Ignaz Walter "Ich habe die Macht der Banken unterschätzt"

Sein Baukonzern war sein Lebenswerk. Die Schuld an dessen Zusammenbruch gibt der ehemalige Bauriese Ignaz Walter der Deutschen Bank und anderen Instituten. Ein Interview über Verlust, Wut und Hass.

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Ignaz Walter Quelle: Rebecca Marshall für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Walter, Sie haben über die Insolvenz Ihres Baukonzerns 2005 ein dreibändiges Werk geschrieben, das Sie im Internet zum Kauf anbieten. Warum kommen Sie erst jetzt mit Ihrer Sicht der Vorgänge?

Walter: Ich habe das Buch nicht geschrieben aus Rache oder Wichtigtuerei. Was man mir angetan hat, war schlimm! Andere werfen sich vor den Zug, ich nicht. Ich bin als armer Mensch auf die Welt gekommen. Mein Seelenheil ist meine Familie und mein Glaube. Mir geht es nur um die Wahrheit und um meine Ehre und Würde. Wenn ich mal nicht mehr bin, soll niemand sagen: Der Kerl hat Pleite gemacht, das muss wohl eine Mistfirma gewesen sein.

Im Zentrum Ihrer Kritik steht die Deutsche Bank. Das klingt, als würden Sie die Kritik an den Geldhäusern seit der Finanzkrise 2008 als willkommenen Anlass nehmen, um Ihr eigenes Scheitern Deutschlands größtem Geldhaus unterzujubeln.

Der Eindruck täuscht. Alles fing eigentlich ganz interessant an. Wir waren Ende der Achtzigerjahre unter den fünf ganz Großen am Bau in Deutschland. Eines Tages bekam ich einen Anruf, da bin ich fast vom Stuhl gefallen. Alfred Herrhausen wolle mich treffen...

...der damalige Chef der Deutschen Bank,

Ich kannte Herrhausen nur aus Zeitungen und Fernsehen, der machte einen tollen Eindruck. Da habe ich alle anderen Termine aus meinem Kalender rausgeschmissen und wir sind in München zum Käfer gegangen. Anfangs hat Herrhausen mich examiniert, ob ich der primitive Maurertyp bin, wie mich so mancher beschrieb, oder nicht. Er habe verfolgt, sagte er, was ich mache, und wolle wissen: ob ich ein Konzept habe und ob ich alles mit Fremdkapital finanziere oder ein Geldgeber hinter mir steht.

Zur Person

Herrhausen war damals Aufsichtsratsvorsitzender beim Baukonzern Holzmann, einem Wettbewerber, dem es allerdings nicht besonders ging.

Ja klar, er wusste, dass wir Holzmann Geschäft wegnehmen. Und ich sagte ihm auch, warum: Mein Unternehmen war straff organisiert, meine Mitarbeiter waren alle am Erfolg beteiligt – bis zum Kranführer und Hilfsarbeiter. Da musste ich nicht gucken, ob ein schlechter Maurer dabei war. Den haben die auf der Baustelle selbst aussortiert. Meine Leute haben teilweise das Doppelte verdient wie auf anderen Baustellen. Und trotzdem haben wir mehr verdient als jeder andere. Als Herrhausen darüber staunte, habe ich ihm versprochen, beim nächsten Treffen lege ich ihm mein Berichtswesen offen.

Dem Aufsichtsratschef eines Ihrer schärfsten Konkurrenten?

Der sollte sehen, der Walter haut nicht aufs Blech, das stimmt. Ich war damals schon recht selbstbewusst, vielleicht anmaßend frech. Ich habe Herrhausen gesagt: Noch sind wir kleiner als Holzmann, aber es wird nicht allzu lang dauern, da stehen wir auf Platz eins. Er hat mich nicht ausgelacht.

Wieso haben Sie einem Gegner Ihre Pläne verraten?

