Gläubigerversammlung bei Air Berlin Zahlen, Fakten und ein Hauch Geisterstimmung

Gläubigerversammlung Air Berlin: Gespenstisch leer Quelle: Henryk Hielscher

In Berlin haben sich die Gläubiger von Air Berlin getroffen, um Einblick zu erhalten in das spektakulärste Insolvenzverfahren der vergangenen Jahre. Es ist die große Abrechnung – in kleiner Runde.

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Die Kulisse ist gewaltig: Mehr als 5000 Plätze bietet die Estrel Convention Hall II in Berlin Neukölln. Zuletzt stand hier ein ukrainischer Wunderheiler auf der Bühne. Frauen in goldenen Paillettenkleidern sangen "Halleluja", Mütter mit Babys auf dem Arm und Rollstuhlfahrer reckten ihre Hände in die Höhe.

Bei der heutigen Bühnenshow erwartet wohl niemand mehr ein Wunder. Die Gläubiger von Air Berlin treffen sich in der Veranstaltungshalle, um Einblick zu erhalten in eine der spektakulärsten Unternehmenshavarien der deutschen Wirtschaftsgeschichte. 3,8 Milliarden Euro Umsatz, mehr als eine Millionen Gläubiger, die über vier Milliarden Euro fordern, lauten die imposanten Zahlen der Air-Berlin-Insolvenz.

Dass die meisten Gläubiger der Air Berlin KG nicht kommen würden, um Details über die größte Luftfahrtpleite zu erhalten, war von vornherein absehbar. Ihre Forderungen sind de facto wertlos. Das persönliche Erscheinen bringt wenig. Auch bei der morgigen Gläubigerversammlung der Air-Berlin-Holdinggesellschaft dürfte es kaum anders aussehen.

Doch Gericht und Insolvenzverwaltung mussten sich darauf vorbereiten, dass es womöglich doch einen Ansturm der Gläubiger geben würde - sei es aus Protest, Interesse oder Nostalgie. Tatsächlich weckt der Termin Erinnerungen an längst vergangenen Flugabenteuer mit der Linie. Einst wurden auf dem Estrel-Areal Firmenjubiläen gefeiert.

Heute müssen die Gläubiger zunächst durch die Gänge des Kongresscenters, vorbei an der Jahresauftaktveranstaltung des Versicherers Ergo, dessen markanter roter Schriftzug farblich dem der Fluglinie ähnelt. Weiter geht es zur Sicherheitsschleuse, wo - ähnlich wie am Flughafen - Koffer, Taschen und Mäntel inspiziert werden. Schließlich könnten allzu frustrierte Air-Berlin-Kunden auf unschöne Ideen kommen.

Hinter der Schleuse wartet wohl die erste Überraschung: an einer langen Tafel sitzen rund drei Dutzend Damen und Herren vor Laptops und bereiten den Check-In vor. Sie überprüfen, ob Personen, die sich anmelden, tatsächlich Gläubiger sind und welche Forderungen sie vertreten. Ähnlich einer Hauptversammlung, wo die Aktienzahl entscheidend ist, bestimmt in der Gläubigerversammlung die Höhe der Forderungen über die Stimmenzahl. Ein Ausdruck mit Strichcode - die Stimmkarte - sichert die korrekte Zuordnung. Zusätzlich gibt es ein blaues Bändchen ums Handgelenk. "All Inclusive", wird am Schalter gewitzelt.

Danach beginnt die Wartezeit. An den Stehtischen im Vorraum dominieren gedeckte Farben. Vor allem Anwälte in dunklen Anzügen scheinen den Weg hier her gefunden zu haben, platzieren Tablets und Akten auf den Tischen und organisieren sich noch schnell einen Kaffee, bevor das Boarding beginnt. Um 10 Uhr ist es soweit. Die Türen werden geöffnet: Im Saal stehen dutzende leere Stuhlreihen, die Platz für Tausende Zuhörer bieten. Ein schwarzer Vorhang ziert den Hintergrund - eine gespenstische Atmosphäre. Geschätzt nur rund 300 Gläubiger verteilen sich im Saal.

Vorn auf dem kleinen Podium nehmen die Herren des Verfahrens Platz: Frank Kebekus, bis vor wenigen Tagen Generalbevollmächtigter der Airline und Insolvenzverwalter Lucas Flöther. Der Rechtspfleger des Amtsgerichts und weitere Gerichtsmitarbeiter sitzen neben ihnen. Im Hintergrund prangt das Berliner Wappen auf zwei überdimensionierte Bildschirme.

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