Hans-Otto Schrader Darum will der Otto-Chef "Hos" genannt werden

Der Chef der Otto Group, Hans-Otto Schrader, rechnet mit einem Gewinn- und Umsatzschub für den Handelskonzern und bietet seinen Mitarbeitern das Du an. Es ist der Startschuss für einen Wandel im Unternehmen.

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Hans-Otto-Schrader, Chef der Otto Group rechnet mit Gewinn- und Umsatzschub. Quelle: Stefan Kröger für WirtschaftsWoche


WirtschaftsWoche Online: Herr Schrader, Sie haben Ihren 53 000 Mitarbeitern gerade das Du angeboten. Hat die Otto-Gruppe keine anderen Sorgen?
Herr Hans-Otto Schrader: Mit Sorgen hat das nichts zu tun, sondern mit Chancen. Wir wollen im Unternehmen zu einem noch stärkeren „Wir“-Gefühl kommen. Das hat viel mit flachen Hierarchien und der Bereitschaft zu tun, Verantwortung zu übernehmen. Der Weg zum „Wir“ geht einfacher über das Du. Das heißt nicht, dass es jetzt einen Duz-Zwang in der Otto Gruppe gibt, aber wer die Vorstände duzen will, der kann das tun.

Zur Person

Mal ehrlich, in der Kantine sagt doch kein Mensch Hans-Otto zu Ihnen.
Stimmt. Meine Bedingung für den Duz-Vorschlag war, dass mein Kurzname Hos – für Hans-Otto Schrader – verwendet wird. Der klingt doch frischer als Hans-Otto. Und Hos höre ich jetzt tatsächlich öfter. Erst letzte Woche kam ein junger Mann vor dem Fahrstuhl auf mich zu und meinte: „Hey, ich kann jetzt Hos zu dir sagen.“ Ich sag: „Ja, klar, und wer bist du?“ „René, aus dem Social Media Team.“ Und dann kamen wir ins Gespräch, das früher so nicht zustande gekommen wäre. Das Du ist ein äußeres Zeichen, dass etwas Neues beginnt, eine Art verbaler Startschuss für unser Projekt Kulturwandel 4.0.

Der Begriff Kulturwandel fiel zuletzt eher im Zusammenhang mit Krisenunternehmen wie der Deutschen Bank. Wie steht es um Otto?
In der Otto Group gehen wir den Wandel mit viel Rückenwind an. Unser Geschäftsjahr, das am 29. Februar endet, werden wir mindestens mit einer schwarzen Null vor Steuern abschließen. Nach den herben Verlusten im Vorjahr haben wir damit einiges erreicht, zumal wir stärker gewachsen sind als der Markt. Die Otto Group wird 2015/16 ein Plus von mehr als vier Prozent erreichen und den Umsatz auf rund 12,5 Milliarden Euro steigern.

Das klingt zwar viel, aber Onlinehändler wie Amazon oder Zalando steigerten ihre Umsätze um mehr als 20 Prozent. Warum hinken Sie so hinterher?
Wenn sie die Zahlen unserer US-Tochter Venus sehen mit rund 50 Prozent plus oder unsere Modeplattform Collins mit einem Wachstum von 240 Prozent, dann verblassen Amazon und Zalando (lacht).

Sie vergleichen die Wachstumsraten von Milliardenkonzernen mit denen Ihrer Start-ups?
Auch bei Kernunternehmen wie Otto, Bonprix oder MyToys brummt das Geschäft. Insgesamt stiegen unser E-Commerce-Umsätze um 400 Millionen Euro auf 6,6 Milliarden Euro. Aber wir sind nun mal nicht nur Händler, sondern mit Töchtern wie Hermes auch Logistiker und Dienstleister. Die dritte Säule ist unsere Finanzsparte. Insofern lässt sich die Otto Group nicht direkt mit reinen Onlineanbietern vergleichen. Zudem hatten wir in Frankreich und Russland auch in diesem Jahr erhebliche Probleme.