Ich bin Stratege und ein geradliniger Typ. Ich habe jedem erzählt, was ich vorhabe – die meisten haben es bloß nie geglaubt. Ich packte die Gelegenheit beim Schopf, so langsam schalten meine Synapsen ja nicht. Ich wusste: Ich bekomme 51 Prozent des damaligen Bauunternehmens Dywidag, an dem Holzmann seinerzeit beteiligt war. Ich habe Herrhausen gesagt: Bei Holzmann ergibt Dywidag keinen Sinn. Ich kaufe mir 51 Prozent, und dann kaufe ich Ihnen Ihre 25 Prozent auch noch ab.

Wegbegleiter und Gegenspieler

Wie hat er auf den Angriff reagiert?

Er hat geschmunzelt und gesagt: Sie brauchen sich mit den anderen Anteilseignern nicht so bemühen, ich besorge Ihnen 25 Prozent, und später bekommen Sie unsere 25 Prozent. Innerhalb eines halben Jahres hatte ich ruck, zuck die 25 Prozent und hatte dann über 50 Prozent. Herrhausen hat das gesteuert. Manche haben an ihn verkauft, manche auf seine Vermittlung direkt an mich.

Warum sollte Herrhausen sich derart auf Ihre Seite geschlagen haben?

Herrhausen wollte für Holzmann das Beste. Das dortige Management hielt er mehrheitlich für Blender. Er wollte Holzmann und Walter Bau zusammenführen. Damals hätte das für uns durchaus Sinn ergeben. Holzmann & Walter hätte der Konzern geheißen. Aber dazu ist es nicht mehr gekommen, nachdem Herrhausen 1989 ermordet wurde. Als dann später Carl von Boehm-Bezing im Vorstand der Deutschen Bank für Holzmann zuständig wurde und auf der Arroganzwelle dahergeschwommen kam, war das eine andere Welt. Bei mir wäre der nicht mal Abteilungsleiter geworden.

Was änderte sich mit Herrhausens Tod?

Etwa ein halbes Jahr nachdem Herrhausen ermordet worden war, veränderte sich in der Filiale München der Deutschen Bank vieles. Plötzlich reichte denen unser vorbildliches Berichtswesen nicht mehr aus. Erst später habe ich erkannt: Da wurde etwas vorbereitet.

Nach dem Mord änderte sich alles

Wer war der neue Chef?

Es gab mehrere. Ein wichtiger war plötzlich Dr. Gribkowsky.

Gerhard Gribkowsky, der 2012 wegen Bestechlichkeit beim Verkauf der Formel-1-Anteile der BayernLB zu acht Jahren Haft verurteilt wurde?

Ja, aber langsam, zur hochgradigen Wirtschaftskriminalität kommen wir erst später. Als wir bei Dywidag eingestiegen sind, wollte ich deren Pseudoberichtswesen, mit dem Verluste und Subtanzverzehr kaschiert wurden, durch unseres ersetzen. Aber der Vorstand von Dywidag hat mithilfe von Gribkowsky und Co. verhindert, dass der wahre Zustand bei Dywidag aufgedeckt wird. Viele Dywidag-Leute waren unglaublich eloquente Selbstdarsteller, man könnte auch sagen: Blender. Bei den schönsten, prestigeträchtigsten Baustellen war Dywidag dabei, hat aber Geld verloren, unendlich. Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth war so empört, der hat in der Aufsichtsratssitzung dem Vorstand unterstellt, die Unwahrheit zu sagen, und den Aufsichtsrat dann ja auch verlassen.

Wollen Sie behaupten, die Deutsche Bank und die anderen Dywidag-Aktionäre hatten Ihnen ein marodes Unternehmen als kerngesund untergejubelt?

Wir kannten die Probleme von Dywidag. Unser Plan war klar: Wir übernehmen Dywidag, die bekommen sofort unser Berichtswesen und unser Controlling. Die Problembaustellen wollten wir in 15 bis 18 Monaten abarbeiten. Gute Niederlassungen hätten wir übernommen, schlechte geschlossen oder bei Walter Bau eingegliedert. Wir haben gewusst, dass die kein Geld verdienen und viel Verlust machten und 300 Millionen ungedeckte Pensionsverpflichtungen hatten. Wir ahnten aber nicht, dass sich der Vorstand für wichtiger empfinden würde als das Wohl der Firma und dass er dabei Hilfe von der Deutschen Bank erhalten würde.

