Zurück in Wien, steht für den 18-Jährigen der Berufswunsch fest: „Am liebsten Journalist.“ Er studiert Jura; doch nicht weil ihm das Rechtswesen am Herzen liegt. Ihn reizt das Nebenfach Nationalökonomie, das es damals als eigenständige Studienrichtung noch nicht gibt. Nebenher arbeitet er sich in sein Metier ein, verfasst Wirtschafts- und Bilanzanalysen für den „Hamburgischen Correspondenten“ und den Wiener „Kompaß“. Doch „seine Persönlichkeit scheint ihm eines zu verwehren, die Arbeit unter einem oder mehreren Vorgesetzten“, schreibt Jahrzehnte später seine zweite Frau Toni über ihren Mann – und so dauert es auch nicht lange, bis Stolper sein Ziel erreicht. Er übernimmt den „Österreichischen Volkswirt“ als Chefredakteur und Verleger in Personalunion.
In Wiener Kaffeehauszirkeln knüpft er ein exquisites Netzwerk mit Denkern und Mächtigen, schreibt gegen die Missstände seiner Zeit an, den Niedergang des österreichisch-ungarischen Kaiserreichs, die aufziehende Kriegsgefahr.
Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg begeistert er sich für den Anschluss Österreichs an Deutschland, gründet hierfür sogar eine eigene Partei, lernt Friedrich Naumann kennen und freundet sich mit Theodor Heuss an. Aufgrund seiner scharfen ökonomischen Urteilskraft steht er zweimal kurz davor, selbst in die Regierung einzutreten, als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium und später als Finanzminister. Doch beide Male wird nichts daraus.
Bald wird ihm der Wiener Kosmos zu klein, er wechselt nach Berlin. 1926 gründet er dort „Den deutschen Volkswirt“. Namhafte Ökonomen wie Joseph Schumpeter und Alexander Rüstow kommen darin zu Wort. Die journalistische Unabhängigkeit sichert das im Heimatland erprobte Prinzip: Die Abonnements sichern die Kosten, die Anzeigen bringen Gewinn.
So schreibt Stolper an gegen die große Depression, kurzsichtige Wirtschaftspolitik, den Versailler Vertrag, gegen die Unheil bringende Sparpolitik des Reichskanzlers Brüning und die Inflationsökonomie von John Maynard Keynes, vor allem aber gegen die Nationalsozialisten. Er engagiert sich für die Deutsche Demokratische Partei, zieht 1930 in den Reichstag ein. Noch in der Wahlnacht im März 1933 wird ihm klar: „Wir wandern aus. Dem Hitler tue ich nicht die Ehre an, unter ihm zu leben!“ Von den Nazis bedroht, muss Stolper den Verlag für ein Spottgeld verkaufen, befreundete Banker sichern mit einem Beratervertrag den Start im amerikanischen Exil.
Ein amerikanischer „Volkswirt“ wird mit dem inzwischen in Harvard lehrenden Schumpeter erörtert, die Idee nie begraben, aber auch nie verwirklicht. Stattdessen lebt Stolper ganz ordentlich von ökonomischen Analysen und Kommentaren, die er im Auftrag europäischer Banken und Finanzinvestoren verfasst. Er schreibt für „Foreign Affairs“, „Harvard Business Review“, hält teils gut bezahlte Vorträge und betätigt sich sogar als Vermögensverwalter.
Nach dem Krieg kehrt Stolper nach Deutschland zurück, als Berater des amerikanischen Expräsidenten Herbert Hoover, der Deutschland wirtschaftlich wieder zum Leben erwecken soll. Stolper fasst seine Erfahrungen in dem Buch „German Realities“ zusammen. Das letzte Kapital fehlt – er stirbt in den USA an den Folgen eines Schlaganfalls, am Tag bevor er es seiner Frau Toni diktieren wollte.