Hidden Champions Deutsche Start-Ups erobern das Silicon Valley

Das Erfolgsrezept der deutschen Start-Ups: Sie entwickeln nicht wie viele andere Apps oder Online-Shops für die Masse, sondern bieten Unternehmenskunden hoch spezialisierte Dienste und Software an.

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Männer beherrschen das Silicon Valley
TwitterGeschlechter: Twitter beschäftigt von allen großen IT-Firmen im Silicon Valley die wenigsten Frauen im Technikbereich. Gerade mal zehn Prozent tüfteln am sozialen Nachrichtendienst. Konzernweit sind 30 Prozent Frauen für Twitter im Einsatz. Immerhin gibt es im nicht-technischen Bereich ein Pari mit einer 50/50-Verteilung. Anders sieht es wieder in der Führungsebene aus. Bei Twitter haben 79 Prozent Männer das Sagen und lediglich 21 Prozent Frauen.Ethnischer Hintergrund:  Im Schmelztiegel USA ist vor allem die ethnische Zusammensetzung wichtig. Diese weisen die IT-Unternehmen daher nochmal gesondert für die Vereinigten Staaten aus. Dabei fällt schnell auf: In den Internet-Firmen dominieren generell die Weißen, Asiaten stellen die größte Minderheit dar. Für Twitter arbeiten konzernweit 59 Prozent Weiße und 29 Prozent Asiaten. Im Technikbereich ist diese Verteilung ähnlich mit minimal mehr Asiaten: 58 Prozent sind weiß, 34 Prozent haben einen asiatischen Hintergrund. Auch im nicht-technischen Bereich sind die Weißen mit 60 Prozent vertreten.Mehr zur Mitarbeiterzusammensetzung bei Twitter. Quelle: REUTERS
YahooGeschlechter: Am vielfältigsten unter den IT-Riesen des Silicon Valley ist Yahoo. Mit 37 Prozent Frauen und 62 Prozent Männern gibt es konzernweit zwar immer noch eine männliche Mehrheit  – diese ist aber nicht so groß wie bei anderen großen Internetkonzernen. Im Technikbereich ist der Unterschied zu Twitter allerdings nicht mehr so groß: 15 Prozent Frauen sind für die Technik zuständig und 85 Prozent Männer. Auf der Führungsebene dominieren Männer mit 77 Prozent.Ethnischer Hintergrund: Auch bei der Mitarbeiterzusammensetzung zeigt sich Yahoo diversifizierter: Weiße machen unternehmensweit 50 Prozent aus, den Rest stellen Angehörige von Minderheiten dar. Auch hier sind Asiaten die größte Gruppe. Konzernweit sind 39 Prozent Asiaten beschäftigt, im Technikbereich sogar 57 Prozent. Hier stellen Weiße lediglich 35 Prozent der Mitarbeiter dar.Hier finden Sie ausführliche Daten zur Mitarbeiterzusammensetzung bei Yahoo. Quelle: REUTERS
GoogleGeschlechter: Bei Google arbeiten konzernweit 30 Prozent Frauen und 70 Prozent Männer. Im Technikbereich ist der Unterschied allerdings noch größer. Hier sind 83 Prozent Männer und 17 Prozent Frauen beschäftigt. Im nicht-technischen Segment ist die Verteilung mit 48 Prozent Frauen und 52 Prozent Männern nahezu gleich.  Allerdings haben Frauen im Konzern trotzdem weniger zu melden, wenn man einen Blick auf die Chefetage wirft. 79 Prozent der Führungsfiguren sind Männer, 21 Prozent Frauen.Ethnischer Hintergrund: 60 Prozent Weiße arbeiten unternehmensweit in den USA für Google, Asiaten stellen mit 30 Prozent die größte Minderheit dar. Im Technikbereich sind sie mit 34 Prozent etwas stärker vertreten, im nicht-technischen sowie im Führungsbereich machen sie lediglich 23 Prozent aus.Einen ausführlichen Blick auf die Diversity-Zahlen des Konzerns finden Sie bei Google selbst.   Quelle: dpa
FacebookGeschlechter: Facebook beschäftigt konzernweit 69 Prozent Frauen und 31 Prozent Männer. In der Technik sind es 15 Prozent Frauen und 85 Prozent Männer. Auch auf der Chefetage dominieren die Männer: 77 Prozent scharen sich um Mark Zuckerberg, lediglich 23 Prozent sind Frauen. Im nicht-technischen Bereich ist die Verteilung nahezu gleich mit 53 Prozent Männern und 47 Prozent Frauen.Ethnischer Hintergrund: Weiße machen bei Facebook in den USA 57 Prozent der Mitarbeiter aus. Asiaten kommen auf 34 Prozent, Lateinamerikaner auf vier Prozent. Nur zwei Prozent sind Afroamerikaner.Mehr Informationen dazu gibt es bei Facebook selbst. Quelle: AP
LinkedInGeschlechter: Aus den im Juni 2014 veröffentlichten Mitarbeiterzahlen des Berufsnetzwerks LinkedIn geht hervor, dass firmenweit 61 Prozent Männer und 39 Prozent Frauen arbeiten. Gerade im Technikbereich dominieren die Herren: 83 Prozent halten das LinkedIn-Netzwerk technisch am Laufen und lediglich 17 Prozent Frauen. Im nicht-technischen Bereich liegt zwischen den Geschlechtern eine nahezu gleiche Verteilung vor. 47 Prozent Frauen und 53 Prozent Männer sind dort im Einsatz. In der Führungsebene sind Frauen wieder in der Minderheit. 25 Prozent der hohen Posten sind weiblich besetzt, 75 Prozent männlich.Ethnischer Hintergrund: In den USA stellen Weiße mit 53 Prozent unternehmensweit die meisten Mitarbeiter dar. Asiaten sind mit 38 Prozent die größte Minderheit, gefolgt von Lateinamerikanern (4 Prozent) und Afroamerikanern (2 Prozent). Am meisten Weiße sind mit 65 Prozent in der Führungsebene vertreten.Hier finden Sie ausführliche Daten zur Mitarbeiterzusammensetzung bei LinkedIn. Quelle: AP

