Grüner Punkt Wie sich die Müll-Branche selbst zerfleischt

Seite 4/4

Markt ist nicht groß genug für neun Anbieter

Von dem Geldregen dürfte in erster Linie der Branchenführer DSD profitieren. Die Systembetreiber, die auf Branchenlösungen und die Eigenrücknahme spezialisiert sind, drohen dagegen Kunden zu verlieren. „Für die Systeme, die kein zweites Standbein neben der Lizenzierung haben, könnte es schwierig werden“, sagt Matthias Harms, Geschäftsführer des Entsorgungsbereichs der französischen Veolia-Gruppe. Selbst über Insolvenzen wird spekuliert.

„Die Novelle könnte für drei bis vier der Dualen Systeme das Aus bedeuten“, sagt Eric Rehbock, Geschäftsführer des Bundesverbandes für Sekundärrohstoffe und Entsorger (BVSE) in Bonn. Gewinner wäre auch dann voraussichtlich DSD. „Wenn tatsächlich einige Systeme wegfallen, muss ein Anbieter deren Marktanteile übernehmen. Da hat der Marktführer die besten Chancen“, meint Rehbock. „Der Markt ist eigentlich nicht groß genug für neun Anbieter“, sagt Reclay-Chef Fruscio.

*nach Anteil der Beiträge zu den Entsorgungskosten. Quelle: Euwid

Der Sohn eines italienischen Einwanderers und Müllmanns hat es zum drittgrößte Anbieter unter den Dualen Systemen in Deutschland gebracht. Trotz des Wegfalls bei den Branchenlösungen rechnet er für sich mit steigenden Umsätzen, weil Reclay wahrscheinlich wieder mehr Verpackungsmüll lizenzieren werde. „Der Umsatz könnte von 180 Millionen Euro in diesem Jahr auf 200 bis zu 250 Millionen Euro steigen“, mutmaßt Fruscio.

Rein und Raus

Für Marktführer DSD dürfte der Effekt noch größer sein. In der Branche halten sich hartnäckig Gerüchte um einen möglichen Verkauf von DSD. Das Unternehmen ist seit Langem in der Hand von Finanzinvestoren. 2004 kaufte sich Kohlberg, Kravis Roberts & Co. (KKR) aus den USA für 260 Millionen Euro ein. Sechs Jahre später reichte KKR die Anteile für einen dreistelligen Millionenbetrag an Geschäftsführer Schreiter und die britischen Investoren Solidus Partners weiter. Seit 2011 hält der US-Investor HIG Europe Anteile.

Verkaufsprospekte und eine Kurzpräsentation, die DSD als Kandidaten für einen Börsengang darstellt, kursieren bereits. DSD bestreitet die Gerüchte jedoch und behauptet, bei der Präsentation handele es sich um Fälschungen. „Die Gesellschaft steht weder ganz noch teilweise zum Verkauf. Auch ein Börsengang ist nicht beabsichtigt“, sagt Schreiter.

Doch die Uhr tickt. Selten planen Beteiligungsgesellschaften, länger als fünf Jahre bei einem Unternehmen zu bleiben. Und steigen dank der Gesetzesnovelle Umsatz und Gewinn, können sich Schreiter und seine Investoren Hoffnung auf eine Wiederholung des Spiels vor zehn Jahren machen – rein in den Müll, raus aus dem Müll, und dabei möglichst viele Millionen mitnehmen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%