Hartnäckige Engpässe Was Kunden an der Deutschen Bahn so sehr nervt

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Anzeichen für Verbesserungen

Was aus den DB Lounges wurde
1. Wann der Kaffee schon mal was kosteteEigentlich war alles mal ganz anders geplant. Als die Deutsche Bahn vor 15 Jahren ihre erste DB Lounge im Frankfurter Hauptbahnhof eröffnete, war sie „als Rückzugsort für Erste-Klasse-Reisende konzipiert“, sagt Berthold Huber, Vorsitzender der DB Fernverkehr. Die Fahrgäste mussten ihren Kaffee selbst bezahlen. Betreiber war nicht die Deutsche Bahn, sondern die damalige Bahntochter Mitropa. Erst seit 2001, als Köln mit einer eigenen Lounge folgte, gab es Heiß- und Kaltgetränke umsonst. Inzwischen ist die Lounge ein "unverzichtbarer Bestandteil der Reisekette", sagt Huber. Orientiert hat sich die Bahn zunächst an den Airline-Lounges. Inzwischen folgt sie eigenen Marktbeobachtungen. Quelle: dapd
a2. Warum eine dritte Klasse scheiterteHeute nutzen Vielfahrer mit Bahncard50 und mehr als 2000 Bahncomfort-Punkten, sprich: Fahrten im Wert von 2000 Euro pro Jahr, die Lounge. Kunden  der Ersten Klasse sowieso - für sie steht in Köln, Berlin, Frankfurt, München und Hamburg ein separates Abteil mit zusätzlichem Service zur Verfügung. Kommt der HON-Circl a la Lufthansa, mit der die Fluggesellschaft Top-Kunden ködert? "Das ist für uns aktuell kein Thema", sagt Huber. „2006 haben wir in den Lounges der wichtigsten Umsteigebahnhöfe separate Bereiche ausschließlich für 1. Klasse-Reisende eingerichtet. Auf diese Weise haben wir für alle Seiten eine zufriedenstellende Lösung gefunden.“ Damit bleibt es bei 2000 Bahncomfort-Punkten oder einer 1. Klasse Fernverkehrsfahrkarte, die zum Lounge-Zugang berechtigen. Fakt ist aber auch: Die Bahn hat schon mal über den Ausbau der Lounges auf Top-Kunden nachgedacht. Die Idee scheiterte auch daran, dass eine zusätzliche Segmentierung schwierig ist. Quelle: dpa/dpaweb
3. Wieso Werbekunden vergeblich Schlange stehen15 bis 20 Minuten warten die Leute in der Lounge  durchschnittlich, haben Messungen ergeben. "Und wer warten muss, will entspannen oder die Zeit sinnvoll nutzen, beispielsweise zum Arbeiten", sagt Huber. Es gibt Zeitungslektüre und Internetplätze sowie kostenfreien WLAN-Zugang. Mehr nicht und das wird auch so bleiben. Denn einzelne Aktionen floppten. So stand 2006 parallel zur Fußball-WM in einer Lounge ein Kicker-Tisch. "Ein Teil unserer Gäste hat diese Aktion begrüßt. Andere fühlten sich gestört", sagt Huber. „Das Ruhebedürfnis überwiegt, die Lounges sind Rückzugsort für unsere Gäste. Deshalb selektieren wir heute ganz bewusst bei den Aktionen." Dabei stehen Werbeunternehmen eigentlich Schlange, vor allem Anlageberater und Versicherungen seien interessiert. Quelle: dpa
4. Warum Berlin aus allen Nähten platztBillig ist anders. Einige Standorte kosten 30.000 Euro und mehr pro Monat. Die Lounges sind Bestandteil der Konzernsparte DB Fernverkehr. Und sie müssen groß, zentral und gut erreichbar sein. In Berlin quillt die Lounge zu Stoßzeiten wie am Freitag Nachmittag längst über. Das Unternehmen sucht nun nach neuen Räumen - angesichts der vermieteten Top-Standorte im Berliner Hauptbahnhof kein leichtes Unterfangen. Sonderkonditionen von der Konzernschwester DB Station & Service, die die Bahnhofsräume vermietet, gibt es nicht. Quelle: dpa
5. Weshalb Karlsruhe der Verlierer istDer ehemalige Bahnchef Hartmut Mehdorn war ein großer Verfechter der DB Lounges. "Ich eröffne keinen Bahnhof mehr ohne Lounge", soll er gesagt haben. Dresden bekam eine Lounge, weil Mehdorn es wollte.  In 15 Bahnhöfen gibt es Lounges derzeit. Doch ein Ausbau wird nicht verfolgt. Karlsruhe galt zeitweise als möglicher Kandidat, doch davon hat die Bahn Abschied genommen. Grund: zu wenige Um- und Einsteiger.  Eher wird die Bahn ihre Lounges vergrößern - sofern Platz in den Bahnhöfen vorhanden ist. Quelle: AP
6. Wieso Anspruch und Wirklichkeit oft auseinander klaffenFür zahlreiche Vielfahrer ist die Lounge ein unverzichtbarer Teil ihrer Reise - vor allem, wenn ein Zug verspätet ist oder der Reisende wegen eines Geschäftstermins die Abfahrt verpasst. Kostenloses W-Lan bietet gute Voraussetzungen, um in der Lounge zu arbeiten. Sofern es keine Probleme mit dem Ausrüster Deutsche Telekom gibt. Denn eine Zeitlang schienen einige Hotspots nicht immer einwandfrei zu funktionieren. Das scheint behoben. Quelle: dpa/dpaweb

