Insolvenzverwalter-Ranking Den Pleitekönigen drohen harte Zeiten

Die Zahl der Insolvenzen geht weiter zurück. Die robuste Konjunktur setzt eine ganze Branche unter Druck: Selbst die Stars unter den Insolvenzverwaltern müssen Rückgänge hinnehmen.

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Rückgang der Insolvenzverfahren Quelle: imago images

Die Hauptrollen im „Insolvenz-Krimi“ sind klar verteilt: ein schmieriger Chef, der den Betrieb ausnimmt, sein solider, wenn auch missmutig dreinschauender Geschäftspartner und ein wackerer Insolvenzverwalter, der den Fall schließlich aufklärt und nebenher den Laden rettet. 17 Minuten dauert der „Pleite-Tatort“, den der Ulmer Insolvenzverwalter Michael Pluta werbewirksam auf seiner Kanzlei-Homepage präsentiert und der in der Branche für Gesprächsstoff sorgt. PR in eigener Sache – das war unter Verwaltern jahrelang verpönt. Doch die Zeiten ändern sich.

Die robuste Konjunktur und die niedrigen Zinsen in der Euro-Zone haben die Zahl der Unternehmensinsolvenzen auf den niedrigsten Stand seit 15 Jahren gedrückt. Die Folge: Der Verwaltermarkt ist drastisch überbesetzt, eine Konsolidierung überfällig. Fegte der Pleiteschwund bislang nur unbekannte Provinzsequester und Teilzeitverwalter aus dem Markt, erwischt es inzwischen selbst die Stars der Branche.

Die führenden Insolvenzkanzleien 2014

Das zeigt eine exklusive Analyse des Karlsruher Software- und Informationsdienstleisters STP Portal für die WirtschaftsWoche. Die Experten werteten dafür die Angaben aller deutschen Amtsgerichte zu Unternehmensinsolvenzen aus. Das Resultat ist eine Rangliste der 30 führenden Insolvenzkanzleien.

Die meisten Kanzleien verlieren

Angeführt wird das Ranking wie in den Vorjahren von der bundesweit tätigen Wirtschaftskanzlei Schultze & Braun, deren Verwalter 2014 bei 236 neuen Insolvenzen im Einsatz waren. Doch der Abstand zu Krimi-Fan Pluta und der Hamburger Insolvenzformation Brinkmann & Partner schmilzt dahin. Die beiden Verfolger gehören zu den wenigen Kanzleien, die 2014 noch Verfahren dazugewannen.

Beim Gros der Gilde herrschte indes Kurzarbeit: Beackerten die 30 größten Insolvenzkanzleien 2013 noch 2827 Verfahren, sank die Zahl 2014 auf 2378 – ein Minus von 16 Prozent. Die Gesamtzahl aller Havarien von Kapital- und Personengesellschaften sackte laut STP Portal um rund neun Prozent auf 6474 Verfahren.

Die Pleiteflaute ist indes nur eines der Probleme, die die Branche derzeit durcheinanderwirbeln. „Die Qualität der Verfahren hat nachgelassen“, sagt der Düsseldorfer Verwalter Dirk Andres. Spektakuläre Zusammenbrüche wie die des Windparkfinanzierers Prokon sind rar. Stattdessen würden jetzt „allenfalls Pommesbuden“ in die Pleite trudeln, klagt ein Berliner Abwickler. Es gebe schlicht zu viel Licht und zu wenig Schatten in der Wirtschaft.

Zudem haben sich seit März 2012 die Spielregeln im Pleitegeschäft geändert. Damals trat das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen – kurz: Esug – in Kraft. Was nach drögen Paragrafen klingt, war für das Pleitegewerbe nicht weniger als „eine Zeitenwende“, sagt Wellensiek-Partner Christopher Seagon, der die Baumarktkette Praktiker durch die Insolvenz steuert.

Kern der Reform: Unternehmer, die rechtzeitig Hilfe suchen, erhalten mehr Einfluss auf den Verlauf der Sanierung und können ihr Unternehmen im besten Fall selbst aus der Krise steuern.

