Heidrick & Struggles Wenn die Headhunter zu Gejagten werden

Seite 2/2

Von oben weggebissen

So vermeiden Sie Fehler mit Headhuntern
Sich hochrechnen: Jeder Headhunter benötigt eine genaue Angabe des Jahreseinkommens eines Kandidaten. Variable Anteile und zahlreiche sogenannte fringe benefits wie PKW, Versicherungen, Boni und so weiter sind jedoch nicht so ohne Weiteres in ein Gesamteinkommen umzurechnen. Natürlich möchte fast jeder Kandidat bei einem Job-Wechsel ein deutlich höheres Einkommen realisieren. Deshalb versuchen viele, ihr derzeitiges Einkommen hochzurechnen. Aber intransparente oder gar falsche Aussagen zum aktuellen Beschäftigungsverhältnis zerstören jegliches Vertrauen. Der Berater muss von Ihnen auch ehrlich überzeugt sein, um Sie bedenkenlos zu empfehlen. Quelle: Fotolia
Den Lebenslauf fälschen: Richtig gefälschte Lebensläufe kommen selten vor. Werden sie entdeckt, ist die Karriere des Kandidaten abrupt abgebrochen. Häufiger kommen jedoch "geschönte" Lebensläufe vor, indem beispielsweise Positionen besser dargestellt werden. Wenn der Headhunter dies herausfindet, hat er sofort Zweifel in die Qualifikation des Kandidaten. Stellt dies jedoch erst der Vorgesetzte im neuen Unternehmen fest, dann ist Vertrauensverhältnis zum neuen Unternehmen arg ramponiert. Quelle: gms
"Ich wäre froh, hier wegzukommen"Auch wenn das Jobangebot für Sie wie ein wahrer Segen erscheint, bleiben Sie sachlich. Schimpfen Sie nicht über Ihren derzeitigen Arbeitgeber. Schließlich erwartet man auch in Ihrem neuen Job Souveränität und Loyalität. Quelle: Fotolia
"Wie sind Sie auf mich gekommen"Fragen Sie den Headhunter nicht, wieso er eigentlich ausgerechnet bei Ihnen anruft. Sie sollten selbstbewusst sein. Offenbar hat man Sie in Ihrer Branche oder Funktion als kompetent wahrgenommen. Quelle: dpa
Misserfolge vertuschen: Ein Misserfolg im Job ist nicht unehrenhaft, sein Verschweigen aber durchaus. Entweder dem Berater oder spätestens bei der Vorstellung im Unternehmen fällt dieser Schwindel auf und der neue Job ist weg. Quelle: Fotolia
Nicht angefallene Kosten abrechnen: Jeder Kandidat hat ein Eigeninteresse am neuen Job, trotzdem erlauben es die gesetzlichen Bestimmungen, dem Unternehmen die Kosten für die Anreise zum Vorstellungsgespräch in Rechnung zu stellen. Selbstbewusste Kandidaten berücksichtigen das. Peinlich wird es aber, wenn Kandidaten durch den Vorstellungsprozess ihr Einkommen aufbessern wollen, indem sie dem Headhunter oder dem Unternehmen Reisekosten zusenden, obwohl sie ihren aktuellen Dienstwagen benutzt habe. Ähnliche Tricks kommen immer wieder vor. Das Ansehen des Kandidaten sinkt damit rapide. Quelle: Fotolia
Wohnungs- und Anstellungswechsel nicht mitteilen: Die Datenbanken der Headhuntern müssen immer wieder aktualisiert werden. Für eine effektive Zusammenarbeit mit dem Headhunter sollte jeder Kandidat persönliche Veränderungen umgehend mitteilen. Er bleibt damit im Focus und erspart dem Berater mühselige Suchaktionen. Quelle: Fotolia

Noch vor Kellys Aufstieg zum Weltchef 2006 kam es zum Krach mit der Deutschland-Dependance, so mit dem damaligen Geschäftsführer Tiemo Kracht, der Beraterlegende Jürgen Mülder sowie Hochkarätern wie Christoph Netta und Mathias Hiebeler. „Wer zu selbstbewusst auftrat und Kelly gefährlich werden konnte, wurde früher oder später weggebissen“, erinnert sich ein Insider. Alle vier kehrten Heidrick anschließend den Rücken.

Die Abgänge blieben nicht ohne Folge. „Von dem ersten großen Aderlass Mitte der 2000er-Jahre hat sich Heidrick & Struggles in Deutschland nie richtig erholen können“, urteilt Wettbewerber Heiner Thorborg. Auch weltweit sank der Umsatz, um fast 15 Prozent auf 554 Millionen Dollar. Gleichzeitig wurde aus den 56 Millionen Dollar Gewinn von 2007 binnen vier Jahren ein Verlust von knapp 34 Millionen Dollar. Beim Versuch gegenzusteuern verprellte Kelly seine Leute weiter. So wurden die Regeln für Boni-Zahlungen immer wieder geändert – gern auch kurz vor der Auszahlung. Abzüge gab es beispielsweise, wenn die Mandanten verspätet überwiesen.

„Dabei wusste jeder, dass solche Verzögerungen häufig auf Kellys Entscheidung zurückzuführen waren, die gesamte Buchhaltung zentral von den USA aus zu steuern“, berichtet ein Ex-Partner. „Die zentrale Buchhaltung in den USA war nämlich über längere Zeit nicht in der Lage, nach länderspezifischen Standards zu fakturieren, sodass in Deutschland über Monate keine Rechnungen rausgeschickt werden konnten.“ Was viele besonders erzürnte: Die Abzüge wurden nicht kompensiert, wenn sie später die Einnahmen steigerten.

Heidrick & Struggles hält an Kelly fest

Für zusätzlichen Zoff sorgte Kellys Entscheidung im Herbst 2011, die Budget-Verantwortung von den globalen Praxisgruppenleitern auf die Regionalverantwortlichen zurückzuverlagern. Denn dadurch fühlten sich verdiente Praxisgruppenleiter degradiert. Vor gut anderthalb Jahren sollen darum Frustrierte aus der weltweiten Organisation bei Chairman Beattie interveniert haben. „Sie haben gefordert, Kelly auszutauschen“, berichtet ein Insider. Doch die Meuterei blieb ohne Folgen. Beattie soll den Aufmüpfigen erklärt haben, dass Kelly nicht zur Disposition stehe.

Auch zu diesen Behauptungen mag die Zentrale in den USA keine Stellungnahme abgeben. „Wie auch andere Unternehmen unserer Industrie bewegen wir uns in einer wirtschaftlich herausfordernden Umgebung“, heißt es. Der Ansatz, sowohl Führungskräfte zu suchen als auch die Auftraggeber dabei zu beraten, stelle „den bestmöglichen Wert für alle Beteiligten“ dar.

Doch davon lassen sich auch jahrelange Kelly-Befürworter nicht mehr beeindrucken. So lief Jens-Thomas Pietralla, der erst im Januar neben Stimpel Deutschlandchef von Heidrick & Struggles wurde, im September zu Russell Reynolds über. Und Wolfgang Schmidt-Soelch, bisher bei Heidrick & Struggles zuständig für den deutschsprachigen Raum wechselte zum Marktführer Korn/Ferry.

Ex-Heidrick-Berater Hiebeler, der 2007 zusammen mit weiteren Abtrünnigen die Personalberatung Heads! gründete, glaubt nicht, dass das gelingt: „Die Marke hat noch viel Potenzial, aber nur ohne Kelly.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%