Zwischen all den coolen Gründertypen, die neue Messenger-Dienste wie WhatsApp oder andere verrückte Apps entwickeln, wirkt Tobias Bauckhage wie der Chef eines Versicherungskonzerns. Grundsolide ist das Geschäftsmodell seines Start-ups Moviepilot und auch ein wenig altmodisch. Die werbefinanzierte Filmempfehlungsseite ist auch schon seit sieben Jahren im Netz. Bauckhages Unternehmen mit Sitz am Mehringdamm in Berlin-Kreuzberg nimmt damit Jahr für Jahr hohe einstellige Millionensummen ein.

Auf den zweiten Blick ist das Geschäft des 38-Jährigen aber so aufregend, wie es eines seiner Profilbilder im Internet verspricht: Auf dem Foto sieht Bauckhage aus wie Johnny Depp im Drogentrip-Film „Fear and Loathing in Las Vegas“ – mit getönter Skibrille posiert er in der Wüste, die lange Zigarette lässig im Mundwinkel.

MOVIEPILOT - Tobias Bauckhage: Bauckhage hilft Hollywood-Studios bei der Werbung in Facebook. Facebook-Fans: 27 Millionen Quelle: Gabor Ekecs für WirtschaftsWoche

Die coole Pose passt, denn in Hollywood ist der deutsche Unternehmer inzwischen ein heimlicher Star. 2012 ging er nach Los Angeles. Am „Silicon Beach“, wo der angesagte Bilderdienst Snapchat oder das Filmportal Hulu sitzen, eröffnete Bauckhage eine Niederlassung und startete eine englische Version von Moviepilot. Inzwischen hat er monatlich bis zu 20 Millionen Besucher, bei Smartphone-Nutzern gehört Moviepilot zu den 50 beliebtesten Seiten der USA. Bei Facebook zählt Bauckhages Unternehmen 27 Millionen Anhänger, verteilt auf Unterseiten für Fans etwa von Vampirfilmen oder von romantischen Komödien.