Wirtschaftsprüfer liebäugeln mit Einstieg ins Insolvenzgeschäft

Laut der Analyse der STP-Experten wurden seither in 715 Fällen Esug-Eigenverwaltungen gestartet – zum Leidwesen vieler Insolvenzverwalter. Als sogenannte Sachwalter begleiten sie die meisten Rettungsmissionen lediglich als eine Art Ein-Mann-Aufsichtsrat. Die eigentliche Arbeit übernimmt derweil ein vom Unternehmen angeheuerter Sanierungsmanager.

Hier Fuß zu fassen wird für Verwalter zusehends schwieriger. Längst mischen Unternehmensberater im Restrukturierungsgetümmel mit. Auch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wie EY haben das Geschäft entdeckt. „In Einzelfällen können unsere Mitarbeiter künftig auch die Position eines Sanierungsgeschäftsführers oder -vorstands übernehmen“, kündigt EY-Partner Bernd Richter an.

Zwar bestreiten die großen Prüfgesellschaften weiter gehende Ambitionen. Doch Gerüchte, die sogenannten Big Four – EY, KPMG, PwC und Deloitte – würden mit einem Einstieg ins klassische Insolvenzgeschäft liebäugeln, halten sich in der Branche hartnäckig.

Die spektakulärsten Pleiten 2014
Stadtwerke GeraWas bislang in Deutschland als undenkbar galt, ist im Sommer 2014 erstmals eingetreten: In Gera, der mit 95.000 Einwohnern drittgrößten Stadt Thüringens, haben die Stadtwerke Insolvenz angemeldet. Insolvenzverwalter Michael Jaffé aus München, der schon das Insolvenzverfahren von Kirch-Media betreut hat, setzt seither auf eine Sanierung der Stadtwerke, in deren Sogwelle auch der Verkehrsbetrieb und die Flugbetriebsgesellschaft Insolvenz anmelden mussten. Busse und Bahnen fuhren zwar unverändert weiter, aber Jaffé arbeitete Sparkonzepte aus, um den Zuschussbedarf für den Betrieb zu senken. Außerdem lotet er den Einstieg privatwirtschaftlicher Investoren aus und plant den Verkauf von Anteilen an einer Wohnungsbaugesellschaft. Die Folgen der Pleite reichen indes weit über die Grenzen von Gera hinaus. Auch in andere Kommunen ist die Schuldenlast drückend, gelten Insolvenzen städtischer Tochtergesellschaften nach Gera-Exempel nicht mehr als ausgeschlossen. Damit könnten zugleich aber auch Fragen nach der Absicherung und Eigenkapitalunterlegung von Bankkrediten an öffentliche Unternehmen auf die Agenda rücken. Quelle: dpa
Burger King GmbHNach monatelangen Querelen reichte im Dezember der größte Betreiber von Burger King Restaurants in Deutschland einen Insolvenzantrag ein. 89 Schnellrestaurants mit 3000 Mitarbeitern sind betroffen. Sie hatten schon im November schließen müssen,  nachdem die Burger-King-Zentrale dem Franchisenehmer Yi-Ko nach Schlagzeilen um Hygienemängel und schlechte Arbeitsbedingungen fristlos gekündigt hatte. Der vorläufige Insolvenzverwalter Marc Odebrecht erreichte eine schnelle Einigung mit Burger King und die Wiedereröffnung der Restaurants. Die insolvente Gesellschaft soll nun verkauft werden.   Quelle: dpa
ProkonDie Insolvenz des Windkraftunternehmens Prokon war nicht nur ein Schock für die Beschäftigten. Betroffen waren auch rund 74.000 Anleger, die insgesamt 1,4 Milliarden Euro in das Unternehmen investiert hatten. Sie werden nach Angaben von Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin wohl rund die Hälfte ihres eingesetzten Kapitals verlieren. Penzlin will Prokon über ein Insolvenzplanverfahren sanieren und sondiert derzeit die Möglichkeit, den Konzern als Genossenschaft weiter zu führen. Quelle: dpa
WeltbildEine Debatte um erotische und esoterische Literatur stürzte das Verlagshaus Weltbild ab 2011 in eine tiefe Krise. Weltbild geriet ins Abseits, dann drehte die Kirche den Geldhahn zu. Anfang 2014 musste der defizitäre Verlag Insolvenz anmelden. Für die Beschäftigten begann ein Jahr der Ungewissheit: Ein interessierter Käufer sprang kurz vor einem Vertragsabschluss wieder ab. Doch Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz konnte einen neuen Kaufkandidaten aus dem Hut zaubern: Im Sommer übernahm die Düsseldorfer Droege Group den Verlag und kündigte weiteren Jobabbau an. Knapp ein Drittel der einst mehr als 3500 Stellen war zu diesem Zeitpunkt bereits weggefallen. Quelle: dpa
MS DeutschlandDie finanzielle Havarie der als ZDF-„Traumschiff“ bekannten MS Deutschland wurde im Oktober offenkundig. Die Geschäftsführung der MS-Deutschland-Beteiligungsgesellschaft stellte beim Amtsgericht Eutin Insolvenzantrag. Auf dem Schiff lasten Schulden von rund 56 Millionen Euro, davon sind 50 Millionen Anleiheschulden und drei Millionen Euro Zinsen. Wie viel die Anleger davon wiedersehen werden, hängt vom Verkaufserlös des Schiffes ab, den der Insolvenzverwalter Reinhold Schmid-Sperber erzielen kann. Quelle: dpa
MifaMifa, der größte deutsche Fahrradhersteller meldete Ende September Insolvenz an. Zuvor war eine Vereinbarung mit der indischen Hero Cycles gescheitert. Hero sollte eigentlich mit mindestens 15 Millionen Euro bei dem Unternehmen einsteigen. Zuletzt machte Mifa 13,2 Millionen Euro Verlust. Zudem kamen Fehler in der Bilanzierung ans Licht. So wurde Investoren 2012 und 2013 ein profitables Geschäft vorgegaukelt, das es so nie gegeben hat. Die Insolvenz trifft auch Mifa-Großaktionär Carsten Maschmeyer. Statt ihm steuert nun Insolvenzverwalter Lucas Flöther das Unternehmen. Quelle: dpa
StrenesseDer Nördlinger Modehersteller Strenesse stellte im April einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung. Grund für den Schritt waren drückende Altlasten, die die Sanierung des Unternehmens behinderten wie der Strenesse-Vorstand erklärte. Seither mühen sich Sanierungsexperte Michael Pluta und der Sachwalter Jörg Nerlich um die Rettung des Modeunternehmens. Von der Insolvenz sind mehr als 350 Beschäftigte betroffen. Quelle: dpa

