Auf die Spitze getrieben wird die Inflexibilität, weil die ICE-Züge quasi am Stück gebaut sind. Einen der acht Wagen einfach mal eben abzukoppeln, zum Beispiel weil er technische Probleme bereitet, fällt im Gegensatz zum alten Intercity aus. Zwar ist das Auswechseln eines Wagens grundsätzlich denkbar. Doch Insider berichten von mindestens „einem halben Tag, allein um einen einzelnen Wagen auszutauschen“. Hinzu komme eine oft mehrstündige Anfahrt zu einer der Bahn-Werkstätten.
Immerhin gibt es Anzeichen für Verbesserungen. Die starre Anordnung der Waggons wird bei der neuen ICE-Generation der Vergangenheit angehören. Siemens und die Deutsche Bahn haben sich auf ein revolutionäres Konzept verständigt, das die Zuglänge problemlos an die Nachfrage auf einer Strecke anpassen kann. Doch bis dahin werden noch viele Züge in falscher Reihenfolge durchs Land rattern – denn die neuen kommen frühestens 2016 – wenn Siemens das bis dahin schafft.
Eine U-Bahn ohne Lokführer
Online-Verbindung vielfach nicht möglich
Konzernchef-Grube will die Bahn moderner und komfortabler machen, kann die geweckten Erwartungen aber häufig nicht erfüllen. So wirbt die Bahn mit einem „besonderen Service“. In vielen ICE-Zügen mit WLAN könnten sich die Fahrgäste „drahtlos ins Internet einloggen – und das sogar bei bis zu 300 km/h“, heißt es auf der Web-Site des Konzerns. „Kein anderes Verkehrsmittel bietet so optimale Bedingungen zur Internet-Nutzung wie der ICE.“
Ortwin Wanke hat ganz andere Erfahrungen gemacht. Der 49-Jährige organisiert Kongresse und Workshops für die Pharma- und Gesundheitsbranche und fährt beruflich mindestens zwei Mal pro Woche ICE, samstags auch privat zu Fußballbundesligaspielen nach Hannover. Er besitzt eine Bahncard 100 für die zweite Klasse zum Preis von 3.990 Euro pro Jahr. Er könne in der Bahn „größtenteils gut arbeiten oder entspannen“, sagt der freiberufliche Eventmanager aus Berlin.
Doch „größtenteils gut arbeiten“ schließt bei Wanke ein, dass er das ausgerechnet nicht zwischen Berlin und Hannover sowie Hamburg kann, wo er jede Woche mindestens einmal unterwegs ist. Hier sei das Internet im ICE „eine Katastrophe“, sagt Wanke. „Ich überlege ernsthaft, wieder auf den Flieger umzusteigen“ – trotz Flugangst.
Mit solchen Unzulänglichkeiten frustriert die Bahn ihre jüngeren und ihre zahlungskräftigsten Kunden. Aber offenbar spielen die Verantwortlichen bei der Bahn auf Zeit und hoffen auf den neuen superschnellen Mobilfunkstandard LTE. Dann können die Kunden über das Handynetz surfen, und die bislang nur halbherzig aufgebaute teure Bord-WLAN-Infrastruktur mit neuen Funkmasten an den Strecken wäre obsolet. Doch flächendeckend ist damit nicht vor 2015 zu rechnen.