Jedes halbe Jahr treffen sich die Chefs der 20 größten Reedereien zu einem verschwiegenen Treffen und das seit 40 Jahren. Im sogenannten Box Club sprechen sie über das Containergeschäft und alle Probleme, die damit einhergehen.
Als sich die Reeder am vergangenen Mittwoch in San Francisco versammelt haben, wollten sie eigentlich über Piraterie, die Gewichte von Containern oder die Verschrottung von Schiffen sprechen. Doch dann brachten Ermittler der US-Bundespolizei FBI die Tagesordnung durcheinander. Sie platzten in das Treffen, händigten den überraschten Vorstandschefs Schreiben aus und ließ sich gleich auch noch per Unterschrift bestätigen, dass die Reeder die Papiere erhalten hatten. Damit setzten die Beamten ein neues Thema auf die Agenda: Ermittlungen wegen wettbewerbswidriger Absprachen.
So oder so ähnlich muss sich die Szene abgespielt haben. Rolf Habben Jansen, Vorstandschef von Deutschlands größter Reederei Hapag Lloyd, möchte zu dem Vorfall nicht viel sagen. „Das Schreiben wurde dort zugestellt“ ist der einzige Kommentar, den er zu dem Vorfall abgibt. Doch worum geht es in den Ermittlungen, und wie lange werden sie sich hinziehen? Habben Jansens Antwort lautet immer gleich: Wir wissen es noch nicht.
Ungewissheit gehört zu seinem Geschäft. Hapag Lloyd schickt seine Schiffe mit Containern um die ganze Welt, getrieben von Welthandel und Ölpreis, von Politik und Wettbewerb, vor allem aber von der Krise. Seit neun Jahren kämpft die Branche mit sich selbst, trotz zahlreicher Fusionen gelingt es den Reedern nicht, auskömmliche Preise mit ihren Auftraggebern zu vereinbaren. Es gibt einfach zu viele Schiffe auf den Weltmeeren.
Im vergangenen Jahr konnte Hapag Lloyd nur durchschnittlich 1026 Dollar pro Container verlangen, noch mal 15 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Reederei macht deshalb wieder Verlust: Unter dem Strich fehlten 93 Millionen Euro. Der Umsatz sank um 13 Prozent auf 7,7 Milliarden Euro. Und damit steht Hapag Lloyd im Vergleich zur Konkurrenz sogar noch gut da.
Habben Jansen bemüht sich um Optimismus. Die Reeder ordern kaum noch neue Schiffe und entsorgen ihre alten Kähne. Im kommenden Jahr sollen sich die Frachtraten bessern und damit auch die Gewinne wieder steigern. Das Ende der Krise sei in Sicht, sagt Habben Jansen. Doch kann er damit die Zweifel und die Ungewissheit bei seinen Aktionären vertreiben, die das FBI mit seinen Briefen ausgelöst hat?
6,4 Milliarden Euro Schulden
Noch ist unklar, auf wen oder was die US-Ermittlungsbehörden abzielen. Neben Hapag Lloyd haben mittlerweile auch Branchenführer Maersk, MSC und Hamburg Süd bestätigt, Briefe der Ermittler erhalten zu haben. Das deutet auf eine größere Untersuchung hin. Die US-Behörden gelten als besonders hartnäckig, Strafen könnten die Reeder empfindlich treffen.
Und besonders für Hapag Lloyd kommt die Nachricht zur Unzeit. Denn nur wenige Tage zuvor mussten die Hamburger verkünden, dass sich ihre Fusion mit dem arabischen Konkurrenten UASC noch weiter verzögert. Erst machten die Banken von UASC Probleme, die sich nicht an den Geschäften mit den Europäern beteiligen wollten.
Und nun ziehen sich die Arbeit der Juristen an den nötigen Dokumenten hin. „Ob es noch zwei Wochen oder vier Wochen dauern wird, ist schwer einzuschätzen“, sagt Habben Jansen.
Dabei wäre früher besser als später. Denn schon ab 1. April will Hapag Lloyd gemeinsam mit seinen anderen Reedereien mit seinem neuen Bündnis The Alliance starten. Die Reeder teilen sich Routen und Ladung, um effizienter zu arbeiten.
Eigentlich wollte Hapag Lloyd die Übernahme von UASC längst hinter sich gebracht haben, bevor die Allianz startet. Je früher die Fusion durchgeht, umso schneller kann Hapag Lloyd beginnen, den gigantischen Schuldenberg abzutragen, den die Araber mitbringen: Zusammen häufen die Reedereien 6,4 Milliarden Euro Schulden an.
Die Schulden existieren vor allem, weil UASC in den vergangenen Jahren fleißig neue Schiffe orderte. Damit soll nun Schluss sein, sagt Habben Jansen: „Nach der Fusion werden wir eine sehr junge und effiziente Flotte haben.“ In den nächsten Jahren brauche die Reederei deshalb keine neuen Schiffe mehr. „Das bedeutet, dass wir das Geld, das wir in die Tasche kriegen, so schnell wie möglich nutzen können, um die Schulden abzubauen“.
Spätestens ab 2019 will die Reederei dank UASC 400 Millionen Euro an Kosten einsparen. Mit etwas Pech braucht er das Geld dann auch, um Kartellstrafen zu zahlen.