Ignaz Walter "Ich habe die Macht der Banken unterschätzt"

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Nach dem Mord änderte sich alles

Wer war der neue Chef?

Es gab mehrere. Ein wichtiger war plötzlich Dr. Gribkowsky.

Gerhard Gribkowsky, der 2012 wegen Bestechlichkeit beim Verkauf der Formel-1-Anteile der BayernLB zu acht Jahren Haft verurteilt wurde?

Ja, aber langsam, zur hochgradigen Wirtschaftskriminalität kommen wir erst später. Als wir bei Dywidag eingestiegen sind, wollte ich deren Pseudoberichtswesen, mit dem Verluste und Subtanzverzehr kaschiert wurden, durch unseres ersetzen. Aber der Vorstand von Dywidag hat mithilfe von Gribkowsky und Co. verhindert, dass der wahre Zustand bei Dywidag aufgedeckt wird. Viele Dywidag-Leute waren unglaublich eloquente Selbstdarsteller, man könnte auch sagen: Blender. Bei den schönsten, prestigeträchtigsten Baustellen war Dywidag dabei, hat aber Geld verloren, unendlich. Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth war so empört, der hat in der Aufsichtsratssitzung dem Vorstand unterstellt, die Unwahrheit zu sagen, und den Aufsichtsrat dann ja auch verlassen.

Wollen Sie behaupten, die Deutsche Bank und die anderen Dywidag-Aktionäre hatten Ihnen ein marodes Unternehmen als kerngesund untergejubelt?

Wir kannten die Probleme von Dywidag. Unser Plan war klar: Wir übernehmen Dywidag, die bekommen sofort unser Berichtswesen und unser Controlling. Die Problembaustellen wollten wir in 15 bis 18 Monaten abarbeiten. Gute Niederlassungen hätten wir übernommen, schlechte geschlossen oder bei Walter Bau eingegliedert. Wir haben gewusst, dass die kein Geld verdienen und viel Verlust machten und 300 Millionen ungedeckte Pensionsverpflichtungen hatten. Wir ahnten aber nicht, dass sich der Vorstand für wichtiger empfinden würde als das Wohl der Firma und dass er dabei Hilfe von der Deutschen Bank erhalten würde.

Der umstrittene Walter Ignaz

Wieso war Ihr Verhältnis zu Gribkowsky so schwierig?

Ich habe ein gutes Gespür für Menschen. Ich habe meinen Leuten von Anfang an gesagt: Der ist gefährlich. Herr Gribkowsky wollte zuerst bei der Walter Bau in den Aufsichtsrat. Dann hat er es bei unserer Tochter Züblin versucht, schließlich bei Dywidag. Das konnte ich immer verhindern mit dem Hinweis, wir hätten da schon genug Banker. Plötzlich wollte er bei Dywidag den Vorstandsvorsitz übernehmen. Das hätte ich nicht ausgehalten, also habe ich das abgelehnt. Prompt kündigte die Deutsche Bank im Mai 2000 die Bürgschaftslinien, die wir aber dringend benötigen, um Aufträge anzunehmen. Ohne Bankbürgschaften kann kein Bauunternehmen existieren.

Gribkowsky wollte sich auf Anfrage der WirtschaftsWoche dazu nicht äußern. Sie schieben alles auf ihn persönlich. Dabei war den Banken ihr Engagement bei den Baukonzernen schon länger unheimlich, was sich durch die Pleite von Holzmann 2002 ja als richtig bestätigte. Hat Gribkowsky Ihnen in Aussicht gestellt, bei Vorteilen für sich die Bürgschaften doch noch zu verlängern?

Was soll ich dazu sagen? Wenn er so ein Angebot gemacht hätte, hätte er es ja nur unter vier Augen machen können. Und wenn er es unter vier Augen gemacht hätte, könnte ich das nicht beweisen. Und weil ich es nicht beweisen kann, kann ich es jetzt auch nicht behaupten. Herr Gribkowsky ist anscheinend kein billiger.

Wie meinen Sie das?

Charakterlich wie finanziell. Als bei der BayernLB, die unsere Hausbank war, Alfred Lehner als Chef gehen musste, ist Gribkowsky dorthin gewechselt. Lehner kannte unsere Firma und hatte uns vertraut. Mir war sofort klar. Jetzt ist es für uns gelaufen. Und so kam es auch, und immer war Gribkowsky mit von der Partie. Er war anfangs Leiter des Bankenpools. Nachdem wir, letztlich durch die Streichung der Bürgschaftslinien, Insolvenz anmelden mussten, saß er im Gläubigerausschuss und ziemlich schnell in Gremien von Züblin, nachdem das Unternehmen an Strabag verkauft wurde. Als dann die wichtigsten gesunden Firmen von Walter Bau für lächerliche Beträge bei Strabag gelandet waren, rückte Gribkowsky dort schnell auch in wichtige Gremien auf. Und jetzt darf er schon nach einem von vier Jahren Gefängnis tagsüber als Freigänger durch München spazieren, weil ihm Strabag einen Job angeboten hat.