Der umstrittene Walter Ignaz

Wieso war Ihr Verhältnis zu Gribkowsky so schwierig?

Ich habe ein gutes Gespür für Menschen. Ich habe meinen Leuten von Anfang an gesagt: Der ist gefährlich. Herr Gribkowsky wollte zuerst bei der Walter Bau in den Aufsichtsrat. Dann hat er es bei unserer Tochter Züblin versucht, schließlich bei Dywidag. Das konnte ich immer verhindern mit dem Hinweis, wir hätten da schon genug Banker. Plötzlich wollte er bei Dywidag den Vorstandsvorsitz übernehmen. Das hätte ich nicht ausgehalten, also habe ich das abgelehnt. Prompt kündigte die Deutsche Bank im Mai 2000 die Bürgschaftslinien, die wir aber dringend benötigen, um Aufträge anzunehmen. Ohne Bankbürgschaften kann kein Bauunternehmen existieren.

Gribkowsky wollte sich auf Anfrage der WirtschaftsWoche dazu nicht äußern. Sie schieben alles auf ihn persönlich. Dabei war den Banken ihr Engagement bei den Baukonzernen schon länger unheimlich, was sich durch die Pleite von Holzmann 2002 ja als richtig bestätigte. Hat Gribkowsky Ihnen in Aussicht gestellt, bei Vorteilen für sich die Bürgschaften doch noch zu verlängern?

Was soll ich dazu sagen? Wenn er so ein Angebot gemacht hätte, hätte er es ja nur unter vier Augen machen können. Und wenn er es unter vier Augen gemacht hätte, könnte ich das nicht beweisen. Und weil ich es nicht beweisen kann, kann ich es jetzt auch nicht behaupten. Herr Gribkowsky ist anscheinend kein billiger.

Wie meinen Sie das?

Charakterlich wie finanziell. Als bei der BayernLB, die unsere Hausbank war, Alfred Lehner als Chef gehen musste, ist Gribkowsky dorthin gewechselt. Lehner kannte unsere Firma und hatte uns vertraut. Mir war sofort klar. Jetzt ist es für uns gelaufen. Und so kam es auch, und immer war Gribkowsky mit von der Partie. Er war anfangs Leiter des Bankenpools. Nachdem wir, letztlich durch die Streichung der Bürgschaftslinien, Insolvenz anmelden mussten, saß er im Gläubigerausschuss und ziemlich schnell in Gremien von Züblin, nachdem das Unternehmen an Strabag verkauft wurde. Als dann die wichtigsten gesunden Firmen von Walter Bau für lächerliche Beträge bei Strabag gelandet waren, rückte Gribkowsky dort schnell auch in wichtige Gremien auf. Und jetzt darf er schon nach einem von vier Jahren Gefängnis tagsüber als Freigänger durch München spazieren, weil ihm Strabag einen Job angeboten hat.

