Am 26. Dezember feiert ungefähr der halbe Globus den zweiten Weihnachtstag. Die Familie hockt noch mal unter dem Tannenbaum, packt die letzte Runde Geschenke aus, verspeist die nächste Gans. Für die Herren Mertesacker und Özil gilt das indes nicht. Sie gehen auch am zweiten Feiertag ihrem Beruf nach.
Schon kurz nach der Bescherung treten Per Mertesacker und Mesut Özil bei Arsenal London wieder in kurzen Hosen an. Abends um viertel vor acht, zur besten Sendezeit, im St. Mary’s Stadion gegen den Ligakonkurrenten Southampton. Und nur zwei Tage später stehen die beiden Weltmeister-Kicker erneut auf dem Rasen: Es steigt das Heimspiel gegen die Kollegen aus Bournemouth.
Während die deutsche Bundesliga in die Winterpause entschwindet, läuft in Englands Premier League der Betrieb auf Hochtouren – wenn die Fans endlich mal Zeit am Stück haben, rollt am Boxing Day und zwei Tage später erneut in allen Stadien die Kugel. Man kann das unchristlich finden oder übertrieben. Tatsache ist: Die Fans schauen zu, sie strömen in die Stadien und die Bezahlsender freuen sich über ordentliche Zuschauerzahlen. Das lassen sie sich viel Geld kosten; die Preise für die TV-Rechte in England sind in den vergangenen Jahren regelrecht explodiert.
Der Einnahmenmix der Bundesliga
Mit Spielertransfers nahm die Bundesliga 171 Millionen Euro ein. Das klingt nach viel Geld, entspricht aber nur sieben Prozent der Gesamteinnahmen.
Quelle: DFL, Saison 2013/14
Etwas mehr Geld floss aus dem Verkauf von Fanartikeln: 187 Millionen Euro. 7,6 Prozent der Bundesliga-Einnahmen stammten 2013/14 aus Schals, Trikots, Toastern oder Wecker mit dem Aufdruck der jeweiligen Lieblingsmannschaft.
249 Millionen Euro der Einnahmen (10,2 Prozent) kamen aus "sonstigen" Quellen.
Den Spieltag lassen sich die Fans etwas kosten: Tickets, Bier und Würstchen bescheren der Bundesliga 19,7 Prozent ihrer Gesamteinnahmen. 483 Millionen Euro kamen in der Saison durch die Einnahmen der Spieltage 2013/14 zusammen.
Mit Werbeplätzen nahm die Bundesliga 640 Millionen Euro in der Saison 2013/14 ein. Das sind 26,2 Prozent der Gesamteinnahmen.
29,3 Prozent der Gesamteinnahmen der Saison 2013/14 kamen aus dem Verkauf der Medienrechte: 717 Millionen Euro.
So wird Englands Eliteliga in der kommenden Spielzeit, wenn die neuen TV-Verträge gültig werden, umgerechnet drei Milliarden Euro von den Sendern kassieren. Zum Vergleich: Die Bundesliga kommt in der nächsten Spielzeit insgesamt auf 835 Millionen Euro. Auch wenn das eine gewaltige Menge Geld ist - im Vergleich zu Arsenal, Manchester und Co. tut sich allerdings eine finanzielle Kluft auf. Die könnte mittelfristig dafür sorgen, dass Bundesliga-Vereine bei internationalen Spielen wie der Champions League oder Europa League ins Hintertreffen geraten: Selbst der Tabellenletzte in England kassiert durch die TV-Rechte mehr als der Bundesliga-Primus Bayern München. Und die Mittelkassel-Klubs von der Insel wedeln fleißig mit ihren Geldbündeln, um die Profi-Kicker in Scharen anzulocken.
Wenn im kommenden Frühjahr die Deutsche Fußball Liga (DFL) die TV-Rechte für die Spielzeiten ab der Saison 2017/18 anbietet, geht es vor allem um eins: Den Abstand zu den Briten so weit wie möglich zu verringern. Mehr als eine Milliarde Euro soll der Rechte-Poker diesmal einbringen, hat Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge schon gefordert. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die DFL um ihren cleveren Vorstandschef Christian Seifert das Paket mit den TV-Rechten neu geschnürt.