Im Stammland der digitalen Avantgarde

Vor allem mit dem Wissen über die Vorlieben seiner Nutzer macht der gebürtige Bad Harzburger inzwischen sein Geschäft. „Wir haben mehr Daten über Filmfans als manche Studios“, sagt Bauckhage. Dieses Wissen stellt er den Marketingmanagern in Hollywood zur Verfügung: Wenn Sony oder 20th Century Fox Werbefeldzüge für neue Filme entwickeln, hilft Bauckhage mit seiner mächtigen Datenbank bei der Planung der Kampagnen auf Facebook. Dafür investieren die Filmproduktionsfirmen inzwischen sechsstellige Summen. „Wir konnten unser Geld viel effizienter ausgeben“, sagt Lutz Rippe, Marketingchef bei Studiocanal. Er hat mit Bauckhages Hilfe zuletzt den zweiten Teil der „Tribute von Panem“ in Deutschland beworben: Statt wie sonst 50 musste er nur 30 Cent pro Facebook-Fan ausgeben.

Venice FC: In dem temporären Biergarten organisierte Bauckhage Fußball-WM-Veranstaltungen mit deutschen Gründern und Mitarbeitern von Firmen wie YouTube Quelle: Gabor Ekecs für WirtschaftsWoche

Neben Moviepilot gibt es eine ganze Reihe deutscher Start-ups, die Büros in den USA eröffnet haben, um im Stammland der digitalen Avantgarde mit den US-Newcomern zu konkurrieren. Ihre Geschäfte machen sie ohne großes Tamtam und weitgehend unbemerkt von der breiteren Öffentlichkeit. Weder programmieren sie bekannte Apps, noch gehören sie zu den Online-Händlern, die auf Apple-Normalverbraucher zielen. Ihre Strategie ist unauffällig, aber erfolgreich: Sie bieten hoch spezialisierte Dienste und Software an, etwa für Datenanalyse oder Smartphone-Werbung. Ihre Kunden sind nicht die breite Masse, sondern zahlungskräftige Unternehmen wie Siemens, SAP oder Zalando.

Auch in den USA sind die deutschen Spezialisten zunehmend gefragt. Bei Per Fragemann stammen sogar drei Viertel der 350 Kunden aus den Vereinigten Staaten. Der Chef und Gründer des Berliner Unternehmens Small Improvements bietet Personalchefs eine Software, um Mitarbeiter-Feedback einzuholen. Das populäre Netzwerk Pinterest, Browser-Urgestein Opera oder die aus Australien stammenden Spezialisten für Surferkleidung von Quicksilver nutzen Small Improvements. In Deutschland hat Fragemann dagegen nicht einmal ein Dutzend Kunden. Die meisten Rechnungen seiner deutschen GmbH werden in Dollar fakturiert, darum zählt er auch den Umsatz in der US-Währung: „In den vergangenen 52 Wochen hatten wir 1,3 Millionen“, sagt Fragemann. Die Euro-Million müsste also bald geknackt sein.

Bei diesen Unternehmen werden Praktikanten reich
AppleDie amerikanische Plattform Glassdoor, die Unternehmen nach Arbeitsatmosphäre, Gehalt und sonstigen Leistungen bewertet, hat eine Liste der Firmen erstellt, die ihre Praktikanten am besten bezahlt. Demnach bekommt so mancher Praktikant im Silicon Valley ein deutlich höheres Jahresgehalt, als ein durchschnittlicher Angestellter. Während dem Durchschnittshaushalt pro Jahr nämlich 53.046 Dollar zur Verfügung stehen, kann es so mancher Praktikant auf rund 75.000 Dollar bringen, wenn er ein ganzes Jahr im Unternehmen bleibt. Bei Apple in den USA bekommen Praktikanten pro Monat 5723 Dollar, also gut 4.169 Euro brutto. Davon können auch hierzulande viele Facharbeiter nur träumen. Quelle: dpa
GoogleAuf Platz neun folgt der Suchmaschinenriese Google. 5969 Dollar verdienen Praktikanten bei dem Konzern. Wenig verwunderlich, dass 74 Prozent der Praktikanten in den USA bei einer Umfrage sagten, dass die Bezahlung bei einer Praktikumsstelle eine große Rolle spiele. Quelle: dpa
ExxonMobilExxonMobil ist unter den Firmen mit den bestbezahlten Praktikanten ein Exot. Immerhin stammen 19 der 25 Unternehmen aus der IT-Branche, vier kommen wie ExxonMobil aus dem Energiesektor. Pro Monat verdienen die "Interns" des Mineralölkonzerns 5972 Dollar brutto. Quelle: REUTERS
EbayAuch Ebay bezahlt seine Praktikanten mit 6126 Dollar pro Monat mehr als gut. Dennoch zählt die für die Praktikanten nicht nur das Geld: 77 sagten gegenüber glassdoor.com, dass sie sich von einem Praktikum bei einem der großen Konzerne vor allem einen Karrieresprung erhoffen. Für jeweils 41 Prozent sind außerdem der Standort und die 41 Unternehmenskultur wichtig. Quelle: REUTERS
MicrosoftBei Microsoft bekommen Praktikanten monatlich 6138 Dollar brutto. Quelle: REUTERS
FacebookNur unwesentlich lukrativer ist ein Praktikum beim Internetriesen Facebook. Mit einem Monatsgehalt von 6213 Dollar pro Monat für Praktikanten landet Facebook auf Platz fünf im Ranking. Quelle: AP
LinkedInDas US-Karrierenetzwerk LinkedIn hat das Treppchen verfehlt und landet auf Platz vier. Trotzdem verdienen Praktikanten dort fürstliche 6230 Dollar im Monat. Quelle: dapd