Die größten Risiken und Probleme der Deutschen Bank
Libor-Skandal Über Jahre versuchten internationale Großbanken den Referenzzins zu manipulieren, um höhere Gewinne zu erzielen. Daran waren auch Beschäftigte des Dax-Konzerns beteiligt. Mehrere Investmentbanker der Deutschen Bank mussten gehen. Das Institut schließt nach internen Untersuchungen aber aus, dass das höhere Management an Manipulationen beteiligt war. In die Kritik geraten war auch Jain, der seit Jahren das Investmentbanking verantwortet. Die drei Konkurrenten Barclays, Royal Bank of Scotland und UBS mussten bereits hohe Strafen zahlen. Das droht auch der Deutschen Bank. Quelle: dpa
Kirch-ProzessIm Dauerclinch um die Pleite des Medienimperiums des inzwischen gestorbenen Leo Kirch wurde die Bank vom Münchner Oberlandesgericht grundsätzlich zu Schadensersatz verurteilt. Die Höhe steht noch nicht fest. Die Bank wehrt sich vor dem Bundesgerichtshof (BGH) gegen den Schuldspruch, bildete in diesem Fall aber auch erstmals Rückstellungen. Die Kirch-Seite macht die Bank für die Pleite der Medienunternehmens 2002 verantwortlich und fordert gut zwei Milliarden Euro Schadenersatz. Einen Vergleich lehnte die Deutsche Bank bislang ab. Im April sah sich das Institut zu einer außerordentlichen Hauptversammlung gezwungen, weil Kläger aus dem Kirch-Lager erfolgreich Beschlüsse des letzten regulären Aktionärstreffens im Mai 2012 angefochten hatten. Quelle: dapd
USADas Land ist einer wichtigsten Märkte für die Deutsche Bank. Die Politik dort will nun die Kapitalregeln für Auslandsbanken verschärfen. Das würde die Deutsche Bank besonders zu spüren bekommen. Zudem kämpft das Institut wegen Geschäften aus den Zeiten vor der Finanzkrise 2007/08 mit zahlreichen Klagen. Oft geht es um Hypothekengeschäfte. Quelle: AP
AbbausparteDer Bereich wird auch als „Bad Bank“ der Deutschen Bank bezeichnet. In der Sparte hat sie alle Geschäfte und Anlagen geparkt, von denen sie sich trennen möchte. Dazu gehören auch einige verlustreiche Ladenhüter wie das einst von der Bank finanzierte Kasino Cosmopolitan in Las Vegas und der US-Hafenbetreiber Maher, die schon seit Jahren auf einen Verkauf warten. Der eigentlich schon vereinbarte Verkauf der Frankfurter BHF-Bank an die Finanzgruppe RHJ stockt seit Monaten, weil die Finanzaufsicht kein grünes Licht gab. Quelle: Presse
VermögensverwaltungGern hätte das Institut im vergangenen Jahr einen Großteil dieses Geschäfts verkauft. Die Verhandlungen verliefen aber im Sande, da die Gebote zu niedrig waren. Nun will die Bank die Sparte selbst weiterentwickeln. Doch die Konkurrenz wird größer. Immer mehr Institute buhlen um reiche Kunden in aller Welt, da dieses Geschäft als vergleichsweise stabil gilt. Die Deutsche Bank findet sich international in der Vermögensverwaltung bislang nur auf einem der hinteren Plätze. Quelle: REUTERS

Das klingt doch arg nach Verschwörungstheorie. Wollen Sie uns im Ernst weismachen, dass Gribkowsky allein und ausschließlich zum eigenen Vorteil Ihr ganzes Imperium zum Einsturz brachte?

Nein, das glaube ich auch nicht. Gribkowsky, von Boehm-Bezing und Co. waren eine Kompanie. Ob Gribkowsky die Deutsche Bank oder diese Gribkowsky benutzt hat oder ob es von Anfang an ein global-strategisches Komplott gab, das ergibt sich aus den Details in meinem Buch.

Wieso sollte von Boehm-Bezing etwas gegen Sie gehabt haben?

Es gab auch mit Boehm-Bezing Gespräche über die Bauwirtschaft. Vielleicht hatte er Gesprächsnotizen von Herrhausen gefunden. Er sagte, der Bauwirtschaft gehe es schlecht, nur Holzmann gut. Ich habe ihm vorgerechnet, dass Holzmann fast pleite ist, und habe ihm unsere Zahlen gezeigt. Da war er erstaunt. Holzmann und Walter Bau hätten zu Herrhausens Zeiten ein richtig gutes Gespann werden können, die Nummer eins in Europa und weltweit schon eine große Nummer. Nur hatte sich in der Zwischenzeit bei Holzmann alles geändert. Als von Boehm-Bezing Aufsichtsratsvorsitzender war, ging es steil bergab.

Auch von Boehm-Bezing wollte eine Fusion Walter Bau mit Holzmann?

Ja, aber ich habe ihm abgesagt. Daraufhin hat er mich belehrt, das war ich von ihm gewöhnt, und hat sinngemäß gesagt: Das werden Sie noch bereuen, Sie hören von mir! Das war Ende 1999. Und im Mai 2000 wurden uns die Aval-Linien gekündigt.