Die Fans werden sich deshalb an einige Änderungen gewöhnen müssen: Ab der Saison 2017/2018 wird der Spieltag enorm in die Länge gedehnt. Denn aller Voraussicht nach kickt die Liga erstmals in ihrer Geschichte auch am Montagabend. Insgesamt zehn von 306 Partien will die DFL vom Samstag auf zwei neue Anstoßzeiten verlegen: Fünf Partien sollen am Sonntag um 13.30 Uhr angepfiffen werden. Und weitere fünf montags um 20.15 Uhr. Fünf von 34 Spieltagen werden also künftig im extrem 96 Stunden lang sein, die Spieltagstabelle erst am Montagabend gegen 22 Uhr aussagekräftig.
Das wird nicht allen Fans schmecken: Wer kann als Berufstätiger schon an einem beliebigen Montagabend bis in die Puppen irgendwo in der Republik auf der Tribüne stehen und am nächsten Tag wieder fit zur Schicht antreten? Folgen hat das Prinzip Kaugummi natürlich auch für „Sportschau“-Zuschauer. Mehr Partien am Sonntag und Montag bedeuten logischerweise weniger Matches zur gewohnten Sendezeit am Samstagabend – dem zudem auch zwei weitere Partien abgeknapst werden. Statt bisher sechs Spielen sollen künftig acht Partien samstags erst um 18.30 Uhr angepfiffen werden.
Ein Spielplan in Häppchen
DFL-Vorstand Seifert bemüht sich damit mit aller Macht, das meiste aus dem engen Markt herauszuholen. Er kann nichts daran ändern, dass es in Deutschland anders als in England im Bezahlfernsehmarkt praktisch keine Konkurrenz zu Sky gibt. Die Münchner sind mit fast 500 Millionen Euro pro Saison derzeit die größten Geldgeber der Liga. Um dem börsennotierten Konzern tatsächlich noch mehr Geld aus den Rippen zu leiern, muss Seifert daher vor allem eins tun: mit allen Mitteln für Konkurrenz sorgen.
Das kann er nur schaffen, wenn er den Spielplan in immer mehr Häppchen filetiert. Entweder Sky macht die Börse weit auf und sammelt die Teile ein. Oder es findet sich tatsächlich ein Free-TV-Sender wie RTL oder ProSiebenSat.1 – oder ein gänzlich neuer Mitspieler – , für den der Kauf eines Bundesliga-Minipaketes einen strategischen Wert darstellt. Völlig ausgeschlossen ist das nicht.
Der mit einem eigenen Film- und Seriengeschäft ins Internet drängende Online-Händler Amazon kann sich das Streamen von Fußball-Weltmeisterschaft und Bundesliga durchaus vorstellen. "Unmöglich wäre das nicht", sagte Firmengründer und Konzernchef Jeff Bezos der "Welt am Sonntag". "Sport ist ein interessanter Bereich."
