Schuld hat die Eisenbahnindustrie, die sich in den vergangenen 20 Jahren zum Oligopol entwickelte. Konzerne wie Siemens, der kanadische Anbieter Bombardier und Frankreichs Alstom teilen sich das Geschäft zumindest in Europa mehr oder weniger friedlich untereinander auf oder kooperieren sogar. Wer erst einmal einen Großauftrag gewonnen hat wie Siemens 2008 als alleiniger Bieter für den neuen ICE, kann sich danach fast alles erlauben.
So war Alstom-Managern nach Informationen der WirtschaftsWoche schon 2008 klar, dass sie die verlangten ICE wegen der komplexen Zulassungsprozedur nicht wie von Siemens versprochen bis 2011 würden liefern können. Die Franzosen zogen sich deshalb aus dem Bieterverfahren zurück. Der Auftrag ging unter dem damaligen Bahn-Chef Hartmut Mehdorn an Siemens, die Quittung erhält nun Nachfolger Grube.
Dennoch entschied der sich im Mai 2011, den gigantischen Auftrag über bis zu 220 ICE der künftigen Generation von 2016 an für sechs Milliarden Euro ebenfalls an Siemens zu vergeben. Alstom wollte sich dem Vernehmen nach von Grube nicht dazu bewegen lassen, ein Gegenangebot zu unterbreiten. Die Franzosen ahnten vermutlich, dass ein deutsches Staatsunternehmen wie die Bahn einen solchen Auftrag mit Blick auf die Jobs kaum ins Ausland vergeben würde.
Aus dieser Zwickmühle kommt die Bahn allenfalls langsam heraus. Konzernchef Grube hat das Manko zumindest erkannt und begonnen, die Zahl der Zuglieferanten zu erhöhen. Mit Hitachi aus Japan, Pesa aus Polen und CAF aus Spanien hat die Bahn inzwischen drei weitere Hersteller gewonnen, die mit Regionalzügen gegen die bisherigen Anbieter antreten – und vielleicht auch irgendwann einmal mit Fernzügen. Doch das wird dauern, wenn es überhaupt jemals dazu kommt. Wahrscheinlicher ist sogar, dass Konkurrenten der Deutschen Bahn mit Hochgeschwindigkeitszügen wie dem AGV von Alstom hier auftauchen. In Italien ist genau das passiert, und der Wettbewerb zwischen Neapel und Mailand brummt.
Hartnäckige Engpässe
Es gab Zeiten, da galt bei der Bahn: Niemals soll ein ICE den Bahnhof verlassen, während gerade ein anderer ICE mit Anschluss-Reisenden einfährt. Für so viel Kulanz fehlen inzwischen aber nicht nur die Züge, sondern an großen Bahnhöfen zudem die Gleise für wartende Züge.
Am größten ist die Verzweiflung der Fahrgäste, die wie Ex-Bahncard-100-Besitzer Appelt ihrem Anschlusszug hinterherschauen, immer wieder in Köln, Mannheim und Hannover. Die Bahnhöfe sind zentrale Umsteigestationen. In Köln teilen sich zum Beispiel die Strecken nach Düsseldorf und nach Hagen, in Hannover wechseln Reisende die ICE Richtung Hamburg oder Berlin sowie nach Köln oder Frankfurt.