Keine Aufträge mehr

Von Boehm-Bezing lehnt es auf Anfrage der WirtschaftsWoche ab, sich dazu zu äußern. Vermuten Sie hinter dem, was dann folgte, eine Racheaktion?

Es gab sicher auch persönliche Gründe. Aber aus der Sicht der Deutschen Bank und anderer Banken ergab es Sinn, Walter Bau aus dem Weg zu räumen. Die Deutsche Bank besaß ein großes Aktienpaket von Holzmann. Die Dresdner Bank hatte Aktien von Bilfinger, die Commerzbank viele Aktien von Hochtief. Wenn Walter Bau was passiert, steigt der Wert dieser Beteiligungen. Also könnten diese drei Banken schon mal an unserem Untergang interessiert sein. Auch hätte das zu den Plänen der Deutschen Bank gepasst, einen ganz großen deutschen Champion in der Baubranche zu schaffen.

Wieso konnten Sie die Insolvenz nicht verhindern?

Als die Deutsche und die anderen Banken uns die Bürgschaftslinien gekürzt und damit faktisch gekündigt hatten, konnten wir keine Angebote mehr abgeben. Die Banken garantieren mit Bürgschaften, dass Bauunternehmen tatsächlich Bau und Gewährleistungen erbringen, statt sich etwa mit Anzahlungen davonzustehlen. Weil die Kündigung der Bürgschaften in den Zeitungen stand, wollten Lieferanten und Subunternehmer plötzlich Vorkasse. Also mussten wir Bargeld hinterlegen und vorschießen. Dadurch waren nach zehn Monaten unsere liquiden Mittel von 1,3 Milliarden Euro weg. Nun konnten wir nicht mehr anbieten, bekamen keine Aufträge mehr.

Die deutschen Projekte der Alpine Bau
In Baden-Württemberg ist Alpine Bau am Bau von Stuttgart 21 beteiligt. Quelle: dpa
Die Alpine Bau Deutschland AG begann 1989 als Tochter der österreichischen Alpine Mayreder das operative Geschäft in Deutschland. Ein Vorzeigeobjekt: Das Münchner Fussballstadion Allianz Arena. Quelle: AP
Die Pinakothek der Moderne in München gehört auch zum Portfolio der Alpine Bau Deutschland AG. Quelle: dpa
Die Baugruppe errichtete in München ebenfalls die Nobeleinkaufspassage "Fünf Höfe ". Quelle: Creative Commons-Lizenz
Beim Bau der ICE-Strecke zwischen Frankfurt und Köln führte die Alpine Bau ein deutsch-österreichisches Konsortium an. Der Bau wurde an vier Konsortien vergeben. Quelle: dpa
Am Frankfurter Flughafen stellte die Alpine Bau 2008 die Arbeiten am Rohbau des "Airrail Center Frankfurt" ein. Es fehlten die notwendigen Baugenehmigungen, behauptete Alpine und stritt sich mit dem Bauherrn, ein Gemeinschaftsunternehmen der Bonner Immobilienaktiengesellschaft IVG und des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport. Diese behaupteten, dass der Vertragspartner Alpine sich vertragswidrig verhalten habe. Der Konkurrent Züblin übernahm den Bau. Quelle: dpa
In Berlin errichtete die Baugruppe das Hochhaus Zoofenster. Quelle: Creative Commons-Lizenz

Und dann?

Ich habe den Banken angeboten, Beteiligungen zu verkaufen, damit sie uns wieder Bürgschaften geben. Unsere unbelasteten Vermögenswerte beliefen sich seinerzeit umgerechnet auf rund drei Milliarden Euro. Vier Wochen hielt man uns hin, dann hieß es: Nein! Notfalls wollte ich sogar Züblin verkaufen. Wieder zweieinhalb Monate Scheinverhandlungen, wieder hieß es: Nein. Alle Werte waren ja von den Banken als Pfand genommen. Und immer Gribkowsky vorneweg. Am 1. Januar 2005 meldete der Vorstand der Walter Bau Insolvenz an. Im Februar 2005 hat man die Tochtergesellschaft DSI, die bei uns mit 86 Millionen in den Büchern stand, für 150 Millionen in eine Finanzgesellschaft der Banken überführt. Nach einer Schamfrist von neun Monaten ist das Unternehmen für 1,3 Milliarden Euro an eine schwedische Gruppe verkauft worden. Das war kein Verkauf, auch kein Verramschen. Das war Wirtschaftskriminalität.