In der deutschen Gründerszene werden diese Hidden Champions im Gegensatz zu manchem gehypten Berliner Start-up kaum wahrgenommen. Dabei hat es sogar schon den Milliardenexit gegeben, auf den Investoren und Gründer hierzulande so sehnsüchtig warten: Im Mai wurde TeamViewer aus dem schwäbischen Göppingen übernommen, ohne das jemand groß Notiz davon nahm. Der britische Finanzinvestor Permira zahlte schätzungsweise zwischen 800 Millionen und 1,1 Milliarden Dollar für das Unternehmen.

TeamViewer stellt eine Software her, mit der Computer aus der Ferne gesteuert werden. So können etwa die Kinder damit auf den Rechner der Eltern zugreifen und ein Software-Update installieren, wenn nichts mehr geht. 200 Millionen Anwender weltweit nutzen das Programm, auch in den USA wird TeamViewer immer populärer – vor allem, seit Ende 2013 ein US-Konkurrent mit einer ähnlichen Software seine kostenlose Einstiegsversion abgeschafft hat.

Allgegenwärtige Helden

„Jetzt entsteht die nächste große Generation an Start-ups“, sagt Dirk Kanngiesser, Geschäftsführer des German Accelerators, einem Programm, das deutschen Gründern bei der Eroberung des US-Marktes hilft. Der 58-jährige Investor war während des ersten Internet-Booms zur Jahrtausendwende Mitglied einer Taskforce der Deutschen Börse, die den Neuen Markt aufbaute. Nun will Kanngiesser der neuen Gründergeneration zur Börsenreife verhelfen. Vor zwei Jahren startete das vom Bundeswirtschaftsministerium mit jährlich rund einer Million Euro finanzierte Beschleunigungsprogramm im Silicon Valley, in diesem Monat hat ein Ableger in New York eröffnet. Die Gründer bekommen für drei bis sechs Monate Büroräume gestellt. Bei Bedarf geben Silicon-Valley-Veteranen Ratschläge, wie Investoren am besten überzeugt werden können, oder vermitteln Kontakte.

Start-up

Einer von Kannegießers aktuellen Schützlingen in Palo Alto ist Sebastian Klenk. Der Manager leitet die Auslandsexpansion des Nürnberger Datenbankspezialisten Exasol. Der Softwareentwickler hat eine besonders schnelle Datenbank entwickelt, mit der Unternehmen wie Adidas, Xing oder Zalando ihre Kundendaten speichern und analysieren. 40 Millionen Euro nahm das 75 Mitarbeiter zählende Unternehmen damit 2013 ein.

Klenk hat ein Büro in einem unscheinbaren Flachbau an einer Ecke der University Avenue bezogen, die direkt zur Stanford-Universität führt. Neben seinem Schreibtisch steht ein Darth-Vader-Pappaufsteller – die „Star Wars“-Figur haben seine Vorgänger stehen lassen, als sie das Büro räumten.

