Damit steht die Millionenstadt nicht allein. Das verschlissene und verstopfte Schienennetz ist eines drängendsten ungelösten Probleme der Bahn. Gleise, Weichen und Brücken altern – der Instandhaltungsaufwand wird immer größer. Den Infrastrukturberichten der Bahn zufolge ist von 2005 bis 2011 das Durchschnittsalter der Weichen von 16,5 auf 19,7 Jahre, der Gleise von 19,7 auf 20,8 und der Eisenbahnbrücken von 52,4 auf knapp 55 Jahre gestiegen.
Verantwortlich dafür sind die Bahn, weil sie Geld aus den Infrastruktursparten abzieht, sowie die Bundesregierung, weil sie die nötigen Investitionen scheut, obwohl der Bund laut Grundgesetz dafür zuständig ist. Bahn-Infrastrukturvorstand Volker Kefer forderte jetzt mehr öffentliche Mittel – die Infrastruktur sei nicht „nachhaltig finanziert“. Der Bund müsste mindestens eine Milliarde Euro mehr pro Jahr in das bestehende Netz investieren, meinen Experten. „Oder die Bahn könnte selber mehr aus ihren eigenen Gewinnen ins Netz einbringen“, sagt Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Das Unternehmen ziehe derzeit mehr Finanzmittel aus der Infrastruktur, als es in das Schienennetz investiere.
Geschäftsentwicklung von DB Regio
Ergebnis: 922 Millionen Euro
Umsatzrendite: 17,5 %
Ergebnis: 732 Millionen Euro
Umsatzrendite: 13,5 %
Ergebnis: 545 Millionen Euro
Umsatzrendite: 10,1 %
Ergebnis: 765 Millionen Euro
Umsatzrendite: 14,2 %
Doch selbst mit einer Milliarde Euro mehr bliebe Deutschland bei den Investitionen pro Kilometer Schiene im europäischen Vergleich das Schlusslicht. Deutschland leistet sich zwar nach der Schweiz und den Niederlanden das am stärksten ausgelastete Netz, investiert aber derzeit jedes Jahr nur 130.000 Euro pro Schienenkilometer in den Erhalt. Die Holländer geben sieben Mal so viel dafür aus, die Schweizer fünf Mal und die Österreicher, Italiener und Spanier immerhin noch fast drei Mal so viel. Zwar hat Verkehrsminister Ramsauer 750 Millionen Euro mehr für den Verkehrsetat 2013 herausgehandelt, doch davon gehen nur 40 Millionen Euro in die Schiene. Das Gros erhält der Straßenbau.
Zu starr und zu komplex
„Information zu ICE 951 nach Berlin Ostbahnhof. Dieser Zug verkehrt heute in umgekehrter Wagenreihung.“ Viele Reisende kennen solche Durchsagen und die Folgen: Sie stehen mit ihrer Platzkarte an der richtigen Stelle am Bahnsteig, müssen nun aber rennen und binnen Kurzem durch 400 und mehr Wartende hecheln.
Und warum? Weil die Deutsche Bahn dafür sorgte oder zuließ, dass das „Rad-Schiene-System“, wie Ex-Chef Mehdorn gern sagte, immer komplexer und damit unflexibler wurde. Dafür sorgten fast ein Jahrzehnt lang Grubes Vorgänger Mehdorn und dessen Finanzchef Diethelm Sack, indem sie die Bahn bis 2008 börsenfähig machten und dadurch an allen Ecken und Enden auf Kante nähten. Der Gang aufs Parkett scheiterte durch die Zuspitzung der Finanzkrise nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers.
An den fehlenden Reserven krankt die Bahn bis heute und vermutlich noch längere Zeit. Beispiel Hauptbahnhof Hamburg: Trifft ein ICE abends verspätet ein, und erreicht er die Werkstatt im Stadtteil Eidelstedt erst nach dem Ende der Tagesschicht, wird es knapp: Zeit und Personal reichen dann oft gerade noch aus, um den Zug über Nacht zu säubern und ihn zu warten. Den ICE dann auch noch zu wenden, um ihn am nächsten Morgen mit Waggons in der richtigen Reihenfolge loszuschicken, geht nicht mehr: dauert mindestens zwei Stunden, also zu lang, bräuchte zusätzliches Personal sowie eine nächtliche Sondergenehmigung der Leitstelle.
Auch die Waggons kurzerhand einfach elektronisch umzunummerieren ist unmöglich. Das verhindert die Anordnung des Kinderabteils, des Bordbistros, der ersten Klasse und der im Reiseplan an den Plätzen ausgewiesenen Behindertenplätze und -Toiletten.