Und wie kamen große Teile von Walter Bau an Strabag?

Ich kann nur auf Folgendes verweisen: Gribkowsky war zunächst Sprecher des Bankenpools, danach war er im Gläubigerausschuss ein wichtiger Mann. Unsere 60-prozentige Beteiligung an Züblin stand bei uns mit rund 600 Millionen in den Büchern. Die hätten wir für weit über eine Milliarde an Spanier verkaufen können. Meines Wissens ging Züblin mit Zustimmung des Gläubigerausschusses, also auch der Banken, für unter 100 Millionen Euro an Strabag. Heute ist Züblin garantiert mehr als 1,5 Milliarden Euro wert. Unsere hoch rentable tschechische Straßenbaugesellschaft, unser profitabler Tunnel- und Ingenieurbau und weitere Spezialgesellschaften gingen nahezu alle an Strabag, und dies alles zu absoluten Schleuderpreisen.

Diese Firmen halten Deutschland zusammen
huGO-BildID: 17296386 ARCHIV - Zementsaecke der Firma HeidelbergCement liegen am 7. August 2007 im Werk in Leimen bei Heidelberg. Die Baustoffhersteller Heidelberg Cement hat im Rezessionsjahr 2009 einen massiven Gewinn- und Umsatzrueckgang verzeichnet. Wie das Unternehmen am Donnerstag, 18. Maerz 2010, mitteilte, brach der Jahresueberschuss um 91,3 Prozent auf 168 Millionen Euro ein. (AP Photo/Daniel Roland) --- FILE - Cement bags of HeidelbergCement are seen at the company's factory in Leimen near Heidelberg, southwestern Germany, on Tuesday, Aug. 7, 2007. (AP Photo/Daniel Roland) Quelle: AP
huGO-BildID: 23964073 Baden-Wuerttemberg/ ARCHIV: Cement bags of HeidelbergCement are seen at the company's factory in Leimen near Heidelberg, southwestern Germany (Foto vom 07.08.07). Der Baustoffhersteller HeidelbergCement hat im dritten Quartal trotz steigender Energiekosten sein Ergebnis stabil gehalten. Der Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 6,6 Prozent auf 3,62 Milliarden Euro, wie das Unternehmen am Donnerstag (03.11.11) mitteilte. (zu dapd-Text) Foto: Daniel Roland/AP/dapd Quelle: dapd
huGO-BildID: 5193818 Ein Lkw des Zementherstellers Dyckerhoff auf dem Werksgelände in Wiesbaden-Biebrich (Archivfoto vom 13.04.2005). Der Wiesbadener Baustoffkonzern Dyckerhoff hat im ersten Halbjahr Umsatz und Gewinn gesteigert, der Absatz in Deutschland bleibt aber schwach. Vor allem dank der Zuwächse in den USA und Osteuropa wuchs der Umsatz um 7 Prozent auf 588 Millionen Euro, wie der Konzern am Montag (08.08.2005) mitteilte. Der Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) stieg um 18 auf 119 Millionen Euro. Für das Gesamtjahr rechnet das Unternehmen weiterhin mit einem Umsatzanstieg um 5 Prozent auf knapp 1,3 Milliarden Euro. Foto: Frank May dpa/lhe +++(c) dpa - Bildfunk+++ Quelle: dpa/dpaweb
huGO-BildID: 5033562 Im Bad Freienwalder Werk der Wienerberger Ziegelindustrie überprüft der Mitarbeiter Jürgen Presser einen gerade gepressten so genanten Hintermauerziegel (Foto vom 28.06.2005). Das Ostbrandenburger Tochterunternehmen gehört zur weltweit agierenden Wienerberger AG mit Sitz in Wien (Österreich). In Bad Freienwalde sind 31 Mitarbeiter angestellt. Hier werden in etwa 50 verschiedenen Größen und Formen Hintermauerziegel hergestellt. Die Ziegel kommen vorwiegend beim Haus-Rohbau zum Einsatz. Im Vergleich zu herkömmlichen Blockziegeln erfordern die Planziegel einen geringeren Aufwand beim Mauern. Der Grundstoff für die Ziegelherstellung Ton, wird in einer Grube direkt hinter dem Werk gefördert. Foto: Patrick Pleul dpa/lbn +++(c) dpa - Bildfunk+++ Quelle: dpa/dpaweb
huGO-BildID: 26119340 Das Firmenlogo leuchtet vor der Hauptverwaltung des Baustoffherstellers Xella in Duisburg (Foto vom 22.04.2012). Am Freitag (27.04.2012) legt die Xella-Gruppe in Duisburg ihre Bilanzzahlen vor. Foto: Martin Gerten dpa/lnw +++(c) dpa - Bildfunk+++ Quelle: dpa

