Wenn es um Insiderhandel geht, ermitteln Wirtschaftsprüfer im Unternehmensauftrag weltweit gerne gegen satte Honorare, wer die Schuldigen sind. Sie gelten als unabhängig und überparteilich. Aufgrund ihrer Distanz zu den verdächtigen Mitarbeitern glaubt man ihnen, integer, sachorientiert und unbestechlich die Wahrheit ans Licht zu fördern.
Umso peinlicher ist es, wenn nun wie im Falle von KPMG ein Wirtschaftsprüfer selbst wegen Insiderhandel ins Fadenkreuz der Ermittler gerät. Bereits in der vergangenen Woche musste Scott London als Partner von KPMG in Kalifornien seinen Hut nehmen, weil er einen Freund mit Aktientipps zu von ihm betreuten Unternehmen versorgt haben soll. Im Gegenzug nahm er angeblich Bargeld und Geschenke an.
Der Insiderskandal kratzt erheblich am Image des Branchengiganten KPMG – auch wenn Londons Arbeitgeber umgehend auf die Ermittlungen von FBI und SEC reagiert hat und das schwarze Schaf direkt vor die Tür setzte. KPMG bemühte sich sogar noch mehr, um den Schaden zu begrenzen. Der weltweite Prüfungsgigant gab auch die Prüfungsmandate der US-Unternehmen Herbalife und Skechers, die von Londons Plaudereien betroffen waren.
Vertrauen in die Branche ist erschüttert
Das Vertrauen in den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer steht und fällt mit dem Vertrauen in die Unbestechlichkeit, Integrität, Diskretion und Verschwiegenheit seiner Standesvertreter. Wer viel mit Wirtschaftsprüfern zu tun hat, weiß, dass vor allem Verschwiegenheit im Berufsstand groß geschrieben wird. Auch wenn London jetzt versucht, seinen Fall kleinzureden, indem er beteuert, keine Dokumente herausgegeben, nie wirklich Brisantes ausgeplaudert, sondern lediglich seinem Freund Hinweise gegeben zu haben á la „Bei denen läuft es gerade nicht so gut“, der von ihm ausgelöste Imageschaden ist und bleibt groß.
Das gilt längst nicht nur für KPMG, sondern für die gesamte Zunft. Die Wirtschaftsprüfer werden von der Öffentlichkeit ohnehin derzeit kritisch beäugt. Die Regulierer und Aktionäre haben ihnen noch immer nicht verziehen, dass sie in der Finanzkrise versagt haben, weil sie nicht frühzeitig genug Alarm schlugen.
Seriosität ist nicht gleich Unfehlbarkeit
Jeder Fehltritt wirkt da verschärfend. Böse Zungen behaupten denn auch, dass der Hang zur Verschwiegenheit bei den Wirtschaftsprüfern nicht allein damit zu tun hat, dass Mandanten geschützt werden sollen, sondern vor allem damit, dass angekratzte Image der Wirtschaftsprüfer selbst möglichst blütenweiß zu halten. Für Außenstehende ist es kaum vorstellbar, dass es in der Geschichte der Wirtschaftsprüfer in Deutschland keinen einzigen Fall gegeben haben soll, in dem ein Abschlussprüfer Insiderinformationen preisgegeben hätte Genau das aber erklärte die Wirtschaftsprüferkammer der WirtschaftsWoche auf Anfrage.
Verstoß gegen Strafrecht und Verschwiegenheitspflicht
„Ein ähnlicher Fall in Deutschland ist der Wirtschaftsprüferkammer nicht bekannt“, heißt es aus Berlin. Es ist sicher unbestritten, dass es kaum einen Berufsstand gibt, der sich so sehr um Seriosität bemüht wie der der Wirtschaftsprüfer. Wird hier aber möglicherweise Seriosität mit Unfehlbarkeit verwechselt? Das Strafgesetzbuch ahndet Insiderhandel mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafen. In Deutschland gibt es kein FBI und es gibt auch keine SEC. Es gibt aber Staatsanwälte, die bei Verdacht auf Insiderhandel ermitteln. Handelt es sich um Wirtschaftsprüfer, die Insiderinformationen herausgeben, verstoßen sie jedoch nicht nur gegen das Strafrecht, sondern auch gegen ihre berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht.
Im schlimmsten Fall droht Berufsverbot
Und hier ermittelt die Wirtschaftsprüferkammer, also der Berufsstand selbst. Bei leichten und mittelschweren Fällen drohen den Wirtschaftsprüfern eine Rüge und maximal eine Geldbuße von bis zu 50.000 Euro. Schwere Fälle von Berufsrechtsverletzungen gibt die Wirtschaftsprüferkammer an die Generalstaatsanwaltschaft weiter. Hier würde einem Wirtschaftsprüfer schlimmstenfalls eine Geldbuße von bis zu 500.000 Euro drohen, befristete Tätigkeitsverbote auf bestimmten beruflichen Gebieten und als schärfste Sanktion der Ausschluss vom Beruf. Doch wie gesagt, ein Fall, in dem ein Wirtschaftsprüfer in Deutschland Insiderhandel betrieben hätte, ist bis heute nicht bekannt.