Weniger Verfahren, geringere Vergütungen, neue Konkurrenz – lange Zeit hielten sich die größeren Insolvenzkanzleien mit der Abwicklung von Altfällen über Wasser und setzten darauf, dass die Sterberate der Unternehmen wieder anzieht. Inzwischen hätten etliche Büros ihre Reserven jedoch aufgebraucht, sagt der Düsseldorfer Verwalter Andres. 2015 werde daher „ein Schicksalsjahr für die Branche“.

Schon beginnt sich der Markt zu lichten. In einem denkwürdigen Schreiben verabschiedete sich im Herbst 2014 etwa der Krefelder Insolvenzrechtler Wilhelm Klaas aus dem Routinedienst. Er wolle sich lieber auf seine ab 2020 geplante Weltumseglung vorbereiten, als „in einer Vielzahl von Kleinverfahren Nordrhein-Westfalen zu bereisen, um unterm Strich allenfalls Geld zu tauschen“, ließ Klaas die Insolvenzrichter seines Sprengels wissen. Für Jobs als Sachwalter, Sanierer oder für „Projektmandate“ werde er jedoch weiter einen „kleinen, schlagfertigen Insolvenzkanzleiapparat“ vorhalten.

Die führenden Insolvenzverwalter 2014

Andere Kanzleivorsteher loten Zusammenschlüsse mit Konkurrenten aus oder setzen stärker auf das Beratungsgeschäft. Frank Kebekus, Sprecher des Gravenbrucher Kreises, der wichtigsten Vereinigung von überregional tätigen Verwaltern, sieht den Markt vor einer regelrechten „Konsolidierungswelle“.

Den Auftakt machte im Januar das Frankfurter Verwalterurgestein Ottmar Hermann, der einst etwa den Baukonzern Holzmann und die Kaufhauskette Woolworth betreute. Seine Kanzlei fusionierte mit der Berliner Wirtschaftssozietät hww.