STREETSPOTR - Dorothea Utzt, Werner Hoier, Holger Frank:Mit der Smartphone-App erledigen die Nutzer unterwegs kleine Aufträge für Unternehmen. Mitglieder: 250.000 Quelle: Presse

Die wichtigste Lektion speichern die Teams im Accelerator schon mit dem WLAN-Passwort: Thinkbig100. Das fällt nicht schwer. Denn die Spuren erfolgreicher Internet-Helden sind hier so allgegenwärtig wie Kirchen in europäischen Metropolen. In der Mittagspause etwa geht Klenk gern zu einem fünf Minuten entfernten Sandwichladen an der University Avenue: „Dort gegenüber war das erste Büro von Facebook“, sagt Klenk. Das stimmt zwar nicht ganz, Facebook hatte sein Büro einige Türen weiter, dafür wurde in dem gelbgrünen Haus 2005 Google gegründet. Später zog der Bezahldienst PayPal ein.

Klicks für die Datenbank

Wie seine großen Vorbilder zielt Exasol inzwischen auch auf internationale Kunden. Im vergangenen Jahr konnte beispielsweise der durch seinen Börsengang bekannte Smartphone-Spielehersteller King.com gewonnen werden. Das britische Unternehmen nutzt die Datenbank für sein beliebtes Spiel Candy Crush. „Jeder Klick bei Candy Crush landet in unserer Datenbank“, sagt Klenk stolz.

Mit Brigitte Zypries im Silicon Valley

In den USA taten sich die Deutschen bislang schwer, Hauptkonkurrent Oracle hat hier ein Heimspiel. Die ersten drei Monate seien ziemlich schwierig gewesen, sagt Klenk, inzwischen entwickele sich das Geschäft aber ziemlich gut. Bei zwei Kunden, darunter einem großen Forschungsinstitut, laufen derzeit Testinstallationen. Zur Akquisition des Instituts hatte ihm sein Mentor geraten: Wenn Exasol die Forscher als Referenz gewinnen könnte, würde das auf dem US-Markt alle Türen öffnen. „Ich kannte das Institut zwar, aber dass die so wichtig sind, war mir nicht bewusst“, sagt Klenk. „Durch die Unterstützung des Accelerators kann man bestimmte Situationen besser einschätzen.“

Jörg Bienert hat da schon mehr Erfahrung. Der Kölner war 2012 einer der ersten Teilnehmer des Accelerator-Programms. Auch Bienert hat mit seinem Unternehmen Parstream eine Technologie für Big-Data-Analysen entwickelt. Das Deutsche Klimarechenzentrum nutzt das Programm zur Vorhersage von Hurrikans, der multinationale Rohstoffriese Rio Tinto analysiert damit mögliche Lagerstätten von Bodenschätzen. Im Vorjahr nahm Parstream damit 2,2 Millionen Euro ein.

Wie wichtig der US-Markt für das Unternehmen ist, zeigt der jüngste Chefwechsel: Parstream hat den erfahrenen amerikanischen Marketingspezialisten Peter Jensen angeheuert, der den Job von Mitgründer Michael Hummel übernimmt und das US-Geschäft ankurbeln soll. Die Entwicklung bleibt aber in Köln und wird von Hummel als Technikchef geleitet. Bienert kümmert sich weiter um das Tagesgeschäft.

Millionenfinanzierungen

Technik in Deutschland und Marketing in den USA: Diese Arbeitsteilung ist häufig zu finden, vor allem aus Kostengründen. „Die Entwickler im Valley sind zwar teurer, aber nicht zwangsläufig besser“, sagt Bienert. Google oder Facebook etwa zahlen Uniabsolventen mehr als 100 000 Dollar. „Die Einstiegsgehälter haben verrückte Dimensionen angenommen“, findet auch Förderer Kanngiesser.

Auch die 65 Softwareentwickler von Ragnar Kruse sitzen in Hamburg, obwohl der ehemalige Intershop-Manager sein Unternehmen Smaato in den USA gegründet hat, direkt am Union Square, dem touristischen Herz San Franciscos. Von hier aus betreibt Smaato einen Marktplatz, auf dem Werbeanzeigen für Smartphone-Apps vermittelt werden. Als „Ebay für mobile Werbung“ bezeichnet Kruse sein Unternehmen, Werbeplätze in Apps versteigert er innerhalb weniger Millisekunden, pro Tag drei Milliarden und mehr.