Werden Sie sich aus dem russischen Markt zurückziehen?
Die Inflation zieht in Russland an, die Löhne sinken, die Arbeitslosigkeit steigt. Da ist es kein Wunder, dass die Russen weniger einkaufen und die Umsätze im Handel gesunken sind. Aber wir schreiben dort operativ keine Verluste mehr und haben als Marktführer im Versandhandel eine starke Position, die wir nicht so schnell aufgeben wollen. Wir bleiben im Markt und setzen darauf, dass sich die Lage wieder aufhellt.

Die beliebtesten Händler der Deutschen
Das Logo des Parfümerie- und Handelskette "Douglas" Quelle: dpa
Das Aldi-Logo Quelle: REUTERS
Eine Kaffeetasse in einer Tchibo-Filiale vor einem Produktregal. Quelle: dpa
Ansicht des Logos und des Schriftzugs der Drogeriemarktkette Müller Quelle: dpa
Eine Kundin schiebt in einer Rossmann-Filiale einen Einkaufswagen. Quelle: dpa
Ein Kugelschreiber mit der Aufschrift "Otto...find ich gut." Quelle: dpa
Eine Verkäuferin ordnet die Buchauslagen in einer Thalia Filiale Quelle: dpa

Ist Durchhalten die richtige Strategie? Auch in Frankreich gibt es seit Jahren Probleme. Wie lange wollen Sie sich das Drama noch ansehen?
Wir haben in Frankreich in den vergangenen Jahren sehr viel getan, um die Handelskonzepte unserer Tochter 3SI Group zu retten. Ich muss nur leider feststellen, dass unsere Pläne bisher nicht aufgegangen sind. Bis zu den französischen Sommerferien werden wir eine größere Klarheit haben.

In Deutschland hat das Erotikunternehmen Beate Uhse vor wenigen Tagen den letzten Katalog gedruckt und will nur noch in Läden und über das Internet verkaufen. Wann erscheint der letzte Otto-Katalog?
Solange unsere Kunden Kataloge wünschen, werden wir Kataloge drucken. In einigen Sortimenten erhöhen wir die Auflagen derzeit sogar, setzen die Kataloge aber verstärkt als Werbeinstrumente ein, um die Onlineumsätze zu befeuern. Bei der Einzelgesellschaft Otto erzielt der dicke Hauptkatalog gerade noch rund sieben Prozent des Umsatzes.

"Wir setzen für jede Zielgruppe auf die passende Form der Ansprache..."

Junge Kunden erreichen Sie damit nicht.
Dass der Otto-Hauptkatalog nicht darauf abzielt, Digital Natives zu gewinnen, also die jungen Kunden, die mit dem Internet groß geworden sind, ist allen klar. Wir setzen für jede Zielgruppe auf die passende Form der Ansprache, vorwiegend online, teils über Kataloge und teils auch über Shops. Nehmen Sie Collins ...

... Ihre Onlineplattform, die mehrere Modeshops wie About You und Edited umfasst ...
... dort setzen wir sehr stark auf den Einkauf zunehmend über Smartphones. Das funktioniert so gut, dass wir jetzt richtig Gas geben. Collins wird bald die Marke von 100 Millionen Euro Umsatz überschreiten und kräftig weiter wachsen. Es gibt Ideen für zusätzliche Shops, die wir an die Plattform andocken können. Zudem stehen uns viele europäische Länder offen, um das Konzept auszurollen. Der Einkauf via Smartphone gehört aber auch bei anderen Otto-Group-Gesellschaften zu den Topthemen.

