinDie Stärken des Berliner Hauptbahnhofs liegen bei ausreichend Sitzgelegenheiten auf allen Bahnsteigen, bei der Gong-Ankündigung von Durchsagen und bei ausreichend Rolltreppen und Aufzügen zum Verlassen der Bahnsteigebene. Außerdem gibt es gleich zwei DB Informationen und ein sehr vielfältiges Angebot an Geschäften auf drei Etagen und einen ebenso vielfältigen Gastronomiebereich. Die Schwächen bestehen jedoch aus sehr schwer verständlichen Lautsprecherdurchsagen und aus langen Laufwegen durch viele zu überwindende Stockwerke. Auch in Berlin gibt es keine Kofferwagen und in den beiden Untergeschossen fehlt es an Wegbeschreibungen zu Bushalte- und Taxistellen. Die Gepäckaufbewahrung befindet sich abseits und die Schließfächer liegen versteckt auf dem Weg zum Parkdeck. Quelle: dpa Picture-Alliance

Was den Rest der Reservierungs-Prozedur angeht, lässt der Staatskonzern allerdings seine Kunden für ihn schuften. Die Folge: ein grandioses sozio-logistisches Schauspiel. Hier werden verkrustete Gesellschaftsstrukturen für die Dauer einer Bahnfahrt aufgebrochen. In keinem Flugzeug kann es passieren, dass am Ende allen Stühle-Rückens jemand ohne Sitzplatz dasteht. Bei der Bahn schon.

Da vertreibt der 16-Jährige mit der Fahrkarte wedelnd die Dame mit Hut und Dackel. Da räumt der Vorstandschef mit Plauze den Platz für die Friseuse mit Erdbeerkaugummi. Da hat der Neonazi in Nadelstreifen dem Schwarzafrikaner mit Baseball-Kappe zu weichen.

Gewissensfrage: Darf man eine Mutter mit Kind verscheuchen? Gut, attraktive Mütter bitte ich stets ohne Umschweife, ihr Kind zu schnappen und das Feld zu räumen. Hübsche Menschen werden Tag ein Tag aus schon genügend privilegiert in unserer grenzenlos sexualisierten Gesellschaft.

Aber sonst? Darf man? Die Antwort: ja aber hallo! Denn Mütter mit Kindern brechen niemals überstürzt zu einer Reise mit dem Fernzug auf. Niemals. Das belegen mehr als 4000 Studien aus der ganzen Welt. Es ist ihnen also problemlos zuzumuten, ihrerseits Plätze zu reservieren. Was soll der Geiz?

Doch ich bin ein Mensch mit zarten Nerven. Und ich lasse mir nicht gerne in einem vollgestopften Großraumwagen schlechte Argumente von jungen Müttern mit weinenden Babys um die Ohren hauen. Deshalb ersann ich einst vor Jahren eine List:

„Spendieren Sie mir einfach das Geld für meine Reservierung und ich gehe im Restaurant-Wagen etwas trinken.“ Moralisch sauber - und ich garantiere Ihnen: Schneller kriegen Sie Ihren Sitzplatz nicht geräumt.

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