GEZ-Nachfolger Die Beitragssenkung ist ein schlechter Scherz

Zum ersten Mal in der langen Geschichte von ARD und ZDF sinken die Beiträge – allerdings um gerade mal 48 Cent im Monat. Einschneidende Reformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems, wie sie Kritiker seit langem vehement fordern, sind nicht in Sicht.

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GEZ-Beitragssenkung ist ein Witz Quelle: Marcel Stahn

Der 1. April ist eigentlich ein ziemlich ungünstiges Datum für Reformen und Neuerungen jedweder Art. Zwangsläufig kommt der Verdacht auf – alles nur ein Aprilscherz. Dem neuen Rundfunkbeitrag, der vielen besser als „Zwangsabgabe“ geläufig ist, geht es da nicht anders. Denn zum 1. April sinkt der Beitrag zum ersten Mal in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Was dabei an einen Scherz denken lässt, ist allerdings vor allem die Höhe der Senkung.

Jeder Haushalt zahlt künftig 17,50 Euro und damit 48 Cent im Monat weniger für ARD und ZDF, Deutschlandradio und Dritte Programme. 48 Cent im Monat entsprechen 5,76 Euro im Jahr, dafür bekommt man zwar schon eine ganze Ausgabe der WirtschaftsWoche. Aber für ein Monatsabo der Online-Videothek Netflix reicht das schon nicht mehr.

Den Monats-Obolus wirklich spürbar zu senken und damit womöglich vielen Kritikern, die nicht einsehen, warum sie überhaupt zur Kasse gebeten werden, ein ganzes Stück weiter entgegenzukommen, wäre möglich gewesen. Das nötige Kleingeld dafür haben die Beitragszahler selbst schließlich längst gezahlt: Allein 2014 kamen Erträge in Höhe von 8,3 Milliarden Euro zusammen – das waren 643 Millionen Euro mehr als im Jahr zuvor. Für die gesamte vierjährige Beitragsperiode, die von 2013 bis 2016 dauert, haben Experten Mehreinnahmen von rund 1,5 Milliarden Euro errechnet.

Die wichtigsten Fragen zur neuen Rundfunkabgabe

Der Druck wächst

Und genau diese Fachleute haben auch vorgeschlagen, der Beitrag könnte eben wegen der Mehreinnahmen um immerhin 73 Cent sinken. Das fanden allerdings die Ministerpräsidenten der Länder, die in Sachen Rundfunk das Sagen haben, nicht so prickelnd. Sie wünschten sich finanziellen Spielraum mit dem Ziel, den Beitrag möglichst bis 2020 stabil halten zu können und ihn danach, wenn möglich, auch nicht weiter zu erhöhen.

Denn natürlich ist auch den Landespolitikern nicht verborgen geblieben, für wie viel Wut und Unmut der Beitrag sorgt. Sie wissen, dass angesichts immer neuer Medienangebote in Print, TV und vor allem im Internet immer mehr Mediennutzer komplett auf ARD und ZDF verzichten. Und dass damit auch der Druck wächst, Abgabe und TV-System auf lange Sicht zu legitimieren – oder es zu verändern.

Rundfunkgebühren seit 1970

Verzicht auf TV-Werbung?

Der Verzicht auf TV-Werbung, wie ihn etwa der Privatsenderverband VPRT schon seit Menschengedenken fordert, wäre zwar immerhin schon einmal ein Schritt auf dem Weg, die beiden TV-Blöcke – hier die öffentlich-rechtlichen, dort die werbefinanzierten Privatsender – sauber voneinander zu trennen. Doch einerseits hat auch dieser Vorschlag nicht nur Fans – werbungtreibende Unternehmen und die Lobbyorganisation Markenverband etwa sind längst auf den Barrikaden gegen das Werbe-Aus bei ARD und ZDF.

Sie wollen nicht allein gelassen werden im TV-Werbemarkt, wo sich dann nur noch die beiden großen Player RTL und ProSieben gegenüberstünden und die Spot-Preise festlegen können, ohne dass Werbekunden ausweichen könnten auf vergleichbar reichweitenstarke Konkurrenten. Ob daher ein Werbeverzicht kommt, ist längst noch nicht beschlossene Sache.

Der Verzicht auf Reklame allein würde allerdings den meisten Kritikern auch gar nicht reichen. Ihnen wäre es am liebsten, sie bräuchten entweder gar nichts zahlen für ARD und ZDF. Oder sie würden nur zur Kasse gebeten für Sendungen, die sie auch wirklich anschauen, eine Art öffentlich-rechtliches Pay-TV also.