Ein anderer Trend ist die immer schnellere Lieferung von Waren, teils innerhalb weniger Stunden nach Bestellung. Bei Otto bekomme ich Bestellungen frühestens am nächsten Tag. Warum sind Sie so spät dran?
Sicher, Schnelligkeit ist wichtig, und auch wir experimentieren etwa über unsere Beteiligungsgesellschaft Liefery bei unserer Tochter Sportscheck mit der Lieferung am gleichen Tag. Aber momentan ist das sogenannte Same-Day-Delivery noch ein Nischenthema, und ich glaube nicht, dass sich das schnell ändert. Für die meisten Kunden ist es weniger entscheidend, ob ein T-Shirt heute oder morgen ankommt – schon gar nicht, wenn dafür extra Lieferkosten anfallen. Wichtiger ist es, präzise zu wissen oder im besten Fall selbst zu bestimmen, wann genau die Bestellung wo ankommt. Wir wollen künftig unseren Kunden die Möglichkeit geben, in den laufenden Prozess einzugreifen und zum Beispiel den Liefertermin für die neue Waschmaschine kurzfristig von 16 auf 20 Uhr zu verschieben, wenn etwas dazwischenkommt. Nach all dem, was wir von den Kunden wissen, ist das ein stärkerer Trend als die Lieferung am gleichen Tag.

Ihr Rivale Amazon sieht das anders und investiert massiv in Same-Day-Delivery. Zudem liebäugelt der US-Gigant mit dem Einstieg ins Paketgeschäft. Geht bei Ihrem Tochterunternehmen Hermes schon die Angst um?
Nicht einmal Sorge. Nach allem betriebswirtschaftlichen und logistischen Verständnis kann ich mir nicht vorstellen, dass Amazon in Deutschland eine autonome Paketlogistik aufbaut. Das Problem sind die enormen Bestellspitzen etwa zur Oster- und Weihnachtszeit. Wenn ein Onlinehändler diese Spitzen selbst abdecken will, wird das irrsinnig teuer. Also wird Amazon weiter die Kooperation mit starken Partnern wie Hermes suchen.

Die beliebtesten deutschen Händler

Aber nicht mehr in dem Ausmaß wie bisher.
Amazon und Hermes arbeiten seit Jahren gut zusammen, und Amazon-Gründer Jeff Bezos hat mir persönlich gesagt, wie beeindruckt er von der Zustellquote ist, die er in Deutschland mit Hermes hinbekommt, also der Zahl der Sendungen, die beim ersten Zustellversuch ankommen. Warum sollte er auf dieses Qualitätslevel verzichten? Für uns ist Amazon bei Logistik und Zustellung ein wichtiger Kunde und kein Konkurrent.

Dann rechnen Sie nicht mit Einbrüchen im kommenden Jahr?
Wir gehen 2016/17 von einem konzernweiten Umsatzzuwachs von rund vier Prozent aus, und wir werden unser Ergebnis deutlich steigern.

Hilft Ihnen die Konjunktur?
Der Einzelhandel profitiert derzeit von der guten Beschäftigungslage in Deutschland. Auch das niedrige Zinsniveau und die gesunkenen Energie- und Benzinkosten nutzen dem Handel, weil ein Teil der eingesparten Summe ausgegeben wird. Auch in einzelnen Regionen wie den USA läuft es wieder rund. Dort werden wir in diesem Jahr rund 1,5 Milliarden Euro Umsatz erzielen, ein Plus von rund 30 Prozent. Perspektivisch hat die Otto Group damit einige sehr gute Jahre vor sich.

Mit Ihnen als Chef?
Mein Vorstandsvertrag läuft bis Ende 2016. Die Entscheidung, wie es danach weitergeht, werden der Aufsichtsrat unter Vorsitz von Dr. Michael Otto und ich im Mai treffen.

Nennt Herr Otto Sie eigentlich auch Hos?
(lacht) Wir sind noch beim Sie. Ich kann das auch sehr gut nachvollziehen. Als Inhaber ist er in einer anderen Rolle als ein angestellter Manager. Eine gewisse Distanz ist da für alle Seiten durchaus hilfreich.

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