Die umsatzstärksten Fußballclubs
Everton
Position im Vorjahr: -
Umsatz 2014*: 144,1 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 100,8 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Newcastle United
Position im Vorjahr: -
Umsatz 2014*: 155,1 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 111,9 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Galatasaray
Position im Vorjahr: 16
Umsatz 2014*: 161,9 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 157,0 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Inter Mailand
Position im Vorjahr: 15
Umsatz 2014*: 164,0 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 164,5 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
SSC Neapel
Position im Vorjahr: -
Umsatz 2014*: 164,8 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 116,4 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Atlético Madrid
Position im Vorjahr: 20
Umsatz 2014*: 169,9 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 120,0 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
FC Schalke 04
Position im Vorjahr: 13
Umsatz 2014*: 213,9 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 198,2 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Tottenham Hotspur
Position im Vorjahr: 14
Umsatz 2014*: 215,8 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 172,0 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
AC Mailand
Position im Vorjahr: 10
Umsatz 2014*: 249,7 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 263,5 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Borussia Dortmund
Position im Vorjahr: 11
Umsatz 2014*: 261,5 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 256,2 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Juventus Turin
Position im Vorjahr: 9
Umsatz 2014*: 279,4 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 272,4 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Liverpool
Position im Vorjahr: 12
Umsatz 2014*: 305,9 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 240,6 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Arsenal
Position im Vorjahr: 8
Umsatz 2014*: 359,3 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 284,3 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Chelsea
Position im Vorjahr: 7
Umsatz 2014*: 387,9 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 303,45 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Manchester City
Position im Vorjahr: 6
Umsatz 2014*: 414,4 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 316,2 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Paris Saint-Germain
Position im Vorjahr: 5
Umsatz 2014*: 474,2 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 398,8 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
FC Barcelona
Position im Vorjahr: 2
Umsatz 2014*: 484,6 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 482,6 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
FC Bayern München
Position im Vorjahr: 3
Umsatz 2014*: 487,5 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 431,2 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Manchester United
Position im Vorjahr: 4
Umsatz 2014*: 518,0 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 423,8 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Real Madrid
Position im Vorjahr: 1
Umsatz 2014*: 549,5 Mio. Euro
Umsatz 2013*: 518,9 Mio. Euro
*Exklusive Transfererlöse
Quelle: Deloitte
DFL-Vorstand Seifert selbst verwies gerade im Interview mit der „Zeit“ auf einen Internet-Player: „Yahoo hat vor Kurzem das erste Spiel der NFL live gestreamt. Wir haben in Neuseeland und Japan Liveausstrahlungen via YouTube getestet.“ In Spanien, England und zahlreichen anderen Märkten seien schon jetzt die Telekommunikationsanbieter zum zweiten großen Spieler neben den klassischen Pay-TV-Plattformen geworden. Dieser Trend, behauptet Seifert, „beschleunigt Wertigkeit und Konkurrenzsituation bei der Vergabe von Sportrechten deutlich, auch bei uns.“
Allerdings hat sich das Verhalten der TV-Zuschauer mittlerweile verändert: Nie zuvor hatten auch in Deutschland so viele Konsumenten Abonnements bei Streamingdiensten wie Amazon Prime oder auch Netflix. Zwar weist etwa Netflix-Boss Reed Hastings die Idee weit von sich, dass Live-Sport interessant sein könnte für sein Projekt vom weltumspannenden TV-Anbieter.
Doch selbst wenn Bayern gegen Dortmund nicht in Hastings Strategie passt: Allein die Tatsache, dass sich Mediennutzer auch hierzulande stärker daran gewöhnen, für TV-Inhalte noch mal extra zu bezahlen, sorgt für einen Bewusstseinswandel. Verhaltensweisen und Gewohnheiten, die jahrzehntelang als in Stein gemeißelt galten, werden aufgebrochen.
War die „Tagesschau“ um 20 Uhr noch vor wenigen Jahren ein absoluter Fixpunkt im TV-Alltag, nutzen längst immer mehr Zuschauer die Freiheit des Netzes, Nachrichten dann anzuschalten, wenn es ihnen und nicht bloß dem Sender passt. Ganz zu schweigen von den heute 15-Jährigen, die sich ihre Sendezeiten schon lange nicht mehr von TV-Sendern vorschreiben lassen – und die sich sicher auch in Zukunft nie mehr in feste Senderaster pressen lassen werden.
Ob dieser Wandel indes schon so weit fortgeschritten ist, um bereits bei der jetzt anstehenden Rechtevergabe eine entscheidende Rolle zu spielen, ist fraglich. Womöglich ist es dazu noch etwas zu früh; diese Vergabe kann womöglich die symbolische Eine-Milliarde-Euro-Schwelle knacken, dürfte aber dennoch eher eine Art Zwischenschritt markieren. Doch klar ist, dass sich die Verhältnisse im TV-Geschäft wandeln. Die Dinge bewegen sich.
Ob das am Ende gut sein wird für die Liga, ob Fans die weitere Zerstückelung des Spieltags mitmachen werden oder ob nicht gerade die Kompaktheit eines Spieltags zum wesentlichen Markenkern der Bundesliga gehört, das steht auf einem anderen Blatt.
Mit Material von dpa.