Insolvenzen Zahl der Firmenpleiten auf niedrigstem Stand seit 1999

Die Verbraucher sind in Kauflaune - davon profitiert der Handel. Dennoch rutschen in diesem Jahr gleich mehrere bekannte Textil- und Modeunternehmen in die Pleite. Was sind die Gründe?

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Der Schriftzug «Insolvenz» steht auf einem Tisch zwischen Scrabble-Buchstaben. Quelle: dpa

Die Konjunktur läuft rund, die Zinsen sind niedrig - die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland sinkt nach Angaben der Wirtschaftsauskunftei Creditreform in diesem Jahr auf den tiefsten Stand seit 1999. Doch ausgerechnet 2016 trifft es die Textil- und Bekleidungsbranche hart. Bekannte Firmen wie der Modehersteller Steilmann, der Damenmode-Anbieter Zero oder die Textilketten Rudolf Wöhrl und SinnLeffers müssen den Gang zum Amtsgericht antreten.

Dabei ist die Kauflust der Verbraucher groß. Vielen sitzt das Geld locker, denn Arbeitslosigkeit und Inflation sind niedrig. Zugleich werfen Sparbuch und Co. wegen der Niedrigzinsen kaum noch etwas ab. „Der Textileinzelhandel steckt dennoch in großen Kalamitäten“, sagt Creditreform-Hauptgeschäftsführer Volker Ulbricht.

Die Konkurrenz durch den Onlinehandel wächst. Zudem machen internationale Ketten wie H&M und Textil-Discounter wie Primark oder Kik den Unternehmen das Leben schwer. „Es wird nach unserer Einschätzung auch in der Zukunft das eine oder andere Textilunternehmen geben, das in Schieflage gerät“, sagt der Kreditversicherer Euler Hermes voraus.

Insolvenzkanzleien im ersten Halbjahr 2016: Plätze 20 bis 11

„Es ist ein schleichender Prozess, viele haben versucht, sich dagegen zu stemmen. Jetzt ist einer Reihe von Unternehmen die Luft ausgegangen“, beschreibt Insolvenzverwalter Christoph Niering die Lage der Branche. Die Konkurrenz durch den Online-Handel wachse und die Markentreue der Verbraucher sinke. Der stationäre Handel komme aber nicht so schnell von den hohen Kosten für seine Filialen herunter. „Sich von Mietverträgen und Personal zu trennen, kostet zunächst erstmal Geld, was viele nicht mehr haben“, sagt Niering, Vorsitzender des Verbandes Insolvenzverwalter Deutschlands (VID).

Der Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels schätzt, dass 2015 rund acht Prozent mehr Bekleidung und Textilien über das Internet verkauft wurden als im Jahr davor. Den Online-Anteil am Gesamtumsatz von 62 Milliarden Euro mit Bekleidung sowie Haus- und Heimtextilien beziffert der Verband auf mittlerweile knapp 20 Prozent.

Insolvenzkanzleien im ersten Halbjahr 2016: Plätze 10 bis 1

Der Handel zählt aus Nierings Sicht auch im kommenden Jahr zu den gefährdeten Branchen. Gesundheitswesen und Stahlindustrie stünden ebenfalls unter einem besonderen Wettbewerbs- und Kostendruck. „Treffen wird es vor allem Unternehmen mit einer dünnen Kapitaldecke, die auf skeptische Banken treffen.“

Insgesamt ist die Finanzierungssituation der Firmen Creditreform zufolge derzeit aber gut. Das gelte sowohl für die Aufnahme von Krediten, als auch für die Ausstattung von Unternehmen mit Eigenkapital und Liquidität.

Bei steigenden Zinsen könnte es für manches Unternehmen, das auf neue Kredite oder eine Anschlussfinanzierung angewiesen ist, allerdings eng werden. „Wirtschaftliches Scheitern wird durch die Niedrigzinsen verzögert“, argumentiert Niering. Ein rasches Ende der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ist zunächst allerdings nicht in Sicht.

Für das kommende Jahr sagt Creditreform einen weiteren Rückgang der Firmeninsolvenzen auf 20.000 bis 21.000 Fälle voraus. In diesem Jahr geht die Wirtschaftsauskunftei von 21.700 Firmenzusammenbrüchen aus. „Die gute Entwicklung wird sich fortsetzen“, sagt Ulbricht. Belastungen durch das Brexit-Votum oder die Schwäche des Welthandels würden sich erst längerfristig bemerkbar machen. „2017 wird ein gutes Jahr werden.“

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