Auf die Spitze getrieben wird die Inflexibilität, weil die ICE-Züge quasi am Stück gebaut sind. Einen der acht Wagen einfach mal eben abzukoppeln, zum Beispiel weil er technische Probleme bereitet, fällt im Gegensatz zum alten Intercity aus. Zwar ist das Auswechseln eines Wagens grundsätzlich denkbar. Doch Insider berichten von mindestens „einem halben Tag, allein um einen einzelnen Wagen auszutauschen“. Hinzu komme eine oft mehrstündige Anfahrt zu einer der Bahn-Werkstätten.

Immerhin gibt es Anzeichen für Verbesserungen. Die starre Anordnung der Waggons wird bei der neuen ICE-Generation der Vergangenheit angehören. Siemens und die Deutsche Bahn haben sich auf ein revolutionäres Konzept verständigt, das die Zuglänge problemlos an die Nachfrage auf einer Strecke anpassen kann. Doch bis dahin werden noch viele Züge in falscher Reihenfolge durchs Land rattern – denn die neuen kommen frühestens 2016 – wenn Siemens das bis dahin schafft.

Eine U-Bahn ohne Lokführer

Online-Verbindung vielfach nicht möglich

Konzernchef-Grube will die Bahn moderner und komfortabler machen, kann die geweckten Erwartungen aber häufig nicht erfüllen. So wirbt die Bahn mit einem „besonderen Service“. In vielen ICE-Zügen mit WLAN könnten sich die Fahrgäste „drahtlos ins Internet einloggen – und das sogar bei bis zu 300 km/h“, heißt es auf der Web-Site des Konzerns. „Kein anderes Verkehrsmittel bietet so optimale Bedingungen zur Internet-Nutzung wie der ICE.“

Ortwin Wanke hat ganz andere Erfahrungen gemacht. Der 49-Jährige organisiert Kongresse und Workshops für die Pharma- und Gesundheitsbranche und fährt beruflich mindestens zwei Mal pro Woche ICE, samstags auch privat zu Fußballbundesligaspielen nach Hannover. Er besitzt eine Bahncard 100 für die zweite Klasse zum Preis von 3.990 Euro pro Jahr. Er könne in der Bahn „größtenteils gut arbeiten oder entspannen“, sagt der freiberufliche Eventmanager aus Berlin.

Doch „größtenteils gut arbeiten“ schließt bei Wanke ein, dass er das ausgerechnet nicht zwischen Berlin und Hannover sowie Hamburg kann, wo er jede Woche mindestens einmal unterwegs ist. Hier sei das Internet im ICE „eine Katastrophe“, sagt Wanke. „Ich überlege ernsthaft, wieder auf den Flieger umzusteigen“ – trotz Flugangst.

Mit solchen Unzulänglichkeiten frustriert die Bahn ihre jüngeren und ihre zahlungskräftigsten Kunden. Aber offenbar spielen die Verantwortlichen bei der Bahn auf Zeit und hoffen auf den neuen superschnellen Mobilfunkstandard LTE. Dann können die Kunden über das Handynetz surfen, und die bislang nur halbherzig aufgebaute teure Bord-WLAN-Infrastruktur mit neuen Funkmasten an den Strecken wäre obsolet. Doch flächendeckend ist damit nicht vor 2015 zu rechnen.

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