Die besten Hochschulen für Gründer
Platz 3Beratung und Budget, Netzwerke und Nestwärme: Diese Kriterien legte der Gründungsradar des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft an. In der Kategorie "Kleine Hochschulen" (bis 5.000 Studierende) kam die Universität Witten/Herdecke auf den dritten Rang. Quelle: Presse
Platz 2Kategorie: Kleine Hochschulen (bis 5.000 Studierende)PFH Private Hochschule Göttingen Quelle: Presse
Platz 1Kategorie: Kleine Hochschulen (bis 5.000 Studierende)HHL Leipzig Graduate School of Management Quelle: Presse
Platz 3Kategorie: Mittelgroße Hochschulen (5.000 bis 15.000 Studierende)Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) Quelle: dpa-dpaweb
Platz 2Kategorie: Mittelgroße Hochschulen (5.000 bis 15.000 Studierende)Brandenburgische Technische Universität Cottbus Quelle: dpa-dpaweb
Platz 1Kategorie: Mittelgroße Hochschulen (5.000 bis 15.000 Studierende)Leuphana Universität Lüneburg Quelle: dpa
Platz 3Kategorie: Große Hochschulen (über 15.000 Studierende)Universität Potsdam Quelle: dpa

Das im Fachjargon „real time bidding“ genannte Verfahren hat sich bei Internet-Werbung inzwischen etabliert. Auch bei Anzeigen für Smartphones werden die Preise und Plätze inzwischen immer seltener fest gebucht, sondern über Auktionsplattformen wie Smaato versteigert. 80 000 Kunden sind dort inzwischen registriert.

Kruse hat die Entwicklung früh erkannt, schon bei der Smaato-Gründung 2005 ging er fest davon aus, dass Smartphones über kurz oder lang Computer ablösen würden. Der Erfolg brauchte Zeit, doch 2009 erwirtschaftete das Unternehmen die erste Umsatz-Million. „Jetzt hat das Wachstum richtig Fahrt aufgenommen“, freut sich Kruse. Eine zweistellige Millionensumme hat Smaato 2013 eingenommen, für dieses Jahr erwartet Kruse eine Verdreifachung. Die Durststrecke der ersten Jahre konnte Smaato dank eines üppigen Finanzierungspolsters durchstehen: Das Unternehmen ist mit 22 Millionen Dollar Wagniskapital ausgestattet. Nun kommt noch einmal eine ähnliche Summe hinzu.

Von solchen Summen können die meisten Start-ups in Deutschland nur träumen. Während Gründer hierzulande im Vorjahr 674 Millionen Euro eingesammelt haben, waren es im Silicon Valley 22 Milliarden Dollar (siehe Grafik).

Mut zu Investitionen

Auch Datenbankspezialist Parstream hat den Schritt in die USA vor allem aus finanziellen Gründen gewagt. Im Valley kamen die ersten Millionen von Vinod Khosla, Mitgründer des ehemaligen Softwareherstellers Sun Microsystems, und von Wagniskapitalgeber Zachary Bogue, dem Ehemann von Yahoo-Chefin Marissa Mayer. „Das hätten wir in Deutschland nie bekommen“, sagt Bienert. Hierzulande investiere kaum jemand in B2B-Start-ups – also Unternehmen, deren Technologien für andere Firmen interessant sind. Anders in den USA: Ende 2013 hat Parstream noch mal acht Millionen Dollar eingesammelt.

Wagniskapital-Investitionen (in Mio. Euro). (zum Vergrößern bitte anklicken)

So weit ist Werner Hoier noch lange nicht. Er ist erst kürzlich nach San Francisco gekommen und muss sich noch an die bisweilen übertrieben euphorische amerikanische Art gewöhnen. „Hier ist alles immer super-awesome und incredible“, sagt Hoier. Als Deutscher müsse man erst interpretieren lernen, wie super-großartig und unglaublich der jeweilige Gesprächspartner das Projekt tatsächlich fände.

