Hotelbranche im Umbruch Das Zeitalter der Betten-Giganten

Weltweit stürzen sich Hotelketten in einen Wettkampf ums Wachstum. Sie wollen Buchungsportalen wie Booking und HRS die Stirn bieten. Doch deutsche Hoteliers drohen dabei zurückzufallen.

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Hotelketten im Aufmarsch Quelle: Presse

Bruce Duncan hat den wohl besten Zuschauerplatz in einem der derzeit spannendsten Pokerspiele der Wirtschaft: Als Chef des US-amerikanischen Hotelkonzerns Starwood führt er zur Zeit Gespräche über einen Verkauf seines Unternehmens. Seit Wochen landen deswegen immer neue Übernahmeangebote auf seinem Schreibtisch. Immer wieder hatten sich die beiden potenziellen Käufer, die namenhafte Hotelkette Marriott und ein Finanzkonsortium rund um den chinesischen Versicherungskonzern Anbang, immer wieder übertrumpft.

Nun steht fest: Marriott hat den Übernahmekampf gewonnen und kann Starwood für rund 13,6 Milliarden Dollar aufkaufen. Für die Hotelbranche ist das ein historischer Einschnitt.

Denn durch die Übernahme entsteht ein neuer Hotelgigant mit mehr als 1,1 Millionen Betten. Damit markiert der Verkauf von Starwood den Höhepunkt in einer groß angelegten Neuordnung im Betten-Business. Mit Milliardeneinsätzen wetteifern Hotelketten weltweit um Wachstum.


Mächtige neue Wettbewerber, die Digitalisierung und die steigenden Ansprüche der Kunden zwingen die Konzerne dazu, sich neu aufzustellen. Indem sie immer mehr Betten unter einem Konzerndach versammeln, wollen sie die Macht und die Marge zurückgewinnen, die sie an Internetportale wie Booking oder AirBnb verloren haben.

So gesehen steht die Branche vor ihrer größten Herausforderung: Die Hotels müssen den Rückstand bei der Digitalisierung aufholen.

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Allein von den zehn größten Hotelketten befinden sich zur Zeit drei Konzerne in Übernahmegesprächen. „Die Welle ist noch nicht vorbei“, sagt Marcus Smola, Zentraleuropachef der Hotelkette Best Western, „die Konsolidierung fängt jetzt erst an.“

Die Frage ist nur, ob die vielen, kleinen deutschen Familienbetriebe dabei mithalten können. „Der Druck für mittelständische Unternehmen wird unerträglich werden“, warnt der deutsche Hotelier Otto Lindner, Chef von 33 Häusern. „Wenn sie nicht aufpassen, sind sie weg.“

Mehr Unabhängigkeit von Booking und Co

In kaum einem anderen Land ist der Markt so zersplittert wie in Deutschland. Nach Daten des statistischen Bundesamts haben nicht mal zehn Prozent der Hotels einen Umsatz von mehr als einer Millionen Euro. Größere deutsche Ketten gibt es nicht, die meisten Hoteliers sind Einzelkämpfer. „Wenige haben ein echtes Alleinstellungsmerkmal, die meisten Häuser sind austauschbar“, sagt Stephan Gerhardt, Geschäftsführer der Münchner Hotelberatung Treugast.

Das ist ein Problem, denn in der Hotellerie entscheidet neben der Lage noch immer vor allem der Preis. Die großen Ketten haben dabei Vorteile, weil sie Aufgaben wie Vertrieb, Werbung, oder Investitionen in eine neue Technik unter dem Konzerndach bündeln können. Vor allem aber gibt die Größe ihnen Macht.

Die teuersten Hotels der Welt
Quelle: Amangiri Hotel
Quelle: Cap Estel

Wie sie diese einsetzen wollen, zeigt der neue Werbespot der Hilton-Gruppe: Im Aufzug, im Restaurant, in der Straßenbahn, überall drücken Menschen wieder und wieder auf ihre Smartphones. Doch sie finden offenbar nicht, was sie wirklich suchen. Also drücken sie noch mal. „Stop clicking around“, „Hört auf herumzuklicken“, lautet der simple Slogan der Kampagne. Denn die Wahl wäre doch so einfach: Hilton. Der Ort, an dem Kinder glücklich in einen Pool eintauchen oder Paare von ihrem Hotelfenster aus den Sonnenuntergang beobachten.

Der Spot ist eine Kampfansage an Hotelbuchungsportale wie Booking, HRS oder Expedia. Die verschaffen den Hotels inzwischen einen Großteil ihrer Gäste. Manche Stadthotels berichten von bis zu 70 Prozent aller Buchungen, die über eines der Portale bei ihnen ankommen. Dafür berechnen die Portale happige Provisionen von bis zu 20 Prozent des Übernachtungspreises.

Kleine Hoteliers trifft das deutlich härter als die Konzerne. „Unsere Größe hilft uns, die besten Deals zu bekommen“, sagt Wyndham-Manager Ruff. Selbst wenn es sich dabei nur um wenige Prozentpunkte handelt, summieren sich die Ersparnisse für die Konzerne schnell auf Millionenhöhe.