Der Insolvenzverwalter von Walter Bau, Werner Schneider, stand damals doch unter riesigem Zeitdruck, wollte er Ihre einigermaßen gesunden Töchter nicht auch noch ins Grab stoßen.

Herr Schneider und Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner sind, da bin ich mal ganz vorsichtig, gute Bekannte. Herr Schneider stand zuvor schon einmal im Verdacht, mit Strabag etwas ausgemauschelt zu haben. Bei der Insolvenz soll er 60 Millionen Euro verdient haben. Haselsteiner hat bei dem ganzen Deal in ganz anderen Dimensionen verdient. Und da soll Gribkowksy als Dankeschön nur den Job als Freigänger bekommen haben?

Wie hoch schätzen Sie den gesamten Wert Ihrer Gruppe, als es ihr noch gut ging?

Als uns die Bürgschaftslinien gekündigt wurden, hatte die Gruppe ein Anlagevermögen von rund 1,5 Milliarden Euro, stille Reserven von 1,5 Milliarden und liquide Mittel von 1,3 Milliarden. Dazu käme noch die Bewertung des Geschäfts und des Gewinns.

Die größten Baukonzerne Europas
Bauarbeiter arbeiten auf einem Gerüst Quelle: AP
Bauarbeiter arbeiten auf einer Baustelle des Konzerns Strabag Quelle: dpa
Platz 8: COLAS SADer französische Konzern hat sich auf Straßen- und Schienenbau spezialisiert. Der Name des Konzerns, für den 73.600 Menschen arbeiten, setzt sich aus den englischen Wörtern "cold" und "asphalt" zusammen.Umsatz 2012: 13 Milliarden Euro Quelle: dpa
Baukräne unter grauem Himmel Quelle: AP
Ein Bauarbeiter erhitzt auf einer Baustelle Rohre Quelle: APN
Bauarbeiter in einem neu gebauten U-Bahn-Schacht Quelle: dpa/dpaweb
Ein Arbeiter des Bauunternehmens Hochtief weist einen Container ein Quelle: dpa

Wie viel hat Ihre Gruppe den Gläubigern gebracht?

Was die Gläubiger bekommen haben, jenseits der gesicherten Werte der Banken, das weiß ich nicht.

Hatten Sie gar keine Fürsprecher?

Alle unsere Aufsichtsräte hatten sich bemüht. Auch der IG-Bau-Vorsitzende Klaus Wiesehügel hat sich für uns engagiert. Der hatte sich mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder schon kurzgeschaltet, noch bevor ich diesen angerufen hatte. Ich habe mich mit Schröder getroffen, der hat Mittelsleute eingeschaltet, die mit der Deutschen Bank verhandelten. In Bayern war Wirtschaftsminister Otto Wiesheu zunächst voll auf meiner Seite, bis ihn Gribkowsky umgedreht hat.

"Ich habe 1000 Fehler gemacht"

Und wieso sind nicht andere Banken mit Bürgschaften eingesprungen, wenn Ihr Unternehmen angeblich so gesund war?