Der Wirtschaftsinformatiker hat 2011 zusammen mit Dorothea Utzt Streetspotr gegründet. Die beiden App-Entwickler sollten für BMW eine Software programmieren, mit der Öffnungszeiten und Preise von Parkhäusern im Navigationssystem erfasst werden können. Dafür haben beide eine Smartphone-App entwickelt, die solche Arbeiten auslagert. „Crowdsourcing“ nennt sich das Prinzip: Nutzer der App können sich unterwegs etwas dazuverdienen, die mittlerweile 250 000 registrierten Mitglieder überprüfen beispielsweise für Unternehmen Adressen oder fotografieren Regale in Läden, um Produktplatzierungen zu kontrollieren. Für solche Minijobs bekommen sie ein paar Cent, zu den Auftraggebern gehören etwa Red Bull oder Microsoft. Die erste Finanzierungsrunde schlossen die Nürnberger im Frühjahr ab – in typisch deutschen Dimensionen: „Die Summe war sechsstellig“, sagt Hoier.

Deutsche Kunden im Valley

Nun will er den US-Markt ausloten, sein Büro liegt in einem Jugendstilbau, in dem auch Twitter sein Hauptquartier hat. Hoiers Arbeitsplatz im sogenannten Runway – einer Art Gemeinschaftsgroßraumbüro – hat der German Accelerator eingerichtet und bezahlt. Weit mehr als ein Dutzend Start-ups werkeln hier, unmittelbar neben Hoier bastelt ein Team an Drohnen, die testweise durch den langen Flur sausen.

Die ersten Gespräche mit möglichen Kunden hat Hoier schon geführt: „An den richtigen Kontakt zu kommen geht in den USA viel schneller als bei uns in Deutschland.“ Kürzlich habe er sich sogar mit einem US-Konkurrenten getroffen. Das sei hier viel normaler als in der Heimat, man müsse nur aufpassen, nicht selbst zu viele Details zu verraten. Im Oktober zieht Streetspotr für drei Monate in das neue Accelerator-Büro nach New York. Hoier freut sich darauf: „Unsere potenziellen Kunden sind vor allem Konsumgüterhersteller. Und von denen sitzen viele an der Ostküste.“

PARSTREAM - Jörg Bienert, Michael Hummel: Die Parstream-Gründer bieten Unternehmen eine besonders schnelle Datenbank. Finanzierung: 14 Millionen Dollar Quelle: Laif

Ob die Nürnberger sich mit ihrer App auf dem US-Markt etablieren können, ist dennoch nicht sicher. Schon andere Teilnehmer des Accelerator-Programms haben gespürt, wie viel härter der Wettbewerb auf dem US-Markt ist. Das Dresdner Start-up Lovoo mit seiner Flirt-App etwa musste seine Hoffnungen erst mal begraben: Angesichts von Konkurrenten wie dem populären Tinder blies Gründer Benjamin Bak den Eroberungszug schnell wieder ab. „Wir lassen uns den US-Markt als mögliches Ziel noch offen“, umschreibt der Gründer den Fehlschlag diplomatisch. Stattdessen fokussiert er sich auf Europa und Brasilien.

Für Moviepilot-Gründer Bauckhage zahlt sich der Schritt über den Ozean dagegen voll aus: Er hat vor einem Monat sein Deutschlandgeschäft verkauft. 15 Millionen Euro bezahlte das französische Online-Unternehmen Webedia für die deutsche Filmempfehlungsseite moviepilot.de. „Wir wollen uns ganz auf das US-Geschäft konzentrieren“, sagt Bauckhage.