In dem neuen Verbund arbeiten nun rund 400 Mitarbeiter in 24 deutschen Städten. Im Verwalter-Ranking würden Hermann und hww zusammen auf Platz vier rangieren. Hww-Partner Rüdiger Wienberg geht davon aus, dass der Fusion weitere folgen. Am Ende der Entwicklung könnten „fünf oder sechs große Player“ das Geschäft dominieren und die wichtigen Verfahren bearbeiten, erwartet Wienberg.

Für den großen Rest könnte es im Verwalter-Slang dann schnell heißen: Fortführungsprognose negativ.

Auf den nachfolgenden Seiten finden Sie die Übersicht der besten Insolvenzkanzleien und -verwalter in Tabellen:

Die Top-30-Insolvenzkanzleien im Überblick

Die führenden Insolvenzkanzleien 2014

KanzleiVerfahren*
Schultze & Braun236
Pluta211
Brinkmann & Partner196
White & Case152
Görg Rechtsanwälte121
hww Wienberg Wilhelm105
Reimer Rechtsanwälte97
Henningsmeier Rechtsanwälte86
Münzel & Böhm80
BBL Bernsau Brockdorff75
Kübler73
Dr. Beck & Partner62
Hammes58
Anchor Rechtsanwälte55
Leonhardt Rattunde54
Westhelle und Partner54
Mönning & Georg53
Hermann RWS52
Piepenburg - Gerling52
Niering Stock Tömp51
Schneider, Geiwitz & Partner51
Schwartz Rechtsanwälte51
Flöther & Wissing49
Kreplin & Partner47
FRH Rechtsanwälte44
Hoge Gutsche Walter44
Schiebe und Collegen44
Schwierholz Jarchow Scholz44
Pohlmann Hofmann42
Andres Schneider Rechtsanwälte39

 * gezählt wurden Verfahren ab Stellung des Insolvenzantrags (vorläufige Verfahren); Quelle: STP Portal

Die Top-30-Insolvenzverwalter im Überblick

Die führenden Insolvenzverwalter 2014

NameKanzleiVerfahren*

Hammes, Dirk

Hammes

42

Schulte-Kaubrügger, Christoph

White & Case

41

Spiekermann, Olaf

Brinkmann & Partner

39

Freiherr v. Diepenbroick, Hagen

Münzel & Böhm

38

Sontopski, Andreas

Rechtsanwalt Andreas Sontopski

37

Borchardt, Peter-Alexander

Reimer Rechtsanwälte

32

Gittermann, Hendrik

Reimer Rechtsanwälte

30

Flöther, Lucas F.

Flöther & Wissing

29

Ampferl, Hubert

Dr. Beck & Partner

28

Böhm, Gideon

Münzel & Böhm

27

Büttner, Joachim

Henningsmeier Rechtsanwälte

27

d'Avoine, Marc

D'Avoine Teubler Neu Rechtsanwälte

27

Fuest, Thorsten

Brinkmann & Partner

27

Gutmann, Torsten

Pluta

27

Siemon, Klaus

Anwaltskanzlei Siemon

27

Undritz, Sven-Holger

White & Case

27

Meyer, Stefan

Meyer Rechtsanwälte

26

Niering, Christoph

Niering Stock Tömp

26

Schiebe, Robert

Schiebe und Collegen

25

Beyer, Tim

Schultze & Braun

24

Büchler, Olaf

Schwierholz Jarchow Scholz

24

Martini, Ulf

Martini Rechtsanwälte

24

Habura, Natascha

Klaas & Kollegen

23

Hackländer, Philipp

White & Case

23

Hoge-Peters, Ulrike

Hoge Gutsche Walter

23

Köster, Malte

Willmer & Partner

23

Minuth, Peter C.

Piepenburg - Gerling

22

Schmidt, Martin

Schultze & Braun

22

Thiemann, Stephan

Pluta

22

Blümle, Holger

Schultze & Braun

21

Danko, Franz-Ludwig

KÜBLER

21

Grönda, Edgar

Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH

21

Koch, Carsten

westhelleundpartner

21

Köhler-Ma, Christian

Olswang Germany LLP

21

Laboga, Sebastian KÜBLER 21
Michels, Stephan Michels Insolvenzverwaltungen 21
Plathner, Jan Markus Brinkmann & Partner21

* gezählt wurden Verfahren ab Stellung des Insolvenzantrags (vorläufige Verfahren); Quelle: STP Portal

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