Mancher träumt auch vom ganz großen Wurf, von radikalen Beschlüssen. Träumt von dem kompletten Aus für die Öffentlich-Rechtlichen. Oder zumindest dem Aus für einen von beiden Senderiesen. Wozu braucht es mit ARD und ZDF zwei Vollprogramme, reicht nicht ein bundesweites öffentlich-rechtliches Programm, um auch die Vorgaben zu erfüllen, die das Bundesverfassungsgericht in seinen zahlreichen Urteilen zur deutschen TV-Ordnung erlassen hat? Diese Lösung hat sehr viel für sich.

Klagen gegen den "Zwangsbeitrag"

Allerdings hat sie eins nicht: Aussicht auf Verwirklichung. Zwar wächst in Internet-Foren und Leserbriefseiten die Wut auf den Beitrag. Doch die scheint vor allem deshalb zu wachsen, weil die meisten Kritiker sich ohnmächtig fühlen. Denn eigentlich wissen sie genau, dass sich in absehbarer Zeit am bestehenden dualen Rundfunksystem nichts ändern wird.

Sichtbar wird das allein schon, wenn man sich die Urteile jener Gerichte anschaut, die in den vergangenen Monaten zum Thema Rundfunkbeitrag ergangen sind. Klagewelle auf Klagewelle schwappte übers Land seit die Länder beschlossen haben, den Beitrag künftig von jedem Haushalt, nicht länger pro Gerät zu erheben. Doch alle Verfahren führten zum selben Resultat; zuletzt entschied das Oberverwaltungsgericht Münster, der Beitrag sei - verfassungsgemäß.

Berufungsklagen gegen den "Zwangsbeitrag"

Das Gericht lehnte damit drei Berufungsklagen von Privatleuten gegen den „Zwangsbeitrag“ ab. Die Kläger waren zuvor schon vor den Verwaltungsgerichten in Arnsberg und Köln gescheitert. Dabei wendeten sie sich  nicht generell gegen die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sondern allein gegen den Beitrag. Ein Anwalt beklagte, dass sein Mandant keine Chance besitze, dem Beitrag zu entgehen, auch wenn er nachweislich weder Fernsehen noch Radio nutze. Gebracht hat es nichts.

Zuvor waren bereits Unternehmen wie die Drogeriekette Rossmann oder auch Privatleute wie der junge bayerische Jurist Ermano Geuer mit ihren Klagen gegen den neugefassten Obolus vor den Verfassungsgerichtshöfen von Bayern und Rheinland-Pfalz gescheitert.

Hinter die Argumentation der Richter etwa aus München wird nun wohl kein Gericht mehr zurückfallen. Im Münchner Urteil heißt es beispielsweise ganz grundsätzlich: Der Rundfunkbeitrag sei eben keine Steuer, sondern eine Abgabe, die „als Gegenleistung für das Programmangebot des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks erhoben“ werde. Der Vorteil, der damit abgegolten werde, entstehe daraus, „dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in besonderem Maß die Grundlagen der Informationsgesellschaft fördert und einen wichtigen Beitrag zur Integration und Teilhabe an demokratischen, kulturellen und wirtschaftlichen Prozessen leistet“.

Ewig gleiches Gejammer

Und weil das so sei, schrieben die Richter, „ist grundsätzlich jede Person im Einwirkungsbereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an der Finanzierungsverantwortung zu beteiligen, weil sie einen gleichsam strukturellen Vorteil aus dessen Wirken zieht“.

Heißt ganz schlicht: Weil jeder jederzeit davon profitiert, dass es die öffentlich-rechtlichen Sender gibt, muss auch jeder für ihr Vorhandensein zahlen. Sie erbrächten praktisch eine Leistung für alle, und es spiele eben keine Rolle, ob der einzelne Bürger die Programme empfangen wolle oder lieber nicht.

Gibt es also weder politisch noch rechtlich begründbare Aussichten darauf, dass sich am jetzigen Beitrag und der bestehenden Rundfunkordnung etwas grundlegendes ändert, wäre es da nicht schlichtweg an der Zeit, das ewig gleiche Gejammer über den furchtbar bösen Beitrag und die ganze „Zwangsabgaben“-Folklore einzustellen? Es kommt erkennbar kein neues Argument hinzu.

Das allerdings ändert nichts daran, dass die aktuelle Beitragssenkung um 48 Cent doch in Wahrheit eines nur ist: ein schlechter Scherz.

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