Diese Apps pimpen Ihr Leben
Cozi Family OrganizerEin Din A 3 Familienkalender an der Küchenwand – das war gestern. Jetzt können Sie mit der Cozi Family Organizer App Ihr Familienleben organisieren. Ein gemeinsamer Kalender mit Einkaufslisten, Terminen und To-Do-Listen ermöglicht den Durchblick. Jedes Familienmitglied hat einen eigenen Zugang mit Passwort. So kann bei jedem Termin gekennzeichnet werden, wer alles involviert ist Die App ist für Android und iOS erhältlich. Quelle: Screenshot
EvernoteEvernote ist Ihr virtuelles Gedächtnis. Schnell Notizen machen, Fotos aufnehmen, Aufgabenlisten erstellen, Spracherinnerungen aufzeichnen und diese Notizen durchsuchen, egal, ob zu Hause, im Büro oder unterwegs. Evernote ist für Android und iOS erhältlich.
GoodreadsMit dieser App bleiben Sie auf dem Laufenden, welche Bücher Ihre Freunde gerade lesen und wie sie diese finden. Außerdem können Sie Barcodes scannen und so Bücher zu Ihrer „To Read“ Liste hinzufügen.Quelle: Goodreads
HelloWalletSparen ist hart, aber diese App hilft Ihnen dabei. Mit HelloWallet können Sie Online Banking machen und haben alle Überweisungen im Blick. Mithilfe verschiedener Kategorien kann dabei eingesehen werden, wie viel Geld Sie für Kleidung, Kaffee oder Sprit ausgegeben haben. Auch eine Vergleich mit den Ausgaben vorheriger Jahre ist möglich.  Quelle: Screenshot
Meditation OasisIdeal für die kleine Entspannung zwischendurch. Hören Sie sich verschiedene Meditationen an, mit oder ohne Musik oder mit Naturgeräuschen im Hintergrund. Dem Benutzer stehen dabei drei verschiedene Entspannungs-Hörspiele zur Verfügung. Diese besitzen eine Abspieldauer zwischen 5 und 24 Minuten. Quelle: Screenshot
OkCupidDiese App hilft Ihnen, Dates in Ihrer Nähe zu finden, ganz gleich ob Sie gerade zu Hause oder im Urlaub sind. Dabei steht hinter der App ein Benutzerkonto, mit dem Sie digital flirten, chatten und Singles kennenlernen können. OkCupid ist sowohl für Android als auch für iOS erhältlich.
QuiblyQuibly ist eine neue Q&A Seite speziell für Eltern. Dort können sie mit anderen Eltern diskutieren und sich austauschen über essentielle Fragen wie „Wie backe ich einen Minecraft Geburtstagskuchen für meinen Sohn“ oder „Wie bringe ich meinem Sohn Spaß am Lesen bei?“ Quelle: Screenshot

Für Celonis hat sich die Zeit im Accelerator ebenfalls gelohnt. Das Münchner Unternehmen hat eine Software entwickelt, mit der Konzerne wie Bayer oder Siemens Geschäftsprozesse analysieren und optimieren. Mit 40 Mitarbeitern erwirtschaftete Celonis im vergangenen Jahr einen Umsatz von vier Millionen Euro. Während seines US-Aufenthaltes im vergangenen Jahr hat Celonis-Chef Bastian Nominacher dort eine Dependance aufgebaut, vor allem aber die bislang wichtigste Partnerschaft festgezurrt – mit dem deutschen Softwareriesen SAP.

Mit den Walldorfern war Nominacher schon daheim in Deutschland ein halbes Jahr in Kontakt – ohne konkretes Ergebnis. „In den USA ging es dann Schlag auf Schlag“, erinnert er sich. Er nahm mit SAP-Managern im Valley Kontakt auf, die sofort zu einem Treffen bereit waren. „Zwei Tage später waren wir im SAP-Start-up-Programm und noch zwei Wochen später auf der größten SAP-Kundenmesse“, freut sich Nominacher.

Fast jeder deutsche Gründer schwärmt davon, wie viel einfacher und schneller solche wichtigen Termine im Valley zustande kommen. Darum ist es nicht ungewöhnlich, deutsche Partner über den Umweg USA zu akquirieren. „Es gibt viele Fälle, bei denen wir erst über das Valley mit großen deutschen Konzernen in ernsthaften Kontakt gekommen sind“, bestätigt auch Parstream-Gründer Bienert.

Für die Münchner Celonis-Zentrale hat die im Silicon Valley geschlossene SAP-Partnerschaft noch einen ironischen Nebeneffekt, erzählt Nominacher: „Wir haben über SAP schon einige Termine mit US-CEOs vermittelt bekommen – nicht in den USA, sondern wenn die gerade in Deutschland waren.“

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