Hightech-OP-Säle Operieren wie am Fließband

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Die Reihenfolge entscheidet


Was verdienen die Ärzte?
Das Allgemeinmediziner verdienen im Vergleich am wenigsten. Ihr Jahreseinkommen liegt nach Abzug der Praxiskosten, aber noch mit persönlichen Abgaben und Steuern bei 116.000 Euro. Das hat das Statistische Bundesamt ausgerechnet. Quelle: ZBSP
Um die kleinsten und schon etwas größeren Erdenbewohner kümmert sich der Kinderarzt. Er verdient 124.000 Euro im Jahr. Quelle: ZB
Eine Schädigung des Gehirns nach einen Schlaganfall zeigt dieses Bild eines Professors aus Jena. Neurologen und Psychiater liegen mit ihrem Einkommen von 128.000 Euro auf dem drittletzten Platz. Quelle: dpa/dpaweb
Über 100 Jahre alt ist der Ohrstöpsel schon alt. Um die Gesundheit drei unserer Sinnesorgane kümmert sich der Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Dafür wird er mit jährlich 144.000 Euro entlohnt. Quelle: dpa
Jedes Jahr sterben etwa 18.000 Frauen an Brustkrebs, 48.000 Fälle werden diagnostiziert. Vorsorgeuntersuchungen sollten beim Frauenarzt gemacht werden. Er verdient mit 145.000 Euro etwas mehr als der HNO-Arzt. Quelle: dpa/dpaweb
Hier bereitet sich der Chirurg auf die Operation einer gebrochenen Hand vor. Er hat ein Jahreseinkommen von 148.000 Euro im Jahr. Quelle: dapd
Mit diesem Vergrößerungsglas wird hier die Hautkrebs-Früherkennung durchgeführt. Für mehr als 218 000 Menschen ist die Diagnose tödlich. Der Hautarzt hat 155.000 Euro zur Verfügung. Quelle: dpa

Was die Acqua-Klinik aber so einzigartig macht: Sie setzt nicht nur auf Digitalisierung und Ergonomie, hier führt auch ein klares OP-Steuerungsprogramm die Chirurgen durch die Operationen. Untersuchungen an der Uniklinik Leipzig hatten zuvor gezeigt, dass Operateure für denselben Eingriff unterschiedlich lange brauchten. Ein Chirurg operierte drei Mal länger als der flotteste Kollege, vor allem deshalb, weil er in anderer Reihenfolge vorging.

So etwas kann in der Acqua-Klinik nicht mehr vorkommen. Hier sind die verschiedenen HNO-Operationen standardisiert wie Fertigungsschritte in einer Fabrik. Das sei gar nicht so einfach durchzusetzen, so Strauß: „Chirurgen betrachten sich traditionell doch eher als Kunsthandwerker und nicht als Fließbandarbeiter.“

OP mit 43-Punkte-Plan

Das betrifft auch den Chef. Der bekommt auf dem Bildschirm im OP den 43-Punkte-Verlaufsplan einer Stirnhöhlen-Operation eingeblendet. Eine Assistentin sorgt permanent dafür, dass er sich daran hält. Sie hat neben den Bohrern und Fräsen auf dem Instrumententisch auch die Computermaus liegen, mit der sie die „erledigt“ Häkchen im Dokument setzt. „Du hast Foto Nummer zwei für den OP-Bericht noch nicht gemacht“, erinnert Rothe ihren Chef. Der brummelt ein „Ja“, in seinen Mundschutz und tritt auf das Fotopedal.

Die Standardisierung bringt eindeutige Vorteile: So hat sich die ursprüngliche OP-Zeit in Leipzig um 25 Prozent verkürzen lassen. Auch die Zahl der kritischen Zwischenfälle sei laut Klinik unter fünf Prozent gesunken. Gerade in ambulant operierenden Tageskliniken mit hoher Spezialisierung wie in der Gynäkologie oder Orthopädie biete sich solch eine Optimierung der Arbeitsabläufe an, meinte Gunter Trojandt, der Gründer des Partnerunternehmens SPI. Vier weitere Kunden hat er jedenfalls schon an der Angel, zwei Kliniken und zwei Ärzte. Auch international ist das Interesse groß: Gut 300 Gastchirurgen besuchen jedes Jahr die Vorzeigeklinik.

Um 10:34 stopft Gero Strauß Wattebäusche in die Nasenlöcher.

Die Operation ist beendet. Anästhesist Wiegel schwenkt seine Apparate über Eveline und weckt sie auf. Zusammen mit der Schwester bettet er sie auf eine fahrbare Trage und schiebt sie in den Aufwachraum. Auch der ist videoüberwacht, Wiegel hat die Patientin auch während der nächsten OP im Blick. Um 13.30 Uhr checkt die Frischoperierte aus und fährt mit ihrem Mann nach Hause. In der Zwischenzeit hat Strauß die Stellen im OP-Bericht nachgetragen, bei denen nicht alles nach Plan lief.

Wäre ein Voicerecorder wie in der Blackbox eines Flugzeug-Cockpits jetzt nicht hilfreich? Dann müssten die Operateure gerade die kritischen Momente nicht anschließend aus dem Gedächtnis rekapitulieren.

„Wir arbeiten daran“, sagt Strauß. In großen Häusern würde wohl der Betriebsrat Sturm laufen, so Strauß. Und er fürchtet, dass auch seine Mitarbeiter von der akustischen Rundum-Überwachung nicht begeistert sein werden. Wer einmal zugehört hat, worüber sich Chirurgen während des Operierens unterhalten, weiß warum.

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