Chinas Hotelgiganten drängen nach Europa

Die Übernahmewelle in der Hotellerie ist damit auch eine Reaktion auf die Macht der Hotelportale, die in den vergangenen Jahren erheblich gewachsen ist. So kaufte das Kölner Unternehmen HRS, die Nummer zwei im deutschen Markt, vor einigen Jahren die Plattform hotel.de und das Ferienunterkunftsportal HolidayInsider. HRS-Rivale Expedia verleibte sich im vergangenen Jahr die Konkurrenten HomeAway und Orbitz ein. „Da ist eine enorme Marktmacht entstanden“, sagt der Schweizer Tourismus-Experte Roland Schegg.

Ähnlich sieht das offenbar Accor-Chef Sebastian Bazzin. Er habe ja nichts gegen Hotelportale, sagte der Franzose jüngst dem „Handelsblatt“. „Aber ich will nicht völlig abhängig sein von ihnen.“ Accor, mit Häusern wie Ibis und Mercure Marktführer in Europa, will nun eine eigene Plattform als Gegengewicht zu den Onlineportalen aufbauen, bei der Kunden auch fremde Hotels buchen können.

Der Vorteil für Accor: Der Konzern kann Informationen, also Daten, über seine Gäste sammeln, über die sonst nur Booking und Co. verfügen. Mit gemeinsamen Bonusprogrammen wollen die Hotels Kunden zudem langfristig an sich binden. Gleichzeitig können Accor und Co. so die Daten und Informationen über ihre Gäste einsammeln, über die bisher nur die Buchungsportale verfügen. Doch auch dabei kommt es auf die Größe an: Je mehr Hotels im Portfolio vertreten sind, desto größer ist für die Gäste der Anreiz des Punktesammelns.

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„Kleinere Hotels können da nur begrenzt mithalten“, sagt Stephan Gerhardt, Geschäftsführer der Münchner Hotelberatung Treugast. Die typisch deutschen Hoteliersfamilien sehen sich deshalb immer größerem Druck ausgesetzt. Und diejenigen, die wie Motel One, Maritim oder Steigenberger neben einem gut ausgebauten Herbergsnetz auch über einen etablierten Namen verfügen, werden unter Experten bereits als exzellente Übernahmekandidaten gehandelt.

Deutsche Hoteliers müssen kämpfen

Die chinesischen Ketten wollen wachsen, und das gerne auch außerhalb des Kontinents. Europa ist immer noch einer der einnahmestärksten Märkte, und Deutschland ist darin das wichtigste Land. Aber wie soll eine Kette aus China hier landen? In den verwinkelten Altstädten der Metropolen lassen sich kaum noch neue Hotels bauen. Also müssen sie kaufen. „Es werden viele Marken vom Markt verschwinden“, sagt Hotelier Lindner.

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Auch seine? Übernahmeangebote habe er bisher nicht erhalten, sagt Lindner. Die Besonderheit seiner 33 Häuser: Jedes einzelne ist ein Unikat. Zur Lindner-Gruppe gehört nicht nur ein Themenhotel am Nürnburgring, in Hamburg hat er ein Haus am Tierpark Hagenbeck, in dem die Gäste im Fitnessraum zwischen historischen Zooplakaten Sport treiben können. In Leverkusen hat Lindner ein Stadionhotel an der Bayer-Arena, das nächste soll im Borussiapark in Mönchengladbach eröffnen. Geschäftsleute können dort ihre Meetings dann in der VIP-Lounge der Borussen abhalten.

Im Sommer will er sich an ein neues Projekt wagen, das erste Business-Hotel für die Generation Y. Dort sollen die Hotelgäste dann in der Lobby arbeiten können, während Einheimische nur ein paar Tische weiter einen Kaffee genießen. „Wir möchten Gäste haben, die sich nicht verkleiden – der Schlips muss bei uns nicht sein“, sagt Lindner. Die Zimmer sollen über die neuste technische Ausstattung verfügen, inklusive Fernsehern, die sich per Smartphone steuern lassen. „Und Steckdosen, Steckdosen, Steckdosen. Das ist bei dieser Zielgruppe das wichtigste", so Lindner. Bis 2018 sollen noch vier weitere Hotels der neuen Marke „Me and All“ eröffnen.

„Lindner ist mit seinem ungewöhnlichen Portfolio aus guten, unterschiedlichen Hotels kaum integrierbar in einen systemischen Konzern“, urteilt Branchenexperte Gerhard.

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Doch das können nur wenige Wettbewerber von sich behaupten. Viele, die Angst haben, im Wettbewerb zerrieben zu werden, suchen deshalb nun Schutz bei Größeren – wie Best Western. Hinter der Marke steht eher ein Hotelverbund als eine Kette. Alle Hotels bleiben inhabergeführt, wer beitreten will, muss Anteile des Unternehmens kaufen. Vorteil für die Hotels: Best Western kümmert sich um den Verkauf der Zimmer und verhandelt auch mit den Hotelportalen. Und vor der aktuellen Übernahmewelle ist Best Western sicher, sagt Europachef Marcus Smola. „Wenn jemand Best Western kaufen wollte, müsste er sich mit 4000 Anteilseignern, also 4000 Best Western Hoteliers, einigen.“

Der Preis, den die kleinen Hoteliers dafür zahlen müssen, ist jedoch hoch: Der Name ihres Hauses verschwindet vom Markt. Doch das werden in den kommenden Jahren ohnehin viele, sind sich Experten sicher. „In ein paar Jahren wird es international nur noch ein gutes Dutzend der Mega-Ketten geben“, sagt Hotel-Berater Gerhard. Daneben, prognostiziert er, bleibt höchstens noch Platz für einige regionale Ketten, und "eine deutlich kleinere Anzahl an individuellen Privathotels“.

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