Offen gesagt hat mir das niemand. Mir bleiben nur Vermutungen. Entweder haben die sich abgesprochen. Oder die hatten Angst vor der Deutschen Bank. Oder sie haben sich gesagt: Wenn die Deutsche Bank es mit dem Walter nicht mehr macht, muss es ja gefährlich sein. Wir hatten viele Dax-Vorstände in den Aufsichtsräten, die es auf ihren Kanälen bei der Deutschen Bank versuchten. Alle erklärten: Es ist unverständlich, aber es war nichts zu machen.

Der längst verstorbene Medienzar Leo Kirch ging nach Äußerungen von Ex-Deutsche-Bank-Chefs Rolf Breuer 2002 pleite. Sehen Sie Parallelen?

Ja, ganz klar. Da hieß es auch: Der ist zu mächtig. Ich war damals Präsident der gesamten Bauwirtschaft. Ich war Vizepräsident im BDI. Ich hatte gute Beziehungen, ich war ja kein Hanswurst oder Wichtigmacher. Die BayernLB und die HypoVereinsbank standen lange für uns. Bei der Dresdner oder Commerzbank hätte ich was bewegen können. Aber als die Deutsche Bank gegen uns vorging, war alles zu Ende.

Gab es rückblickend einen entscheidenden persönlichen Fehler, der Sie Ihr Lebenswerk kostete?

Ich war zu ehrlich. Ich habe 1000 Fehler gemacht, aber nie existenzielle. Ich habe die Macht der Banken, insbesondere der Deutschen Bank, unterschätzt. Die ist ein Problem. Aber das noch größere Problem ist die Macht der Banker. Der Bankier war früher selbst Unternehmer, eine seriöse Persönlichkeit und ein ehrbarer Kaufmann. Viele heutige Banker fühlen sich als große Manager. Diese Herren gehen über Leichen. Ich brauche im Hirn und in der Seele auch noch was Soziales. Die wissen nicht, was sozial ist. Das sind Söldner, die ziehen von einem Job zum anderen, sitzen aber immer am längeren Hebel.

Wieso sind Sie, offenbar mit Ausnahme Herrhausens, bei den Bankern nie richtig durchgedrungen?

Das stimmt nicht. Die seriösen Bankiers sahen mich immer richtig. Die Möchtegernbanker sahen mich als Parvenü, weil ich aus ganz kleinen Verhältnissen kam. Später kam bei den meisten Respekt. Bei den Flaschen in Nadelstreifen aber gab es einen Neidkomplex. Die sahen, dass ich auf derselben Ebene spielte wie sie, aber mir gehörte der Laden auch noch – und wir verdienten ein Vermögen.

Nennen Sie einen Großmanager Ihren Freund?

Die Freunde, die ich hatte, sind fast alle schon gestorben. Ich war ja immer der Jüngste. Aber meine richtigen alten Freunde, die sind noch da: mit denen ich Fußball gespielt hab, mit denen ich in der Volksschule aufgewachsen bin. Und dann gibt es noch vier, fünf aus der Studienzeit, vor ein paar Wochen waren wir noch zusammen. Denen könnte ich 10.000 Euro geben und würde sie immer zurückkriegen. Im Unternehmerlager habe ich wenig Freunde.

Teilweise verwenden Sie in Ihrem Buch echte Namen, teilweise Pseudonyme. Gribkowsky etwa heißt „Dr. Knasti“. Auf Ihrer Internet-Seite schreiben Sie: Wer klagen wolle, müsse damit rechnen...

...dass ich jeden Rechtsstreit an die Öffentlichkeit ziehe...

Wollen Sie Ihre Gegner einschüchtern? Oder hoffen Sie auf einen Prozess?

Ich hoffe darauf, dass sich einer traut. Ich verstecke mich nicht.

Waren Sie 2005 nicht in der Position, sich zu wehren, oder haben Sie es nicht so gesehen wie heute?

Ich war fast nicht mehr lebensfähig und krank, weil mein Lebenswerk mutwillig in einem Komplott zerstört wurde. Ich habe mich in Hass geflüchtet und überlegt: Jetzt gehst du und nimmst ein paar von denen mit. Aber dann habe ich mich über mich selbst erschreckt, mein Glaube und meine Familie haben mich gerettet. Jetzt bin ich fit, jetzt soll es kommen.

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