Das Amtsgericht in Frankfurt leitete am Donnerstag um 10.27 Uhr ein vorläufiges Insolvenzverfahren gegen die Silvia Quandt AG ein. Ein vom Gericht bestellter Verwalter setzt sich nun mit der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens auseinander. Nur wenn ausreichend Geld vorhanden ist, um die Kosten zu decken, kommt es zu einem endgültigen Insolvenzverfahren. Sollten nicht ausreichend liquide Mittel vorhanden sind, würde das Verfahren mangels Masse eingestellt.
Die Silvia Quandt & Cie AG, die nach außen zuletzt unter dem Namen Westend Brokers auftrat, gehörte einst zur Angermayer, Brumm und Lange (ABL) Gruppe. Einen bedeutenden Teil ihrer Einnahmen generierte die Investmentboutique über Dienstleistungen, die sie für die Unternehmen der ABL-Gruppe erbrachte. Zur ABL gehörten bis zur Zerschlagung im Herbst vergangenen Jahres unter anderem der Vermögensverwalter Altira, der Finanzvertrieb Aragon, die Beteiligungsgesellschaften Heliad, CFC (firmiert heute unter United Electronic Technology) und African Development Corporation, die sämtlich börsennotiert sind. Die Investmentboutique platzierte etwa Kapitalerhöhungen für Altira und brachte CFC an die Börse.
Das Geschäftsmodell der Silvia Quandt AG funktionierte, solange es der ABL-Gruppe gut ging. 2007 erwirtschaftete sie einen Jahresüberschuss von 3,6 Millionen Euro. In den drei Folgejahren arbeiteten die Investmentbanker mehr oder weniger kostendeckend.
Seit 2010 liefen die Geschäfte vieler Gesellschaften der ABL-Gruppe allerdings schlecht. Die Altira AG und die Aragon AG als Kerngesellschaften der Gruppe machten zeitweise hohe Verluste. Zudem verloren Investoren das Vertrauen in die unternehmerischen Fähigkeiten des einst als Wunderkind der Finanzindustrie gefeierten Christian Angermayer. Die Börsenkurse der ABL-Gesellschaften stürzten ab. Die Aktien der Altira AG kostete zu Spitzenzeiten mal 60 Euro. Aktuell steht der Kurs bei drei Euro. Der Kurs der Heliad KGaA lag im August 2009 bei knapp 5 Euro pro Aktie. Heute liegt er bei zwei Euro. Eine CFC-Aktie kostete im April 2007 noch 18 Euro. Heute sind es 30 Cent.
Die Wertverluste dieser Unternehmen wurden der Silvia Quandt AG zum Verhängnis. Weil die Unternehmen der eigenen Gruppe ihre Dienstleistungen, wie etwa Unterstützung bei Kapitalerhöhungen, kaum noch nachfragten, brachen wichtige Einnahmen weg. 2011 machte die Investmentboutique einen Verlust in Höhe von fünf Millionen Euro. Aktuellere Zahlen wurden bislang nicht veröffentlicht.
Im Zuge des Niedergangs verabschiedete sich auch die Familie Quandt aus dem Unternehmen. 2006 hatten Angermayer und seine Partner zusammen mit Golo Quandt, Mutter Silvia und dem Banker Joachim Paech die Silvia Quandt & Cie. AG gegründet. Die Familie Silvia Quandt hielt damals 25 Prozent an dem Unternehmen. Angermayer wurde Vorstand und ging mit dem Namen der Quandts auf Werbetour. Er wurde nicht nur für das Investmenthaus genutzt. Auch Altira wies darauf hin, dass die Vermögensverwaltung von Silvia Quandt langjähriger Investor des Unternehmens sei. Die Beteiligungsgesellschaft Heliad pries Quandt als Teil des Netzwerks, beim Immobilienentwickler Squadra fand sich der Name in Präsentationen.
Quandt-Verbindung gekappt
Das Band wurde allerdings schon vor mehr als einem Jahr gekappt. Ein Anwalt der Familie erklärte im September 2012 gegenüber der WirtschaftsWoche, dass Silvia und Golo Quandt nicht mehr an Unternehmen der ABL-Gruppe beteiligt seien.
2011 hatte der damalige Vorstand Johann Ostermair noch versucht, die Silvia Quandt AG mittels eines Sparprogramms wieder in die Gewinnzone zu führen. Mitarbeiter wurden entlassen und Gehälter zeitweise gekürzt. Dieter Pfundt, Ex-Kapitalmarktchef von Sal. Oppenheim, 2010 als Berater zur Bank gekommen, musste nach nicht mal einem Jahr wieder gehen. Das Vorstands-Gastspiel von Wolfgang Jensen, früher Bereichsleiter bei Sal. Oppenheim, dauerte nur wenige Wochen.
Die Banker versuchten, neue Kunden zu gewinnen, doch der Erfolg war begrenzt. Im Frühjahr 2012 sprach Ostermair gegenüber seinem Aufsichtsrat von einer „derzeit schwierigen Liquiditätslage“, in der man die „Möglichkeit, Zahlungen zu verschieben, soweit wie möglich“ ausnutze. Die WirtschaftsWoche berichtete hierüber.
Als die ABL-Gruppe im Oktober 2012 zerschlagen wurde, übernahm der Kulmbacher Investor und Herausgeber der Zeitschrift „Der Aktionär“ Bernd Förtsch die Altira-Aktien der ABL und damit auch deren Beteiligungen. Die Silvia Quandt AG wollte der einstige Aktien-Guru aber offenbar nicht haben. Sie blieb bei der Angermayer, Brumm & Lange GmbH sowie Unternehmensgründer Joachim Paech. Mit der PVM Private Values Media AG kam in Herbst allerdings ein neuer Investor hinzu, der frisches Geld in das Unternehmen steckte. Laut Handelsregister wurde das Grundkapital der Gesellschaft im Dezember um 500.000 Euro erhöht.
Operativ geschah danach allerdings kaum noch etwas. Vielmehr folgten weitere schlechte Nachrichten. Die biw Bank mit Sitz in Willich kündigte die Zusammenarbeit mit der Silvia Quandt AG im „Designated Sponsoring“ auf, wodurch das komplette Geschäftsfeld eingestellt werden musste.
Ein Designated Sponsor sorgt im Auftrag von börsennotierten Unternehmen dafür, dass deren Aktien laufend gehandelt werden, so dass es stets Kauf- und Verkaufskurse gibt. Für derartige Geschäfte benötigt der Sponsor eine Lizenz. Da die Silvia Quandt AG nicht über eine entsprechende Erlaubnis verfügte, arbeitete sie mit der biw zusammen. Mit der Kündigung der Verträge verlor die Silvia Quandt AG ihren lizensierten Partner, ohne den sie die Dienstleistungen nicht weiter anbieten konnte.
Im Frühjahr stellte sie dann auch das Geschäft mit Analystenberichten ein. Wichtige Mitarbeiter und auch Kunden wechselten zur Frankfurter Koch Bank, die seit Anfang des Jahres zur Flatex-Unternehmensgruppe und damit indirekt Großaktionär Bernd Förtsch gehört.
Das Gerücht, dass die Silvia Quandt AG abgewickelt werden soll, kursierte in Finanzkreisen bereits seit Monaten. Im Oktober spitzte sich die Situation zu, als Joachim Paech, Ex-Vorstand und Mitbegründer der Investmentboutique, seinem eigenen Unternehmen einen Gerichtsvollzieher schickte, der Schulden in Höhe von 400 000 Euro eintreiben sollte.