Die größten Risiken und Probleme der Deutschen Bank
Libor-Skandal Über Jahre versuchten internationale Großbanken den Referenzzins zu manipulieren, um höhere Gewinne zu erzielen. Daran waren auch Beschäftigte des Dax-Konzerns beteiligt. Mehrere Investmentbanker der Deutschen Bank mussten gehen. Das Institut schließt nach internen Untersuchungen aber aus, dass das höhere Management an Manipulationen beteiligt war. In die Kritik geraten war auch Jain, der seit Jahren das Investmentbanking verantwortet. Die drei Konkurrenten Barclays, Royal Bank of Scotland und UBS mussten bereits hohe Strafen zahlen. Das droht auch der Deutschen Bank. Quelle: dpa
Kirch-ProzessIm Dauerclinch um die Pleite des Medienimperiums des inzwischen gestorbenen Leo Kirch wurde die Bank vom Münchner Oberlandesgericht grundsätzlich zu Schadensersatz verurteilt. Die Höhe steht noch nicht fest. Die Bank wehrt sich vor dem Bundesgerichtshof (BGH) gegen den Schuldspruch, bildete in diesem Fall aber auch erstmals Rückstellungen. Die Kirch-Seite macht die Bank für die Pleite der Medienunternehmens 2002 verantwortlich und fordert gut zwei Milliarden Euro Schadenersatz. Einen Vergleich lehnte die Deutsche Bank bislang ab. Im April sah sich das Institut zu einer außerordentlichen Hauptversammlung gezwungen, weil Kläger aus dem Kirch-Lager erfolgreich Beschlüsse des letzten regulären Aktionärstreffens im Mai 2012 angefochten hatten. Quelle: dapd
USADas Land ist einer wichtigsten Märkte für die Deutsche Bank. Die Politik dort will nun die Kapitalregeln für Auslandsbanken verschärfen. Das würde die Deutsche Bank besonders zu spüren bekommen. Zudem kämpft das Institut wegen Geschäften aus den Zeiten vor der Finanzkrise 2007/08 mit zahlreichen Klagen. Oft geht es um Hypothekengeschäfte. Quelle: AP
AbbausparteDer Bereich wird auch als „Bad Bank“ der Deutschen Bank bezeichnet. In der Sparte hat sie alle Geschäfte und Anlagen geparkt, von denen sie sich trennen möchte. Dazu gehören auch einige verlustreiche Ladenhüter wie das einst von der Bank finanzierte Kasino Cosmopolitan in Las Vegas und der US-Hafenbetreiber Maher, die schon seit Jahren auf einen Verkauf warten. Der eigentlich schon vereinbarte Verkauf der Frankfurter BHF-Bank an die Finanzgruppe RHJ stockt seit Monaten, weil die Finanzaufsicht kein grünes Licht gab. Quelle: Presse
VermögensverwaltungGern hätte das Institut im vergangenen Jahr einen Großteil dieses Geschäfts verkauft. Die Verhandlungen verliefen aber im Sande, da die Gebote zu niedrig waren. Nun will die Bank die Sparte selbst weiterentwickeln. Doch die Konkurrenz wird größer. Immer mehr Institute buhlen um reiche Kunden in aller Welt, da dieses Geschäft als vergleichsweise stabil gilt. Die Deutsche Bank findet sich international in der Vermögensverwaltung bislang nur auf einem der hinteren Plätze. Quelle: REUTERS

Das klingt doch arg nach Verschwörungstheorie. Wollen Sie uns im Ernst weismachen, dass Gribkowsky allein und ausschließlich zum eigenen Vorteil Ihr ganzes Imperium zum Einsturz brachte?

Nein, das glaube ich auch nicht. Gribkowsky, von Boehm-Bezing und Co. waren eine Kompanie. Ob Gribkowsky die Deutsche Bank oder diese Gribkowsky benutzt hat oder ob es von Anfang an ein global-strategisches Komplott gab, das ergibt sich aus den Details in meinem Buch.

Wieso sollte von Boehm-Bezing etwas gegen Sie gehabt haben?

Es gab auch mit Boehm-Bezing Gespräche über die Bauwirtschaft. Vielleicht hatte er Gesprächsnotizen von Herrhausen gefunden. Er sagte, der Bauwirtschaft gehe es schlecht, nur Holzmann gut. Ich habe ihm vorgerechnet, dass Holzmann fast pleite ist, und habe ihm unsere Zahlen gezeigt. Da war er erstaunt. Holzmann und Walter Bau hätten zu Herrhausens Zeiten ein richtig gutes Gespann werden können, die Nummer eins in Europa und weltweit schon eine große Nummer. Nur hatte sich in der Zwischenzeit bei Holzmann alles geändert. Als von Boehm-Bezing Aufsichtsratsvorsitzender war, ging es steil bergab.

Auch von Boehm-Bezing wollte eine Fusion Walter Bau mit Holzmann?

Ja, aber ich habe ihm abgesagt. Daraufhin hat er mich belehrt, das war ich von ihm gewöhnt, und hat sinngemäß gesagt: Das werden Sie noch bereuen, Sie hören von mir! Das war Ende 1999. Und im Mai 2000 wurden uns die Aval-Linien gekündigt.

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